erlegen, wenn eins von ihnen nachläßig war. Jch denke, Jda wird sich wohl hüten. Was Ma- thilde mit ihrem Gelde anfangen wird, soll mich wundern. Noch scheint sich bei ihr keine entschie- dene Neigung irgend wozu entwickelt zu haben. Es ist sonderbar, wie bei so einer starken Natur eine solche Jndolenz bestehen kann, wie sie bisher gezeigt. Doch dies unkindliche Kind will studirt seyn. Das thue ich, indem ich es fast ganz gehen lasse, bis sich irgend etwas in ihr hervorthut, woran ich sie erkennen und fassen kann.
Lebe wohl, Emma. Bald wird Jda Dir auch schreiben. Sie übt sich alle Tage. Und einen bessern Schreibmeister gibt es nicht, als das Ver- langen, sich entfernten Lieben mitzutheilen.
Neunzehnter Brief.
Der Samstag kam, und die Kinder hatten's am Morgen sehr heimlich mit einander. Sie hat- ten den Abend zuvor die Strümpfchen vollendet. Als wir zum Frühstück hinuntergingen, fuschel-
erlegen, wenn eins von ihnen nachläßig war. Jch denke, Jda wird ſich wohl hüten. Was Ma- thilde mit ihrem Gelde anfangen wird, ſoll mich wundern. Noch ſcheint ſich bei ihr keine entſchie- dene Neigung irgend wozu entwickelt zu haben. Es iſt ſonderbar, wie bei ſo einer ſtarken Natur eine ſolche Jndolenz beſtehen kann, wie ſie bisher gezeigt. Doch dies unkindliche Kind will ſtudirt ſeyn. Das thue ich, indem ich es faſt ganz gehen laſſe, bis ſich irgend etwas in ihr hervorthut, woran ich ſie erkennen und faſſen kann.
Lebe wohl, Emma. Bald wird Jda Dir auch ſchreiben. Sie übt ſich alle Tage. Und einen beſſern Schreibmeiſter gibt es nicht, als das Ver- langen, ſich entfernten Lieben mitzutheilen.
Neunzehnter Brief.
Der Samſtag kam, und die Kinder hatten’s am Morgen ſehr heimlich mit einander. Sie hat- ten den Abend zuvor die Strümpfchen vollendet. Als wir zum Frühſtück hinuntergingen, fuſchel-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0161"n="147"/>
erlegen, wenn eins von ihnen nachläßig war. Jch<lb/>
denke, Jda wird ſich wohl hüten. Was Ma-<lb/>
thilde mit ihrem Gelde anfangen wird, ſoll mich<lb/>
wundern. Noch ſcheint ſich bei ihr keine entſchie-<lb/>
dene Neigung irgend wozu entwickelt zu haben.<lb/>
Es iſt ſonderbar, wie bei ſo einer ſtarken Natur<lb/>
eine ſolche Jndolenz beſtehen kann, wie ſie bisher<lb/>
gezeigt. Doch dies unkindliche Kind will ſtudirt<lb/>ſeyn. Das thue ich, indem ich es faſt ganz gehen<lb/>
laſſe, bis ſich irgend etwas in ihr hervorthut,<lb/>
woran ich ſie erkennen und faſſen kann.</p><lb/><p>Lebe wohl, Emma. Bald wird Jda Dir auch<lb/>ſchreiben. Sie übt ſich alle Tage. Und einen<lb/>
beſſern Schreibmeiſter gibt es nicht, als das Ver-<lb/>
langen, ſich entfernten Lieben mitzutheilen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#g">Neunzehnter Brief</hi>.</head><lb/><p>Der Samſtag kam, und die Kinder hatten’s<lb/>
am Morgen ſehr heimlich mit einander. Sie hat-<lb/>
ten den Abend zuvor die Strümpfchen vollendet.<lb/>
Als wir zum Frühſtück hinuntergingen, fuſchel-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[147/0161]
erlegen, wenn eins von ihnen nachläßig war. Jch
denke, Jda wird ſich wohl hüten. Was Ma-
thilde mit ihrem Gelde anfangen wird, ſoll mich
wundern. Noch ſcheint ſich bei ihr keine entſchie-
dene Neigung irgend wozu entwickelt zu haben.
Es iſt ſonderbar, wie bei ſo einer ſtarken Natur
eine ſolche Jndolenz beſtehen kann, wie ſie bisher
gezeigt. Doch dies unkindliche Kind will ſtudirt
ſeyn. Das thue ich, indem ich es faſt ganz gehen
laſſe, bis ſich irgend etwas in ihr hervorthut,
woran ich ſie erkennen und faſſen kann.
Lebe wohl, Emma. Bald wird Jda Dir auch
ſchreiben. Sie übt ſich alle Tage. Und einen
beſſern Schreibmeiſter gibt es nicht, als das Ver-
langen, ſich entfernten Lieben mitzutheilen.
Neunzehnter Brief.
Der Samſtag kam, und die Kinder hatten’s
am Morgen ſehr heimlich mit einander. Sie hat-
ten den Abend zuvor die Strümpfchen vollendet.
Als wir zum Frühſtück hinuntergingen, fuſchel-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/161>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.