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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Ja Tante, Du hast wohl Geld, ich habe aber
keines. Nun weißt du, wie wir das machen wol-
len? Du sollst alle Woche ein Strümpfchen fer-
tig stricken und Mathilde auch, und wenn ihr
mir am Sonntag Morgen die fertigen Strümpfe
bringt, bekommt ihr für jedes vier Groschen, dann
habt ihr Geld, das euer ist, damit macht ihr
was ihr wollt. Jda's Augen glänzten von Freude.
Am andern Morgen als Paul kam, fragte sie,
ob sie zu ihm hinunter dürfe. Jch ging mit ihr
hinunter. Höre, guter Paul, sagte sie, ich ha-
be dir alle Morgen mein Milchbrötchen versprochen,
Tante sagte aber, das ist für dich zu klein. Jch
habe kein großes Brot, wovon du satt werden
kannst, aber ich werde nun alle Sonntag Geld
haben, wenn ich fleißig bin, und ich will schon
fleißig seyn. Du kommst am ersten Sonntag
Mittag. Nicht wahr, Tante, Paul kommt? Jch
winkte ihr und dem lahmen Paul ja zu. Was
willst du denn aber bis Samstag anfangen?
Jda: Tante, schenke Du ihm diese Woche ein gro-
ßes Brot. Jch rief Gertrud, gab ihr den Schlüssel
zur Speisekammer, und ließ Jda mitgehen, daß

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Ja Tante, Du haſt wohl Geld, ich habe aber
keines. Nun weißt du, wie wir das machen wol-
len? Du ſollſt alle Woche ein Strümpfchen fer-
tig ſtricken und Mathilde auch, und wenn ihr
mir am Sonntag Morgen die fertigen Strümpfe
bringt, bekommt ihr für jedes vier Groſchen, dann
habt ihr Geld, das euer iſt, damit macht ihr
was ihr wollt. Jda’s Augen glänzten von Freude.
Am andern Morgen als Paul kam, fragte ſie,
ob ſie zu ihm hinunter dürfe. Jch ging mit ihr
hinunter. Höre, guter Paul, ſagte ſie, ich ha-
be dir alle Morgen mein Milchbrötchen verſprochen,
Tante ſagte aber, das iſt für dich zu klein. Jch
habe kein großes Brot, wovon du ſatt werden
kannſt, aber ich werde nun alle Sonntag Geld
haben, wenn ich fleißig bin, und ich will ſchon
fleißig ſeyn. Du kommſt am erſten Sonntag
Mittag. Nicht wahr, Tante, Paul kommt? Jch
winkte ihr und dem lahmen Paul ja zu. Was
willſt du denn aber bis Samſtag anfangen?
Jda: Tante, ſchenke Du ihm dieſe Woche ein gro-
ßes Brot. Jch rief Gertrud, gab ihr den Schlüſſel
zur Speiſekammer, und ließ Jda mitgehen, daß

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[145/0159] Ja Tante, Du haſt wohl Geld, ich habe aber keines. Nun weißt du, wie wir das machen wol- len? Du ſollſt alle Woche ein Strümpfchen fer- tig ſtricken und Mathilde auch, und wenn ihr mir am Sonntag Morgen die fertigen Strümpfe bringt, bekommt ihr für jedes vier Groſchen, dann habt ihr Geld, das euer iſt, damit macht ihr was ihr wollt. Jda’s Augen glänzten von Freude. Am andern Morgen als Paul kam, fragte ſie, ob ſie zu ihm hinunter dürfe. Jch ging mit ihr hinunter. Höre, guter Paul, ſagte ſie, ich ha- be dir alle Morgen mein Milchbrötchen verſprochen, Tante ſagte aber, das iſt für dich zu klein. Jch habe kein großes Brot, wovon du ſatt werden kannſt, aber ich werde nun alle Sonntag Geld haben, wenn ich fleißig bin, und ich will ſchon fleißig ſeyn. Du kommſt am erſten Sonntag Mittag. Nicht wahr, Tante, Paul kommt? Jch winkte ihr und dem lahmen Paul ja zu. Was willſt du denn aber bis Samſtag anfangen? Jda: Tante, ſchenke Du ihm dieſe Woche ein gro- ßes Brot. Jch rief Gertrud, gab ihr den Schlüſſel zur Speiſekammer, und ließ Jda mitgehen, daß (19)

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/159>, abgerufen am 24.11.2024.