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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Seit unserer Bekanntschaft mit dem lahmen
Paul, hat Jda einen Werth auf das Geld ge-
legt, und hat zuerst einen Begriff von diesem Jn-
begriff der Dinge erhalten. --

Paul kam, wie ich im letzten Briefe erzählte,
gleich den Morgen nach unserer Ankunft, wie
Jda ihn bestellt hatte, und empfing ihr Milch-
brötchen. Jch fragte sie nachmittag: soll er mor-
gen früh wiederkommen? Ja Tante Selma.
Aber hat dich denn heut früh nicht gehungert?
Sie erröthete und schwieg. Dich hat gehungert,
liebe Jda, ich habe dir es angesehen. Soll Paul
dein Brot morgen doch wieder haben? Liebe
Tante, Jda hat es ja versprochen. Das ist auch
wahr Jda; aber höre: Von deinem Milchbröt-
chen kann Paul nicht satt werden, du siehst, er
ist viel größer wie du, und braucht also viel mehr
zur Sättigung. Paul ißt auch lieber schwarz
Brot. Wie soll ich denn das nun machen, Tante,
wenn Paul von meinem Brote nicht satt werden
kann? Du mußt ihm Geld geben, daß er sich
ein großes kaufe.



Seit unſerer Bekanntſchaft mit dem lahmen
Paul, hat Jda einen Werth auf das Geld ge-
legt, und hat zuerſt einen Begriff von dieſem Jn-
begriff der Dinge erhalten. —

Paul kam, wie ich im letzten Briefe erzählte,
gleich den Morgen nach unſerer Ankunft, wie
Jda ihn beſtellt hatte, und empfing ihr Milch-
brötchen. Jch fragte ſie nachmittag: ſoll er mor-
gen früh wiederkommen? Ja Tante Selma.
Aber hat dich denn heut früh nicht gehungert?
Sie erröthete und ſchwieg. Dich hat gehungert,
liebe Jda, ich habe dir es angeſehen. Soll Paul
dein Brot morgen doch wieder haben? Liebe
Tante, Jda hat es ja verſprochen. Das iſt auch
wahr Jda; aber höre: Von deinem Milchbröt-
chen kann Paul nicht ſatt werden, du ſiehſt, er
iſt viel größer wie du, und braucht alſo viel mehr
zur Sättigung. Paul ißt auch lieber ſchwarz
Brot. Wie ſoll ich denn das nun machen, Tante,
wenn Paul von meinem Brote nicht ſatt werden
kann? Du mußt ihm Geld geben, daß er ſich
ein großes kaufe.

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[144/0158] Seit unſerer Bekanntſchaft mit dem lahmen Paul, hat Jda einen Werth auf das Geld ge- legt, und hat zuerſt einen Begriff von dieſem Jn- begriff der Dinge erhalten. — Paul kam, wie ich im letzten Briefe erzählte, gleich den Morgen nach unſerer Ankunft, wie Jda ihn beſtellt hatte, und empfing ihr Milch- brötchen. Jch fragte ſie nachmittag: ſoll er mor- gen früh wiederkommen? Ja Tante Selma. Aber hat dich denn heut früh nicht gehungert? Sie erröthete und ſchwieg. Dich hat gehungert, liebe Jda, ich habe dir es angeſehen. Soll Paul dein Brot morgen doch wieder haben? Liebe Tante, Jda hat es ja verſprochen. Das iſt auch wahr Jda; aber höre: Von deinem Milchbröt- chen kann Paul nicht ſatt werden, du ſiehſt, er iſt viel größer wie du, und braucht alſo viel mehr zur Sättigung. Paul ißt auch lieber ſchwarz Brot. Wie ſoll ich denn das nun machen, Tante, wenn Paul von meinem Brote nicht ſatt werden kann? Du mußt ihm Geld geben, daß er ſich ein großes kaufe.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/158>, abgerufen am 03.10.2024.