Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.wollten sich leides thun. Sie weinte schmerzlich. So wie wir näher kamen, schloß sie vor Angst sich immer näher an mich an. Jch nahm sie auf den Schooß, streichelte, küßte sie, sagte ihr aber nichts; denn bei diesem Grade der Angst und Furcht gehen doch alle vernünftigen Vorstellungen verloren. Woldemar machte sich hernach freund- lich an sie, sprach ihr zu, und sagte: "Jda, die Leute thun uns nichts, sie sind auch nicht bös, thun auch einander nichts zu leide, sie sind nur vergnügt." Jda schien das kaum zu hören, und schluchzte heftig. Jch schloß sie an mich, hing ihr meinen Schleier über und hoffte, sie sollte schlafen; aber vergebens. Als wir dem Ort vorüber waren, und das Ge- wollten ſich leides thun. Sie weinte ſchmerzlich. So wie wir näher kamen, ſchloß ſie vor Angſt ſich immer näher an mich an. Jch nahm ſie auf den Schooß, ſtreichelte, küßte ſie, ſagte ihr aber nichts; denn bei dieſem Grade der Angſt und Furcht gehen doch alle vernünftigen Vorſtellungen verloren. Woldemar machte ſich hernach freund- lich an ſie, ſprach ihr zu, und ſagte: „Jda, die Leute thun uns nichts, ſie ſind auch nicht bös, thun auch einander nichts zu leide, ſie ſind nur vergnügt.‟ Jda ſchien das kaum zu hören, und ſchluchzte heftig. Jch ſchloß ſie an mich, hing ihr meinen Schleier über und hoffte, ſie ſollte ſchlafen; aber vergebens. Als wir dem Ort vorüber waren, und das Ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0148" n="134"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> wollten ſich leides thun. Sie weinte ſchmerzlich.<lb/> So wie wir näher kamen, ſchloß ſie vor Angſt<lb/> ſich immer näher an mich an. Jch nahm ſie auf<lb/> den Schooß, ſtreichelte, küßte ſie, ſagte ihr aber<lb/> nichts; denn bei dieſem Grade der Angſt und<lb/> Furcht gehen doch alle vernünftigen Vorſtellungen<lb/> verloren. Woldemar machte ſich hernach freund-<lb/> lich an ſie, ſprach ihr zu, und ſagte: „Jda, die<lb/> Leute thun uns nichts, ſie ſind auch nicht bös,<lb/> thun auch einander nichts zu leide, ſie ſind nur<lb/> vergnügt.‟ Jda ſchien das kaum zu hören, und<lb/> ſchluchzte heftig. Jch ſchloß ſie an mich, hing<lb/> ihr meinen Schleier über und hoffte, ſie ſollte<lb/> ſchlafen; aber vergebens.</p><lb/> <p>Als wir dem Ort vorüber waren, und das Ge-<lb/> kreiſch ſich allmählig in der Ferne verlor, erhohlte<lb/> die Kleine ſich wieder, und ſagte: „O Tante,<lb/> ich will alle Bauern bitten, die ich nur ſehe,<lb/> daß ſie doch nicht mehr vergnügt ſeyn ſollen, ſie<lb/> ſind auch gar zu garſtig vergnügt.‟ Wir mußten<lb/> herzlich lachen. Dem Kinde war es aber großer<lb/> Ernſt. Und wie Recht hatte die Kleine! O wie<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [134/0148]
wollten ſich leides thun. Sie weinte ſchmerzlich.
So wie wir näher kamen, ſchloß ſie vor Angſt
ſich immer näher an mich an. Jch nahm ſie auf
den Schooß, ſtreichelte, küßte ſie, ſagte ihr aber
nichts; denn bei dieſem Grade der Angſt und
Furcht gehen doch alle vernünftigen Vorſtellungen
verloren. Woldemar machte ſich hernach freund-
lich an ſie, ſprach ihr zu, und ſagte: „Jda, die
Leute thun uns nichts, ſie ſind auch nicht bös,
thun auch einander nichts zu leide, ſie ſind nur
vergnügt.‟ Jda ſchien das kaum zu hören, und
ſchluchzte heftig. Jch ſchloß ſie an mich, hing
ihr meinen Schleier über und hoffte, ſie ſollte
ſchlafen; aber vergebens.
Als wir dem Ort vorüber waren, und das Ge-
kreiſch ſich allmählig in der Ferne verlor, erhohlte
die Kleine ſich wieder, und ſagte: „O Tante,
ich will alle Bauern bitten, die ich nur ſehe,
daß ſie doch nicht mehr vergnügt ſeyn ſollen, ſie
ſind auch gar zu garſtig vergnügt.‟ Wir mußten
herzlich lachen. Dem Kinde war es aber großer
Ernſt. Und wie Recht hatte die Kleine! O wie
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