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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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langt! Endlich kann ich meinem Verlangen, und
ich weiß, auch dem Deinigen, genug thun, einmal
wieder recht aus voller Seele mit Dir zu plaudern.

Sechs Deiner inhaltreichen Briefe liegen vor
mir. Vergebens entschuldigst Du Dich, daß der
Jnhalt von allen Deinen Briefen Jda ist. Wer
kann so etwas entschuldigen? Jch, die ich nichts
auf der Welt mit der Jnnigkeit liebe, als Kin-
der, nämlich kindliche Kinder; und die ich von al-
len Kindern, meine eigenen kaum ausgenommen,
keines heißer liebe, als Deine Jda: ich muß, fast
unwillkürlich, mit meinem Geiste diesem Kinde
durch alle Stufen seiner Entwickelung folgen.

Zu ihrem morgenden Geburtstage erhält Jda
von der Tante Selma nichts weiter, als einen Ro-
senkranz, (die Rosen sind sehr natürlich und wer-
den sie freuen,) ein Körbchen mit Aepfeln und ei-
nen zahmen Hänfling, der sein Futter heraufzie-
hen kann, aber auch aus der Hand frißt. Du
sagst mir, daß sie so gern etwas verschenken mag,
und fast bis zur Leidenschaft freigebig ist. Laß



langt! Endlich kann ich meinem Verlangen, und
ich weiß, auch dem Deinigen, genug thun, einmal
wieder recht aus voller Seele mit Dir zu plaudern.

Sechs Deiner inhaltreichen Briefe liegen vor
mir. Vergebens entſchuldigſt Du Dich, daß der
Jnhalt von allen Deinen Briefen Jda iſt. Wer
kann ſo etwas entſchuldigen? Jch, die ich nichts
auf der Welt mit der Jnnigkeit liebe, als Kin-
der, nämlich kindliche Kinder; und die ich von al-
len Kindern, meine eigenen kaum ausgenommen,
keines heißer liebe, als Deine Jda: ich muß, faſt
unwillkürlich, mit meinem Geiſte dieſem Kinde
durch alle Stufen ſeiner Entwickelung folgen.

Zu ihrem morgenden Geburtstage erhält Jda
von der Tante Selma nichts weiter, als einen Ro-
ſenkranz, (die Roſen ſind ſehr natürlich und wer-
den ſie freuen,) ein Körbchen mit Aepfeln und ei-
nen zahmen Hänfling, der ſein Futter heraufzie-
hen kann, aber auch aus der Hand frißt. Du
ſagſt mir, daß ſie ſo gern etwas verſchenken mag,
und faſt bis zur Leidenſchaft freigebig iſt. Laß

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[93/0107] langt! Endlich kann ich meinem Verlangen, und ich weiß, auch dem Deinigen, genug thun, einmal wieder recht aus voller Seele mit Dir zu plaudern. Sechs Deiner inhaltreichen Briefe liegen vor mir. Vergebens entſchuldigſt Du Dich, daß der Jnhalt von allen Deinen Briefen Jda iſt. Wer kann ſo etwas entſchuldigen? Jch, die ich nichts auf der Welt mit der Jnnigkeit liebe, als Kin- der, nämlich kindliche Kinder; und die ich von al- len Kindern, meine eigenen kaum ausgenommen, keines heißer liebe, als Deine Jda: ich muß, faſt unwillkürlich, mit meinem Geiſte dieſem Kinde durch alle Stufen ſeiner Entwickelung folgen. Zu ihrem morgenden Geburtstage erhält Jda von der Tante Selma nichts weiter, als einen Ro- ſenkranz, (die Roſen ſind ſehr natürlich und wer- den ſie freuen,) ein Körbchen mit Aepfeln und ei- nen zahmen Hänfling, der ſein Futter heraufzie- hen kann, aber auch aus der Hand frißt. Du ſagſt mir, daß ſie ſo gern etwas verſchenken mag, und faſt bis zur Leidenſchaft freigebig iſt. Laß

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/107>, abgerufen am 22.11.2024.