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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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I. Die functionelle Anpassung.
wirkungslos sein und sie wird nicht blos zu Abkürzungen der
Vererbung, sondern zu wirklichen Abweichungen führen müssen.
Da aus dem chemischen Geschehen sich erst das morphologische
ableitet, so werden auch diese chemischen Differenzen sich
morphologisch in früherer Zeit schon irgendwie, sei es für uns
erkennbar oder nicht erkennbar, geltend machen müssen, ganz
abgesehen von den allseitig anerkannten speciellen Anpassungen
an die Geschlechtsorgane der Mutter.

Das biogenetische Grundgesetz in der Fassung, dass die
embryonale Entwicklung eine, wenn auch in mancher Beziehung
abgekürzte Wiederholung der Stammesgeschichte der Vorfahren
sei, ist also principiell falsch, ebenso principiell falsch, wie auch
das Newton'sche Gravitationsgesetz, das Mariotte'sche Gesetz
wie das Fallgesetz in Wirklichkeit falsch sind. Ersteres wäre
blos richtig, wenn die Massen der gegen einander gravitirenden
Körper beiderseitig blos in einem Punkte vereinigt wären; das
zweite wäre blos richtig, wenn die Molekel selber keinen Raum
einnähmen, und wer hat drittens je einen geworfenen Stein
nach dem Fallgesetz fallen sehen, ihn je eine wirkliche Parabel
beschreiben sehen? Niemand! Und trotzdem wird es immer
in der Schule und mit Recht gelehrt werden. Die analytische
Betrachtung berechtigt, nöthigt uns dazu. Die Eine Componente
des Luftwiderstandes weggedacht, ist das Gesetz richtig, aber
beim wirklichen Geschehen wirkt sie stets alterirend mit. Je
kräftiger die ändernde Componente wirkt, um so mehr wird
die Wirkung der anderen beeinträchtigt und schwerer erkennbar
gemacht sein. Trotzdem aber nöthigt uns das Bestreben nach
Verständniss der zusammengesetzten wechselnden Erscheinungen,
analytisch zu verfahren und die einzelnen Componenten aufzu-
suchen und gegen einander abzuwägen. An der geworfenen
Flaumfeder wird man auch bei sogenannter Windstille nichts
mehr von einer Parabelbewegung beobachten; trotzdem ist ihr

I. Die functionelle Anpassung.
wirkungslos sein und sie wird nicht blos zu Abkürzungen der
Vererbung, sondern zu wirklichen Abweichungen führen müssen.
Da aus dem chemischen Geschehen sich erst das morphologische
ableitet, so werden auch diese chemischen Differenzen sich
morphologisch in früherer Zeit schon irgendwie, sei es für uns
erkennbar oder nicht erkennbar, geltend machen müssen, ganz
abgesehen von den allseitig anerkannten speciellen Anpassungen
an die Geschlechtsorgane der Mutter.

Das biogenetische Grundgesetz in der Fassung, dass die
embryonale Entwicklung eine, wenn auch in mancher Beziehung
abgekürzte Wiederholung der Stammesgeschichte der Vorfahren
sei, ist also principiell falsch, ebenso principiell falsch, wie auch
das Newton’sche Gravitationsgesetz, das Mariotte’sche Gesetz
wie das Fallgesetz in Wirklichkeit falsch sind. Ersteres wäre
blos richtig, wenn die Massen der gegen einander gravitirenden
Körper beiderseitig blos in einem Punkte vereinigt wären; das
zweite wäre blos richtig, wenn die Molekel selber keinen Raum
einnähmen, und wer hat drittens je einen geworfenen Stein
nach dem Fallgesetz fallen sehen, ihn je eine wirkliche Parabel
beschreiben sehen? Niemand! Und trotzdem wird es immer
in der Schule und mit Recht gelehrt werden. Die analytische
Betrachtung berechtigt, nöthigt uns dazu. Die Eine Componente
des Luftwiderstandes weggedacht, ist das Gesetz richtig, aber
beim wirklichen Geschehen wirkt sie stets alterirend mit. Je
kräftiger die ändernde Componente wirkt, um so mehr wird
die Wirkung der anderen beeinträchtigt und schwerer erkennbar
gemacht sein. Trotzdem aber nöthigt uns das Bestreben nach
Verständniss der zusammengesetzten wechselnden Erscheinungen,
analytisch zu verfahren und die einzelnen Componenten aufzu-
suchen und gegen einander abzuwägen. An der geworfenen
Flaumfeder wird man auch bei sogenannter Windstille nichts
mehr von einer Parabelbewegung beobachten; trotzdem ist ihr

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[58/0072] I. Die functionelle Anpassung. wirkungslos sein und sie wird nicht blos zu Abkürzungen der Vererbung, sondern zu wirklichen Abweichungen führen müssen. Da aus dem chemischen Geschehen sich erst das morphologische ableitet, so werden auch diese chemischen Differenzen sich morphologisch in früherer Zeit schon irgendwie, sei es für uns erkennbar oder nicht erkennbar, geltend machen müssen, ganz abgesehen von den allseitig anerkannten speciellen Anpassungen an die Geschlechtsorgane der Mutter. Das biogenetische Grundgesetz in der Fassung, dass die embryonale Entwicklung eine, wenn auch in mancher Beziehung abgekürzte Wiederholung der Stammesgeschichte der Vorfahren sei, ist also principiell falsch, ebenso principiell falsch, wie auch das Newton’sche Gravitationsgesetz, das Mariotte’sche Gesetz wie das Fallgesetz in Wirklichkeit falsch sind. Ersteres wäre blos richtig, wenn die Massen der gegen einander gravitirenden Körper beiderseitig blos in einem Punkte vereinigt wären; das zweite wäre blos richtig, wenn die Molekel selber keinen Raum einnähmen, und wer hat drittens je einen geworfenen Stein nach dem Fallgesetz fallen sehen, ihn je eine wirkliche Parabel beschreiben sehen? Niemand! Und trotzdem wird es immer in der Schule und mit Recht gelehrt werden. Die analytische Betrachtung berechtigt, nöthigt uns dazu. Die Eine Componente des Luftwiderstandes weggedacht, ist das Gesetz richtig, aber beim wirklichen Geschehen wirkt sie stets alterirend mit. Je kräftiger die ändernde Componente wirkt, um so mehr wird die Wirkung der anderen beeinträchtigt und schwerer erkennbar gemacht sein. Trotzdem aber nöthigt uns das Bestreben nach Verständniss der zusammengesetzten wechselnden Erscheinungen, analytisch zu verfahren und die einzelnen Componenten aufzu- suchen und gegen einander abzuwägen. An der geworfenen Flaumfeder wird man auch bei sogenannter Windstille nichts mehr von einer Parabelbewegung beobachten; trotzdem ist ihr

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/72>, abgerufen am 27.11.2024.