Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

B. Erblichkeit der Wirkungen der functionellen Anpassung.
zu Anfang die Tendenz einer solchen Bewegung mitgetheilt
worden und die Parabel würde sich aus der zickzackförmigen
Falllinie rein herausconstruiren lassen, wenn man den Wider-
stand der bewegten Luft genau abzuziehen vermöchte.

Eine solche gestaltende Componente der Entwicklungs-
geschichte bezeichnet nun das biogenetische Grundgesetz, denn
die Entwickelung der Organismen ist nicht blos eine Hervor-
bildung des Complicirten aus dem Einfachen auf dem geraden
Wege, sondern es kommen Umwege dabei vor, und mancher
gethane Schritt muss wieder zurückgethan werden. Wir er-
innern nur an die bekannten Beispiele der Kiemenspalten und
Kiemenarterien, welche nachträglich wieder zuwachsen müssen,
ebenso an die Chorda dorsalis und an die durchaus überflüssigen
functionslosen Gebilde, den Hirnanhang Hypophysis, und die
Zirbeldrüse. Mit dem Range einer solchen wichtigen, form-
gebenden Componente wird das Gesetz seine dauernde Berech-
tigung haben. Die Grösse seiner erkennbaren Wirkung aber
muss für jedes Stadium der Entwickelungsgeschichte, für jedes
Organ und für jede Thierklasse und Species besonders fest-
gestellt werden.

Schliesslich sei es gestattet, noch einiges Theoretische über
den Grad der Vererbung, über die Verschiedenheit in der
Uebertragung elterlicher Eigenschaften auf das Ei, respective
auf den Samen zu sagen. Die Geschlechtszellen, also die ersten
Fortpflanzungsproducte, sondern sich nach C. Grobben1) und
M. Nussbaum2) schon vor der Bildung der Keimblätter in
dem angelegten neuen Individuum ab. Dies weist auf eine
gewiss hochgradige Selbständigkeit derselben hin, und da sie
schon so früh von ihrem Vater sich absondern, ehe dieser nur
selber zu irgend etwas differenzirt ist, so beweist das, dass

1) Arbeiten aus dem zoolog. Institut in Wien. Bd. II.
2) Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. 18.

B. Erblichkeit der Wirkungen der functionellen Anpassung.
zu Anfang die Tendenz einer solchen Bewegung mitgetheilt
worden und die Parabel würde sich aus der zickzackförmigen
Falllinie rein herausconstruiren lassen, wenn man den Wider-
stand der bewegten Luft genau abzuziehen vermöchte.

Eine solche gestaltende Componente der Entwicklungs-
geschichte bezeichnet nun das biogenetische Grundgesetz, denn
die Entwickelung der Organismen ist nicht blos eine Hervor-
bildung des Complicirten aus dem Einfachen auf dem geraden
Wege, sondern es kommen Umwege dabei vor, und mancher
gethane Schritt muss wieder zurückgethan werden. Wir er-
innern nur an die bekannten Beispiele der Kiemenspalten und
Kiemenarterien, welche nachträglich wieder zuwachsen müssen,
ebenso an die Chorda dorsalis und an die durchaus überflüssigen
functionslosen Gebilde, den Hirnanhang Hypophysis, und die
Zirbeldrüse. Mit dem Range einer solchen wichtigen, form-
gebenden Componente wird das Gesetz seine dauernde Berech-
tigung haben. Die Grösse seiner erkennbaren Wirkung aber
muss für jedes Stadium der Entwickelungsgeschichte, für jedes
Organ und für jede Thierklasse und Species besonders fest-
gestellt werden.

Schliesslich sei es gestattet, noch einiges Theoretische über
den Grad der Vererbung, über die Verschiedenheit in der
Uebertragung elterlicher Eigenschaften auf das Ei, respective
auf den Samen zu sagen. Die Geschlechtszellen, also die ersten
Fortpflanzungsproducte, sondern sich nach C. Grobben1) und
M. Nussbaum2) schon vor der Bildung der Keimblätter in
dem angelegten neuen Individuum ab. Dies weist auf eine
gewiss hochgradige Selbständigkeit derselben hin, und da sie
schon so früh von ihrem Vater sich absondern, ehe dieser nur
selber zu irgend etwas differenzirt ist, so beweist das, dass

1) Arbeiten aus dem zoolog. Institut in Wien. Bd. II.
2) Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. 18.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0073" n="59"/><fw place="top" type="header">B. Erblichkeit der Wirkungen der functionellen Anpassung.</fw><lb/>
zu Anfang die Tendenz einer solchen Bewegung mitgetheilt<lb/>
worden und die Parabel würde sich aus der zickzackförmigen<lb/>
Falllinie rein herausconstruiren lassen, wenn man den Wider-<lb/>
stand der bewegten Luft genau abzuziehen vermöchte.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Eine</hi> solche gestaltende Componente der Entwicklungs-<lb/>
geschichte bezeichnet nun das biogenetische Grundgesetz, denn<lb/>
die Entwickelung der Organismen ist nicht blos eine Hervor-<lb/>
bildung des Complicirten aus dem Einfachen auf dem geraden<lb/>
Wege, sondern es kommen Umwege dabei vor, und mancher<lb/>
gethane Schritt muss wieder zurückgethan werden. Wir er-<lb/>
innern nur an die bekannten Beispiele der Kiemenspalten und<lb/>
Kiemenarterien, welche nachträglich wieder zuwachsen müssen,<lb/>
ebenso an die Chorda dorsalis und an die durchaus überflüssigen<lb/>
functionslosen Gebilde, den Hirnanhang Hypophysis, und die<lb/>
Zirbeldrüse. Mit dem Range einer solchen wichtigen, form-<lb/>
gebenden Componente wird das Gesetz seine dauernde Berech-<lb/>
tigung haben. Die Grösse seiner erkennbaren Wirkung aber<lb/>
muss für jedes Stadium der Entwickelungsgeschichte, für jedes<lb/>
Organ und für jede Thierklasse und Species besonders fest-<lb/>
gestellt werden.</p><lb/>
            <p>Schliesslich sei es gestattet, noch einiges Theoretische über<lb/>
den Grad der <hi rendition="#g">Vererbung,</hi> über die Verschiedenheit in der<lb/>
Uebertragung elterlicher Eigenschaften auf das Ei, respective<lb/>
auf den Samen zu sagen. Die Geschlechtszellen, also die ersten<lb/>
Fortpflanzungsproducte, sondern sich nach C. <hi rendition="#g">Grobben</hi><note place="foot" n="1)">Arbeiten aus dem zoolog. Institut in Wien. Bd. II.</note> und<lb/>
M. <hi rendition="#g">Nussbaum</hi><note place="foot" n="2)">Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. 18.</note> schon vor der Bildung der Keimblätter in<lb/>
dem angelegten neuen Individuum ab. Dies weist auf eine<lb/>
gewiss hochgradige Selbständigkeit derselben hin, und da sie<lb/>
schon so früh von ihrem Vater sich absondern, ehe dieser nur<lb/>
selber zu irgend etwas differenzirt ist, so beweist das, dass<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0073] B. Erblichkeit der Wirkungen der functionellen Anpassung. zu Anfang die Tendenz einer solchen Bewegung mitgetheilt worden und die Parabel würde sich aus der zickzackförmigen Falllinie rein herausconstruiren lassen, wenn man den Wider- stand der bewegten Luft genau abzuziehen vermöchte. Eine solche gestaltende Componente der Entwicklungs- geschichte bezeichnet nun das biogenetische Grundgesetz, denn die Entwickelung der Organismen ist nicht blos eine Hervor- bildung des Complicirten aus dem Einfachen auf dem geraden Wege, sondern es kommen Umwege dabei vor, und mancher gethane Schritt muss wieder zurückgethan werden. Wir er- innern nur an die bekannten Beispiele der Kiemenspalten und Kiemenarterien, welche nachträglich wieder zuwachsen müssen, ebenso an die Chorda dorsalis und an die durchaus überflüssigen functionslosen Gebilde, den Hirnanhang Hypophysis, und die Zirbeldrüse. Mit dem Range einer solchen wichtigen, form- gebenden Componente wird das Gesetz seine dauernde Berech- tigung haben. Die Grösse seiner erkennbaren Wirkung aber muss für jedes Stadium der Entwickelungsgeschichte, für jedes Organ und für jede Thierklasse und Species besonders fest- gestellt werden. Schliesslich sei es gestattet, noch einiges Theoretische über den Grad der Vererbung, über die Verschiedenheit in der Uebertragung elterlicher Eigenschaften auf das Ei, respective auf den Samen zu sagen. Die Geschlechtszellen, also die ersten Fortpflanzungsproducte, sondern sich nach C. Grobben 1) und M. Nussbaum 2) schon vor der Bildung der Keimblätter in dem angelegten neuen Individuum ab. Dies weist auf eine gewiss hochgradige Selbständigkeit derselben hin, und da sie schon so früh von ihrem Vater sich absondern, ehe dieser nur selber zu irgend etwas differenzirt ist, so beweist das, dass 1) Arbeiten aus dem zoolog. Institut in Wien. Bd. II. 2) Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. 18.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/73
Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/73>, abgerufen am 02.05.2024.