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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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I. Die functionelle Anpassung.
in Anspruch genommen, und die letzteren in neuen Haupt-
richtungen.

Die Blutvertheilung im Körper wird sofort eine ganz andere:
Das Blut, welches bisher der Wirkung der Schwere ganz ent-
zogen war, wird sich jetzt in die der Erde näher befindlichen
Theile des Körpers senken, indem es aus Hirn und Rückenmark
heruntersinkt. Es wird eine lähmende Anämie des Centralnerven-
systems eintreten, oder die den Blutzufluss zu den verschiedenen
Organen regulirenden Mechanismen müssen sofort nach ganz
neuen Regeln das Blut vertheilen, wenn nicht totale Störung der
Functionen aller Organe eintreten soll.

Sauerstoffmangel wird eintreten; denn die Lungen sollen
jetzt auf einmal den ganzen Bedarf für eine grössere Dauer
allein beschaffen.

Durch das Trockenwerden der Haut, der Kiemen und der
Seitenorgane werden abnorme Sensationen entstehen. Der ge-
wohnte, sichere Verkehr mit der Aussenwelt wird aufgehoben,
denn die Sinnesorgane treten für das Thier ausser Function, da
sie alle ganz neue, nicht durch Erfahrung verständlich gewor-
dene Eindrücke empfangen.

Das Gehörorgan wird, an die stärkere Leitung durch das
Wasser mit Uebertragung der Eindrücke durch den ganzen
Schädel gewöhnt, fast gar nicht angesprochen werden. Das
Auge wird seine Function als Bild bildender Apparat verloren
haben.

Ob bei diesen kaltblütigen Thieren der Wärmeverlust durch
Wasserverdunstung einen Nachtheil haben wird, muss dahin-
gestellt bleiben.

Diese Uebelstände werden zum Theil mit der Dauer des
Aufenthaltes auf dem Lande wachsen, und der Aufenthalt
daher zunächst nur ein sehr kurzer sein und sie werden auch
bei blos partiellem aus dem Wasser Kommen sich an den

I. Die functionelle Anpassung.
in Anspruch genommen, und die letzteren in neuen Haupt-
richtungen.

Die Blutvertheilung im Körper wird sofort eine ganz andere:
Das Blut, welches bisher der Wirkung der Schwere ganz ent-
zogen war, wird sich jetzt in die der Erde näher befindlichen
Theile des Körpers senken, indem es aus Hirn und Rückenmark
heruntersinkt. Es wird eine lähmende Anämie des Centralnerven-
systems eintreten, oder die den Blutzufluss zu den verschiedenen
Organen regulirenden Mechanismen müssen sofort nach ganz
neuen Regeln das Blut vertheilen, wenn nicht totale Störung der
Functionen aller Organe eintreten soll.

Sauerstoffmangel wird eintreten; denn die Lungen sollen
jetzt auf einmal den ganzen Bedarf für eine grössere Dauer
allein beschaffen.

Durch das Trockenwerden der Haut, der Kiemen und der
Seitenorgane werden abnorme Sensationen entstehen. Der ge-
wohnte, sichere Verkehr mit der Aussenwelt wird aufgehoben,
denn die Sinnesorgane treten für das Thier ausser Function, da
sie alle ganz neue, nicht durch Erfahrung verständlich gewor-
dene Eindrücke empfangen.

Das Gehörorgan wird, an die stärkere Leitung durch das
Wasser mit Uebertragung der Eindrücke durch den ganzen
Schädel gewöhnt, fast gar nicht angesprochen werden. Das
Auge wird seine Function als Bild bildender Apparat verloren
haben.

Ob bei diesen kaltblütigen Thieren der Wärmeverlust durch
Wasserverdunstung einen Nachtheil haben wird, muss dahin-
gestellt bleiben.

Diese Uebelstände werden zum Theil mit der Dauer des
Aufenthaltes auf dem Lande wachsen, und der Aufenthalt
daher zunächst nur ein sehr kurzer sein und sie werden auch
bei blos partiellem aus dem Wasser Kommen sich an den

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[42/0056] I. Die functionelle Anpassung. in Anspruch genommen, und die letzteren in neuen Haupt- richtungen. Die Blutvertheilung im Körper wird sofort eine ganz andere: Das Blut, welches bisher der Wirkung der Schwere ganz ent- zogen war, wird sich jetzt in die der Erde näher befindlichen Theile des Körpers senken, indem es aus Hirn und Rückenmark heruntersinkt. Es wird eine lähmende Anämie des Centralnerven- systems eintreten, oder die den Blutzufluss zu den verschiedenen Organen regulirenden Mechanismen müssen sofort nach ganz neuen Regeln das Blut vertheilen, wenn nicht totale Störung der Functionen aller Organe eintreten soll. Sauerstoffmangel wird eintreten; denn die Lungen sollen jetzt auf einmal den ganzen Bedarf für eine grössere Dauer allein beschaffen. Durch das Trockenwerden der Haut, der Kiemen und der Seitenorgane werden abnorme Sensationen entstehen. Der ge- wohnte, sichere Verkehr mit der Aussenwelt wird aufgehoben, denn die Sinnesorgane treten für das Thier ausser Function, da sie alle ganz neue, nicht durch Erfahrung verständlich gewor- dene Eindrücke empfangen. Das Gehörorgan wird, an die stärkere Leitung durch das Wasser mit Uebertragung der Eindrücke durch den ganzen Schädel gewöhnt, fast gar nicht angesprochen werden. Das Auge wird seine Function als Bild bildender Apparat verloren haben. Ob bei diesen kaltblütigen Thieren der Wärmeverlust durch Wasserverdunstung einen Nachtheil haben wird, muss dahin- gestellt bleiben. Diese Uebelstände werden zum Theil mit der Dauer des Aufenthaltes auf dem Lande wachsen, und der Aufenthalt daher zunächst nur ein sehr kurzer sein und sie werden auch bei blos partiellem aus dem Wasser Kommen sich an den

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/56>, abgerufen am 28.11.2024.