B. Erblichkeit der Wirkungen der functionellen Anpassung.
noch eine zur Lunge umgewandelte, d. h. gefässreiche Schwimm- blase im Voraus mit für seinen Versuch, auf das Land über- zugehen, und sehen wir zu, wie dieser Versuch auf den Körper wirken wird, und was zum Gelingen desselben nöthig ist.
Sobald das Thier auf das Land aus dem Wasser heraus- kommt, müsste es zunächst das schrecklichste Unbehagen em- pfinden, denn es werden mit einem Male sein Körper und seine Glieder vielmal schwerer, als vorher, da sie im Wasser blos so viel, oder subjectiver gesprochen, so wenig wogen, als sie schwerer sind, als das verdrängte Wasser. Wie unangenehm ist es z. B. uns schon, wenn wir längere Zeit im Wasser ge- schwommen haben und, an das Land steigend, plötzlich unsern Körper wieder selber tragen müssen. Dieser geringe Grad von Unannehmlichkeit, den wir, an das Tragen unserer Gliedmassen unser Leben lang gewöhnt, bei diesem Uebergange empfinden, ist aber gar nicht zu vergleichen mit dem Eindruck, den ein Thier haben muss, welches seine Körpertheile nie selber ge- tragen hat.
Ferner müssen die Thiere sich sofort ganz anders bewegen, in anderen Coordinationen ihre Muskeln gebrauchen; sie können eine Menge Bewegungen, die sie im Wasser, der Schwere fast nicht unterworfen, auszuführen gewohnt waren, nicht machen, sondern müssen ganz energisch fast alle Muskeln des Körpers in bestimmter, durch die Statik vorgeschriebener Weise ge- brauchen. Ferner die Knochen, welche bisher fast blos der Muskelwirkung Widerstand zu leisten hatten, müssen jetzt auf einmal nach den statischen Verhältnissen tragen, und zwar so stark, dass das Tragen des Körpers im Wasser, beim Laufen auf dem Grunde, kaum als Vorübung dazu in Betracht kom- men kann. Das Gleiche gilt von den Gelenkeinrichtungen, den Knorpeln und Bändern; sie werden alle plötzlich viel stärker
B. Erblichkeit der Wirkungen der functionellen Anpassung.
noch eine zur Lunge umgewandelte, d. h. gefässreiche Schwimm- blase im Voraus mit für seinen Versuch, auf das Land über- zugehen, und sehen wir zu, wie dieser Versuch auf den Körper wirken wird, und was zum Gelingen desselben nöthig ist.
Sobald das Thier auf das Land aus dem Wasser heraus- kommt, müsste es zunächst das schrecklichste Unbehagen em- pfinden, denn es werden mit einem Male sein Körper und seine Glieder vielmal schwerer, als vorher, da sie im Wasser blos so viel, oder subjectiver gesprochen, so wenig wogen, als sie schwerer sind, als das verdrängte Wasser. Wie unangenehm ist es z. B. uns schon, wenn wir längere Zeit im Wasser ge- schwommen haben und, an das Land steigend, plötzlich unsern Körper wieder selber tragen müssen. Dieser geringe Grad von Unannehmlichkeit, den wir, an das Tragen unserer Gliedmassen unser Leben lang gewöhnt, bei diesem Uebergange empfinden, ist aber gar nicht zu vergleichen mit dem Eindruck, den ein Thier haben muss, welches seine Körpertheile nie selber ge- tragen hat.
Ferner müssen die Thiere sich sofort ganz anders bewegen, in anderen Coordinationen ihre Muskeln gebrauchen; sie können eine Menge Bewegungen, die sie im Wasser, der Schwere fast nicht unterworfen, auszuführen gewohnt waren, nicht machen, sondern müssen ganz energisch fast alle Muskeln des Körpers in bestimmter, durch die Statik vorgeschriebener Weise ge- brauchen. Ferner die Knochen, welche bisher fast blos der Muskelwirkung Widerstand zu leisten hatten, müssen jetzt auf einmal nach den statischen Verhältnissen tragen, und zwar so stark, dass das Tragen des Körpers im Wasser, beim Laufen auf dem Grunde, kaum als Vorübung dazu in Betracht kom- men kann. Das Gleiche gilt von den Gelenkeinrichtungen, den Knorpeln und Bändern; sie werden alle plötzlich viel stärker
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B. Erblichkeit der Wirkungen der functionellen Anpassung.
noch eine zur Lunge umgewandelte, d. h. gefässreiche Schwimm-
blase im Voraus mit für seinen Versuch, auf das Land über-
zugehen, und sehen wir zu, wie dieser Versuch auf den Körper
wirken wird, und was zum Gelingen desselben nöthig ist.
Sobald das Thier auf das Land aus dem Wasser heraus-
kommt, müsste es zunächst das schrecklichste Unbehagen em-
pfinden, denn es werden mit einem Male sein Körper und seine
Glieder vielmal schwerer, als vorher, da sie im Wasser blos
so viel, oder subjectiver gesprochen, so wenig wogen, als sie
schwerer sind, als das verdrängte Wasser. Wie unangenehm
ist es z. B. uns schon, wenn wir längere Zeit im Wasser ge-
schwommen haben und, an das Land steigend, plötzlich unsern
Körper wieder selber tragen müssen. Dieser geringe Grad von
Unannehmlichkeit, den wir, an das Tragen unserer Gliedmassen
unser Leben lang gewöhnt, bei diesem Uebergange empfinden,
ist aber gar nicht zu vergleichen mit dem Eindruck, den ein
Thier haben muss, welches seine Körpertheile nie selber ge-
tragen hat.
Ferner müssen die Thiere sich sofort ganz anders bewegen,
in anderen Coordinationen ihre Muskeln gebrauchen; sie können
eine Menge Bewegungen, die sie im Wasser, der Schwere fast
nicht unterworfen, auszuführen gewohnt waren, nicht machen,
sondern müssen ganz energisch fast alle Muskeln des Körpers
in bestimmter, durch die Statik vorgeschriebener Weise ge-
brauchen. Ferner die Knochen, welche bisher fast blos der
Muskelwirkung Widerstand zu leisten hatten, müssen jetzt auf
einmal nach den statischen Verhältnissen tragen, und zwar so
stark, dass das Tragen des Körpers im Wasser, beim Laufen
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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/55>, abgerufen am 22.07.2024.
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