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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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V. Ueber das Wesen des Organischen.
alle Kräfte zur Vergrösserung der Dauerfähigkeit verwenden.
Dies Letztere braucht nun aber nicht blos in der Weise zu
geschehen, dass alles direct auf Assimilation verwendet wird,
sondern auch auf dem Wege der Leistungen, wenn dieselben
indirect der Dauerfähigkeit zu Gute kommen. Wenn sie z. B.
wie die Beweglichkeit der Monere die Nahrungserwerbsfähig-
keit vergrössert. Durch Ausstrecken von Theilen des Körpers
vergrössert sie ihren Ernährungsbezirk, und indem sie sich so-
fort zusammenzieht, wenn etwas an einen Fortsatz gekommen
ist, nimmt sie mehr Nahrung auf, als wenn sie blos als Kugel
daläge. Auch wird durch die Contractilität die Verdauung be-
schleunigt, indem bessere Vermischung der Theile im Inneren
eintritt und die Entstehung der Gleichmässigkeit daher nicht
blos auf die langsame Wirkung der Diffusion angewiesen ist,
ganz abgesehen von dem Vortheil, welchen die freie Loco-
motion durch das Verlassen eines erschöpften Nahrungsbezirkes
gewährt.

Eine derartige Leistung, welche dem Ganzen nützt,
welche also zu dessen Dauerfähigkeit beiträgt und aus diesem
Grunde sich erhalten hat, heisst Function, Verrichtung für das
Ganze. Die Lichtbildung ist also blos eine Leistung der Flamme
oder richtiger der Verbrennung, keine Function derselben; denn
sie nützt derselben nichts, sie ist blos eine unnütze Ausgabe in
gleichem, wie die zu starke Wärmebildung. Am besten wäre
es ihr, sie bildete nicht mehr, als sie zur Assimilation ver-
wendet, sie wäre ein reiner Assimilationsprocess. So aber
verzehrt sie nutzloser Weise rasend schnell ihr Nahrungsmaterial
und bleibt hierin schon hinter den organischen Processen zurück.

Es besteht von früher her noch bei Vielen die Neigung,
jeden solchen Process, der in einem Theile abläuft, aber zum
Nutzen des mehr oder weniger complicirten Ganzen ist, als
etwas Wunderbares anzusehen. Indessen dieser Nutzen für

V. Ueber das Wesen des Organischen.
alle Kräfte zur Vergrösserung der Dauerfähigkeit verwenden.
Dies Letztere braucht nun aber nicht blos in der Weise zu
geschehen, dass alles direct auf Assimilation verwendet wird,
sondern auch auf dem Wege der Leistungen, wenn dieselben
indirect der Dauerfähigkeit zu Gute kommen. Wenn sie z. B.
wie die Beweglichkeit der Monere die Nahrungserwerbsfähig-
keit vergrössert. Durch Ausstrecken von Theilen des Körpers
vergrössert sie ihren Ernährungsbezirk, und indem sie sich so-
fort zusammenzieht, wenn etwas an einen Fortsatz gekommen
ist, nimmt sie mehr Nahrung auf, als wenn sie blos als Kugel
daläge. Auch wird durch die Contractilität die Verdauung be-
schleunigt, indem bessere Vermischung der Theile im Inneren
eintritt und die Entstehung der Gleichmässigkeit daher nicht
blos auf die langsame Wirkung der Diffusion angewiesen ist,
ganz abgesehen von dem Vortheil, welchen die freie Loco-
motion durch das Verlassen eines erschöpften Nahrungsbezirkes
gewährt.

Eine derartige Leistung, welche dem Ganzen nützt,
welche also zu dessen Dauerfähigkeit beiträgt und aus diesem
Grunde sich erhalten hat, heisst Function, Verrichtung für das
Ganze. Die Lichtbildung ist also blos eine Leistung der Flamme
oder richtiger der Verbrennung, keine Function derselben; denn
sie nützt derselben nichts, sie ist blos eine unnütze Ausgabe in
gleichem, wie die zu starke Wärmebildung. Am besten wäre
es ihr, sie bildete nicht mehr, als sie zur Assimilation ver-
wendet, sie wäre ein reiner Assimilationsprocess. So aber
verzehrt sie nutzloser Weise rasend schnell ihr Nahrungsmaterial
und bleibt hierin schon hinter den organischen Processen zurück.

Es besteht von früher her noch bei Vielen die Neigung,
jeden solchen Process, der in einem Theile abläuft, aber zum
Nutzen des mehr oder weniger complicirten Ganzen ist, als
etwas Wunderbares anzusehen. Indessen dieser Nutzen für

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[219/0233] V. Ueber das Wesen des Organischen. alle Kräfte zur Vergrösserung der Dauerfähigkeit verwenden. Dies Letztere braucht nun aber nicht blos in der Weise zu geschehen, dass alles direct auf Assimilation verwendet wird, sondern auch auf dem Wege der Leistungen, wenn dieselben indirect der Dauerfähigkeit zu Gute kommen. Wenn sie z. B. wie die Beweglichkeit der Monere die Nahrungserwerbsfähig- keit vergrössert. Durch Ausstrecken von Theilen des Körpers vergrössert sie ihren Ernährungsbezirk, und indem sie sich so- fort zusammenzieht, wenn etwas an einen Fortsatz gekommen ist, nimmt sie mehr Nahrung auf, als wenn sie blos als Kugel daläge. Auch wird durch die Contractilität die Verdauung be- schleunigt, indem bessere Vermischung der Theile im Inneren eintritt und die Entstehung der Gleichmässigkeit daher nicht blos auf die langsame Wirkung der Diffusion angewiesen ist, ganz abgesehen von dem Vortheil, welchen die freie Loco- motion durch das Verlassen eines erschöpften Nahrungsbezirkes gewährt. Eine derartige Leistung, welche dem Ganzen nützt, welche also zu dessen Dauerfähigkeit beiträgt und aus diesem Grunde sich erhalten hat, heisst Function, Verrichtung für das Ganze. Die Lichtbildung ist also blos eine Leistung der Flamme oder richtiger der Verbrennung, keine Function derselben; denn sie nützt derselben nichts, sie ist blos eine unnütze Ausgabe in gleichem, wie die zu starke Wärmebildung. Am besten wäre es ihr, sie bildete nicht mehr, als sie zur Assimilation ver- wendet, sie wäre ein reiner Assimilationsprocess. So aber verzehrt sie nutzloser Weise rasend schnell ihr Nahrungsmaterial und bleibt hierin schon hinter den organischen Processen zurück. Es besteht von früher her noch bei Vielen die Neigung, jeden solchen Process, der in einem Theile abläuft, aber zum Nutzen des mehr oder weniger complicirten Ganzen ist, als etwas Wunderbares anzusehen. Indessen dieser Nutzen für

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/233>, abgerufen am 28.04.2024.