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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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V. Ueber das Wesen des Organischen.
das Ganze liegt durchaus nicht in der Absicht der Theile. Die
Theile leben blos für die eigene Erhaltung, und dass dabei
etwas für das Ganze Nützliche geschieht, ist blos dadurch be-
dingt, dass eben blos solche Eigenschaften übrig bleiben konnten
und allein übrig geblieben sind, während die millionenmal
mehr anderen, welche aufgetreten waren, ohne dem Ganzen zu
nützen, das Ganze ruiniren und damit das Ganze und sich
selber von der Dauer ausschliessen mussten. Aber es ist wohl
unnöthig, die Wirksamkeit der Darwin'schen Principien hier
weiter zu erläutern. Wenn man sich nur immer erinnern will,
dass alles, was wir jetzt sehen, die Restbestandtheile sind des
ganzen irdischen Geschehens vor unserer Zeit. Alle Processe,
welche nicht dauerfähig in sich selbst waren, oder trotz dieser
inneren Fähigkeit nicht zugleich dauerfähig in den äusseren
Verhältnissen, hörten eben auf und wir finden von ihnen blos
noch Spuren oder auch diese nicht; während alles, was im
Lauf der Millionen Jahre und im ewigen Wechsel des Geschehens
Dauerfähiges entstanden ist, sich aufgespeichert hat. Genau so,
wie sich bei uns die Culturerrungenschaften aus der Unsumme
vergänglicher, ephemerer Leistungen aufhäufen.

Läuft der obige Leistungsprocess der Monere, die Bewegung,
continuirlich oder rhythmisch von selber ab, ohne besondere
äussere Ursache, so heisst er automatisch, findet er blos auf
eine äussere Einwirkung statt, so heisst er reflectorisch, und
letztere Art hat von vorn herein vor der ersteren den Vorzug
grösserer Dauerhaftigkeit. Denn es sind in der Umgebung nie
die gleichen Umstände constant. Die gleichmässig fortgehende
Leistung kann daher nicht immer den gleichen Nutzen haben;
sie wird daher oft nutzlos sein, oft dagegen zu gering, wenn
die äusseren Umstände günstiger sind, aber die Leistung nicht
zu beeinflussen vermögen.

Dagegen stellen die reflectorischen Leistungen eine Wechsel-

V. Ueber das Wesen des Organischen.
das Ganze liegt durchaus nicht in der Absicht der Theile. Die
Theile leben blos für die eigene Erhaltung, und dass dabei
etwas für das Ganze Nützliche geschieht, ist blos dadurch be-
dingt, dass eben blos solche Eigenschaften übrig bleiben konnten
und allein übrig geblieben sind, während die millionenmal
mehr anderen, welche aufgetreten waren, ohne dem Ganzen zu
nützen, das Ganze ruiniren und damit das Ganze und sich
selber von der Dauer ausschliessen mussten. Aber es ist wohl
unnöthig, die Wirksamkeit der Darwin’schen Principien hier
weiter zu erläutern. Wenn man sich nur immer erinnern will,
dass alles, was wir jetzt sehen, die Restbestandtheile sind des
ganzen irdischen Geschehens vor unserer Zeit. Alle Processe,
welche nicht dauerfähig in sich selbst waren, oder trotz dieser
inneren Fähigkeit nicht zugleich dauerfähig in den äusseren
Verhältnissen, hörten eben auf und wir finden von ihnen blos
noch Spuren oder auch diese nicht; während alles, was im
Lauf der Millionen Jahre und im ewigen Wechsel des Geschehens
Dauerfähiges entstanden ist, sich aufgespeichert hat. Genau so,
wie sich bei uns die Culturerrungenschaften aus der Unsumme
vergänglicher, ephemerer Leistungen aufhäufen.

Läuft der obige Leistungsprocess der Monere, die Bewegung,
continuirlich oder rhythmisch von selber ab, ohne besondere
äussere Ursache, so heisst er automatisch, findet er blos auf
eine äussere Einwirkung statt, so heisst er reflectorisch, und
letztere Art hat von vorn herein vor der ersteren den Vorzug
grösserer Dauerhaftigkeit. Denn es sind in der Umgebung nie
die gleichen Umstände constant. Die gleichmässig fortgehende
Leistung kann daher nicht immer den gleichen Nutzen haben;
sie wird daher oft nutzlos sein, oft dagegen zu gering, wenn
die äusseren Umstände günstiger sind, aber die Leistung nicht
zu beeinflussen vermögen.

Dagegen stellen die reflectorischen Leistungen eine Wechsel-

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[220/0234] V. Ueber das Wesen des Organischen. das Ganze liegt durchaus nicht in der Absicht der Theile. Die Theile leben blos für die eigene Erhaltung, und dass dabei etwas für das Ganze Nützliche geschieht, ist blos dadurch be- dingt, dass eben blos solche Eigenschaften übrig bleiben konnten und allein übrig geblieben sind, während die millionenmal mehr anderen, welche aufgetreten waren, ohne dem Ganzen zu nützen, das Ganze ruiniren und damit das Ganze und sich selber von der Dauer ausschliessen mussten. Aber es ist wohl unnöthig, die Wirksamkeit der Darwin’schen Principien hier weiter zu erläutern. Wenn man sich nur immer erinnern will, dass alles, was wir jetzt sehen, die Restbestandtheile sind des ganzen irdischen Geschehens vor unserer Zeit. Alle Processe, welche nicht dauerfähig in sich selbst waren, oder trotz dieser inneren Fähigkeit nicht zugleich dauerfähig in den äusseren Verhältnissen, hörten eben auf und wir finden von ihnen blos noch Spuren oder auch diese nicht; während alles, was im Lauf der Millionen Jahre und im ewigen Wechsel des Geschehens Dauerfähiges entstanden ist, sich aufgespeichert hat. Genau so, wie sich bei uns die Culturerrungenschaften aus der Unsumme vergänglicher, ephemerer Leistungen aufhäufen. Läuft der obige Leistungsprocess der Monere, die Bewegung, continuirlich oder rhythmisch von selber ab, ohne besondere äussere Ursache, so heisst er automatisch, findet er blos auf eine äussere Einwirkung statt, so heisst er reflectorisch, und letztere Art hat von vorn herein vor der ersteren den Vorzug grösserer Dauerhaftigkeit. Denn es sind in der Umgebung nie die gleichen Umstände constant. Die gleichmässig fortgehende Leistung kann daher nicht immer den gleichen Nutzen haben; sie wird daher oft nutzlos sein, oft dagegen zu gering, wenn die äusseren Umstände günstiger sind, aber die Leistung nicht zu beeinflussen vermögen. Dagegen stellen die reflectorischen Leistungen eine Wechsel-

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/234>, abgerufen am 28.04.2024.