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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize.
zu Gedanken und der Muskelfasern zu Bewegungen vor als
vermittelt durch fadenförmige Verbindungen der Ganglienzellen,
welche letzteren der Sitz der Einzel-Innervationen seien. In
dem reichen angeborenen Fadennetz zwischen den Ganglien-
zellen kann nun der Reiz Fäden ausbilden, gangbarer machen
und so die betreffenden Ganglienzellen und ihre Functionen in
festeren Zusammenhang bringen, sodass letztere leichter zugleich
oder nach einander ablaufen. Das ist die Art, wie wir uns
gegenwärtig den Vorgang der Uebung, so weit er in den Cen-
tralorganen abläuft, vorstellen müssen.

Etwas evidenter ist die gestaltende Wirkung an den
Muskeln, am wenigsten noch an den quergestreiften. Da in
diesen letzteren, wie im vorigen Kapitel erwähnt, die Quer-
streifung nach Durchschneidung des dem Muskel zugehörigen
Nerven undeutlich wird, so scheint es, dass der Reiz zugleich
eine polarisirende Wirkung auf die Disdiaklasten (Fleischprismen
in der Muskelfaser) ausübt, und dass er so die Ordnung der-
selben in Quer- und Längsreihen aufrecht erhält. Auch für
andere Formverhältnisse der Faser kann der Reiz noch be-
stimmend wirken; da ich indessen darüber eine Specialunter-
suchung begonnen habe, so verzichte ich an dieser Stelle auf
weitere Mittheilungen.

Bei den aus glatten Muskelfasern bestehenden Ge-
bilden zeigt sich bestimmt eine Gestaltung, welche in Beziehung
zur Wirkung des functionellen Reizes, sowie zur Funktion selber
stehen. Zur Erklärung der bezüglichen Bildungen muss näm-
lich angenommen werden, dass zur Erhaltung der glatten
Muskeln nicht blos der functionelle Reiz, sondern auch die
Function selber, die active Ueberwindung eines Widerstandes
unter Verkürzung nöthig ist. Ein Umstand, der wohl von ana-
tomischer Seite nicht bestritten werden wird, da jeder Anatom
weiss, dass überall da, wo durch Entwickelungsänderung diese

IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize.
zu Gedanken und der Muskelfasern zu Bewegungen vor als
vermittelt durch fadenförmige Verbindungen der Ganglienzellen,
welche letzteren der Sitz der Einzel-Innervationen seien. In
dem reichen angeborenen Fadennetz zwischen den Ganglien-
zellen kann nun der Reiz Fäden ausbilden, gangbarer machen
und so die betreffenden Ganglienzellen und ihre Functionen in
festeren Zusammenhang bringen, sodass letztere leichter zugleich
oder nach einander ablaufen. Das ist die Art, wie wir uns
gegenwärtig den Vorgang der Uebung, so weit er in den Cen-
tralorganen abläuft, vorstellen müssen.

Etwas evidenter ist die gestaltende Wirkung an den
Muskeln, am wenigsten noch an den quergestreiften. Da in
diesen letzteren, wie im vorigen Kapitel erwähnt, die Quer-
streifung nach Durchschneidung des dem Muskel zugehörigen
Nerven undeutlich wird, so scheint es, dass der Reiz zugleich
eine polarisirende Wirkung auf die Disdiaklasten (Fleischprismen
in der Muskelfaser) ausübt, und dass er so die Ordnung der-
selben in Quer- und Längsreihen aufrecht erhält. Auch für
andere Formverhältnisse der Faser kann der Reiz noch be-
stimmend wirken; da ich indessen darüber eine Specialunter-
suchung begonnen habe, so verzichte ich an dieser Stelle auf
weitere Mittheilungen.

Bei den aus glatten Muskelfasern bestehenden Ge-
bilden zeigt sich bestimmt eine Gestaltung, welche in Beziehung
zur Wirkung des functionellen Reizes, sowie zur Funktion selber
stehen. Zur Erklärung der bezüglichen Bildungen muss näm-
lich angenommen werden, dass zur Erhaltung der glatten
Muskeln nicht blos der functionelle Reiz, sondern auch die
Function selber, die active Ueberwindung eines Widerstandes
unter Verkürzung nöthig ist. Ein Umstand, der wohl von ana-
tomischer Seite nicht bestritten werden wird, da jeder Anatom
weiss, dass überall da, wo durch Entwickelungsänderung diese

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[196/0210] IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize. zu Gedanken und der Muskelfasern zu Bewegungen vor als vermittelt durch fadenförmige Verbindungen der Ganglienzellen, welche letzteren der Sitz der Einzel-Innervationen seien. In dem reichen angeborenen Fadennetz zwischen den Ganglien- zellen kann nun der Reiz Fäden ausbilden, gangbarer machen und so die betreffenden Ganglienzellen und ihre Functionen in festeren Zusammenhang bringen, sodass letztere leichter zugleich oder nach einander ablaufen. Das ist die Art, wie wir uns gegenwärtig den Vorgang der Uebung, so weit er in den Cen- tralorganen abläuft, vorstellen müssen. Etwas evidenter ist die gestaltende Wirkung an den Muskeln, am wenigsten noch an den quergestreiften. Da in diesen letzteren, wie im vorigen Kapitel erwähnt, die Quer- streifung nach Durchschneidung des dem Muskel zugehörigen Nerven undeutlich wird, so scheint es, dass der Reiz zugleich eine polarisirende Wirkung auf die Disdiaklasten (Fleischprismen in der Muskelfaser) ausübt, und dass er so die Ordnung der- selben in Quer- und Längsreihen aufrecht erhält. Auch für andere Formverhältnisse der Faser kann der Reiz noch be- stimmend wirken; da ich indessen darüber eine Specialunter- suchung begonnen habe, so verzichte ich an dieser Stelle auf weitere Mittheilungen. Bei den aus glatten Muskelfasern bestehenden Ge- bilden zeigt sich bestimmt eine Gestaltung, welche in Beziehung zur Wirkung des functionellen Reizes, sowie zur Funktion selber stehen. Zur Erklärung der bezüglichen Bildungen muss näm- lich angenommen werden, dass zur Erhaltung der glatten Muskeln nicht blos der functionelle Reiz, sondern auch die Function selber, die active Ueberwindung eines Widerstandes unter Verkürzung nöthig ist. Ein Umstand, der wohl von ana- tomischer Seite nicht bestritten werden wird, da jeder Anatom weiss, dass überall da, wo durch Entwickelungsänderung diese

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/210>, abgerufen am 27.04.2024.