Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Madame Mabellah Turner,
auf die sie gedachte, war sie selbsten: Und indem
ihre Gedancken also beschäfftiget waren, hinter den
Ursprung des Grafen seiner Beunruhigung zu kom-
men, beschlosse sie bey sich selbsten, ihn aufs ge-
nauste zu bewachen, um, woferne es möglich, tieffer
in sein Geheimniß einzudringen, mit der Resolu-
tion,
alles, was sie auch entdecken würde, verbor-
gen zu halten; Und nunmehro wurde sie innen, daß
er die Freymüthigkeit seiner Blicke verlohren, wel-
che so remarquable an ihm gewesen, und daß er
gleichsam furchtsam zu seyn schiene, ihr recht unter
Augen zu sehen. Sie verspührte gleichermassen,
daß er vermeide, alleine mit ihr zu seyn; wenn ihn
aber niemand in obacht nähme, oder er sich für
unobservirt hielte, pflegte er sie mit grösserer
Sehnsucht, als er iemals vorher gethan, anzu-
schauen; und wenn, indem seine Augen auf sie ge-
richtet, sie gehling in die Höhe sahe, pflegte er zu
stutzen und schluge solche en moment zur Erden,
oder wendete seinen Kopff gar auf die Seite;
wenn er sich bißweilen gleichsam ertappt befande,
erschrack er, wurde roth, und muste vielmals gar
für Verwirrung hinweg gehen und sie verlassen.
Diese Symptomata liessen sie nicht länger zweif-
feln, daß sie es selbsten sey, die ihm, ohne ihr Wis-
sen, diese hitzige Kranckheit zugezogen; Und die-
weil sie des Grafens Hertz für ein unschätzbares
Pfand hielte, gab ihr ihre Schwachheit ein, sich

des

Madame Mabellah Turner,
auf die ſie gedachte, war ſie ſelbſten: Und indem
ihre Gedancken alſo beſchaͤfftiget waren, hinter den
Urſprung des Grafen ſeiner Beunruhigung zu kom-
men, beſchloſſe ſie bey ſich ſelbſten, ihn aufs ge-
nauſte zu bewachen, um, woferne es moͤglich, tieffer
in ſein Geheimniß einzudringen, mit der Reſolu-
tion,
alles, was ſie auch entdecken wuͤrde, verbor-
gen zu halten; Und nunmehro wurde ſie innen, daß
er die Freymuͤthigkeit ſeiner Blicke verlohren, wel-
che ſo remarquable an ihm geweſen, und daß er
gleichſam furchtſam zu ſeyn ſchiene, ihr recht unter
Augen zu ſehen. Sie verſpuͤhrte gleichermaſſen,
daß er vermeide, alleine mit ihr zu ſeyn; wenn ihn
aber niemand in obacht naͤhme, oder er ſich fuͤr
unobſervirt hielte, pflegte er ſie mit groͤſſerer
Sehnſucht, als er iemals vorher gethan, anzu-
ſchauen; und wenn, indem ſeine Augen auf ſie ge-
richtet, ſie gehling in die Hoͤhe ſahe, pflegte er zu
ſtutzen und ſchluge ſolche en moment zur Erden,
oder wendete ſeinen Kopff gar auf die Seite;
wenn er ſich bißweilen gleichſam ertappt befande,
erſchrack er, wurde roth, und muſte vielmals gar
fuͤr Verwirrung hinweg gehen und ſie verlaſſen.
Dieſe Symptomata lieſſen ſie nicht laͤnger zweif-
feln, daß ſie es ſelbſten ſey, die ihm, ohne ihr Wiſ-
ſen, dieſe hitzige Kranckheit zugezogen; Und die-
weil ſie des Grafens Hertz fuͤr ein unſchaͤtzbares
Pfand hielte, gab ihr ihre Schwachheit ein, ſich

des
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="164"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Madame Mabellah Turner,</hi></hi></fw><lb/>
auf die &#x017F;ie gedachte, war &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;ten: Und indem<lb/>
ihre Gedancken al&#x017F;o be&#x017F;cha&#x0364;fftiget waren, hinter den<lb/>
Ur&#x017F;prung des Grafen &#x017F;einer Beunruhigung zu kom-<lb/>
men, be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie bey &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten, ihn aufs ge-<lb/>
nau&#x017F;te zu bewachen, um, woferne es mo&#x0364;glich, tieffer<lb/>
in &#x017F;ein Geheimniß einzudringen, mit der <hi rendition="#aq">Re&#x017F;olu-<lb/>
tion,</hi> alles, was &#x017F;ie auch entdecken wu&#x0364;rde, verbor-<lb/>
gen zu halten; Und nunmehro wurde &#x017F;ie innen, daß<lb/>
er die Freymu&#x0364;thigkeit &#x017F;einer Blicke verlohren, wel-<lb/>
che &#x017F;o <hi rendition="#aq">remarquable</hi> an ihm gewe&#x017F;en, und daß er<lb/>
gleich&#x017F;am furcht&#x017F;am zu &#x017F;eyn &#x017F;chiene, ihr recht unter<lb/>
Augen zu &#x017F;ehen. Sie ver&#x017F;pu&#x0364;hrte gleicherma&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß er vermeide, alleine mit ihr zu &#x017F;eyn; wenn ihn<lb/>
aber niemand in obacht na&#x0364;hme, oder er &#x017F;ich fu&#x0364;r<lb/>
un<hi rendition="#aq">ob&#x017F;ervi</hi>rt hielte, pflegte er &#x017F;ie mit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer<lb/>
Sehn&#x017F;ucht, als er iemals vorher gethan, anzu-<lb/>
&#x017F;chauen; und wenn, indem &#x017F;eine Augen auf &#x017F;ie ge-<lb/>
richtet, &#x017F;ie gehling in die Ho&#x0364;he &#x017F;ahe, pflegte er zu<lb/>
&#x017F;tutzen und &#x017F;chluge &#x017F;olche <hi rendition="#aq">en moment</hi> zur Erden,<lb/>
oder wendete &#x017F;einen Kopff gar auf die Seite;<lb/>
wenn er &#x017F;ich bißweilen gleich&#x017F;am ertappt befande,<lb/>
er&#x017F;chrack er, wurde roth, und mu&#x017F;te vielmals gar<lb/>
fu&#x0364;r Verwirrung hinweg gehen und &#x017F;ie verla&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Symptomata</hi> lie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie nicht la&#x0364;nger zweif-<lb/>
feln, daß &#x017F;ie es &#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;ey, die ihm, ohne ihr Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, die&#x017F;e hitzige Kranckheit zugezogen; Und die-<lb/>
weil &#x017F;ie des Grafens Hertz fu&#x0364;r ein un&#x017F;cha&#x0364;tzbares<lb/>
Pfand hielte, gab ihr ihre Schwachheit ein, &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">des</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0184] Madame Mabellah Turner, auf die ſie gedachte, war ſie ſelbſten: Und indem ihre Gedancken alſo beſchaͤfftiget waren, hinter den Urſprung des Grafen ſeiner Beunruhigung zu kom- men, beſchloſſe ſie bey ſich ſelbſten, ihn aufs ge- nauſte zu bewachen, um, woferne es moͤglich, tieffer in ſein Geheimniß einzudringen, mit der Reſolu- tion, alles, was ſie auch entdecken wuͤrde, verbor- gen zu halten; Und nunmehro wurde ſie innen, daß er die Freymuͤthigkeit ſeiner Blicke verlohren, wel- che ſo remarquable an ihm geweſen, und daß er gleichſam furchtſam zu ſeyn ſchiene, ihr recht unter Augen zu ſehen. Sie verſpuͤhrte gleichermaſſen, daß er vermeide, alleine mit ihr zu ſeyn; wenn ihn aber niemand in obacht naͤhme, oder er ſich fuͤr unobſervirt hielte, pflegte er ſie mit groͤſſerer Sehnſucht, als er iemals vorher gethan, anzu- ſchauen; und wenn, indem ſeine Augen auf ſie ge- richtet, ſie gehling in die Hoͤhe ſahe, pflegte er zu ſtutzen und ſchluge ſolche en moment zur Erden, oder wendete ſeinen Kopff gar auf die Seite; wenn er ſich bißweilen gleichſam ertappt befande, erſchrack er, wurde roth, und muſte vielmals gar fuͤr Verwirrung hinweg gehen und ſie verlaſſen. Dieſe Symptomata lieſſen ſie nicht laͤnger zweif- feln, daß ſie es ſelbſten ſey, die ihm, ohne ihr Wiſ- ſen, dieſe hitzige Kranckheit zugezogen; Und die- weil ſie des Grafens Hertz fuͤr ein unſchaͤtzbares Pfand hielte, gab ihr ihre Schwachheit ein, ſich des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/184
Zitationshilfe: Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/184>, abgerufen am 06.05.2024.