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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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als unter dem Schutze des weisen Gesetzes, welches die Bannwälder für
unantastbar erklärt.

Wie überhaupt der Alpenwald, so trägt namentlich der Bannwald
das Gepräge des Urzustandes und des freien Naturwaltens, welches jedes
Plätzchen mit Werken des Lebens schmückt. Dazu tragen die unaufhörlich
wiederkehrenden Angriffe der Alpentrümmer, welche die dort oben besonders
geschäftige Verwitterung von den Felsenzinnen ablöst, dadurch sehr viel
bei, daß umgestürzte und zerschellte Bäume wenigstens an der Anprall-
seite ein wildes Chaos bilden. Der zerfallende Baumleib dient unzähligen
Alpenpflanzen aller Klassen und Ordnungen als Entwickelungsstätte; das
Feld der Zerstörung verwandelt sich in ein Feld aufkeimenden Lebens.

Der Thier- und Pflanzensammler hält seine reichsten Ernten in jenen
abgewetterten Alpenwäldern; der Maler findet in ihnen die reichste Be-
friedigung für seine oft krankhafte Sucht nach bizarren Baumgestalten;
der sinnige Reisende empfindet in ihnen am mächtigsten die Schauer der
Natureinsamkeit -- aber der Forstmann, wenn ihm nicht schon die von
uns gepredigte Rücksicht die Hände bindet, ist hier oft am wenigsten in
seinem Reviere, denn die Unzugänglichkeit der reichen Holzvorräthe ent-
rückt sie oft für immer seiner Begehrlichkeit. Nur die wohlgerüstete
Spekulation übernimmt zuweilen die halsbrechende Arbeit, jene oft kaum
zum zehnten Theile des Werthes bezahlten Schätze zu heben. Tschudi
erzählt, daß 1853 eine bündnerische Gemeinde an fremde Spekulanten
einen Wald für 30,000 Franken verkaufte, den Sachverständige nachher
auf mehr als 750,000 Fr. schätzten. Um mehr Weideboden zu gewinnen,
wollte die engaddiner Gemeinde Zernez einen großen Theil ihrer unge-
heuren Alpenwälder mit der Bedingung, sie im Laufe einer bestimmten
Zeit abzutreiben, verschenken, fand aber keine Liebhaber.

Die wichtigsten Bäume der Alpenwälder sind namentlich die Arve,
die Fichte, die gemeine, die österreichische und die Krummholzkiefer, die
Lärche und bis zu einer gewissen Höhe die Buche und der Bergahorn,
denen sich Alpensträucher und als einzelne Begleiter noch einige andere
Baumarten zugesellen.

Neben den mancherlei bereits erwähnten Verunstaltungen, welche die
rauhe Alpennatur an diesen Bäumen bewirkt, sind besonders noch die
S. 310 beschriebenen Wettertannen, nach Tschudi im Waadtlande

als unter dem Schutze des weiſen Geſetzes, welches die Bannwälder für
unantaſtbar erklärt.

Wie überhaupt der Alpenwald, ſo trägt namentlich der Bannwald
das Gepräge des Urzuſtandes und des freien Naturwaltens, welches jedes
Plätzchen mit Werken des Lebens ſchmückt. Dazu tragen die unaufhörlich
wiederkehrenden Angriffe der Alpentrümmer, welche die dort oben beſonders
geſchäftige Verwitterung von den Felſenzinnen ablöſt, dadurch ſehr viel
bei, daß umgeſtürzte und zerſchellte Bäume wenigſtens an der Anprall-
ſeite ein wildes Chaos bilden. Der zerfallende Baumleib dient unzähligen
Alpenpflanzen aller Klaſſen und Ordnungen als Entwickelungsſtätte; das
Feld der Zerſtörung verwandelt ſich in ein Feld aufkeimenden Lebens.

Der Thier- und Pflanzenſammler hält ſeine reichſten Ernten in jenen
abgewetterten Alpenwäldern; der Maler findet in ihnen die reichſte Be-
friedigung für ſeine oft krankhafte Sucht nach bizarren Baumgeſtalten;
der ſinnige Reiſende empfindet in ihnen am mächtigſten die Schauer der
Natureinſamkeit — aber der Forſtmann, wenn ihm nicht ſchon die von
uns gepredigte Rückſicht die Hände bindet, iſt hier oft am wenigſten in
ſeinem Reviere, denn die Unzugänglichkeit der reichen Holzvorräthe ent-
rückt ſie oft für immer ſeiner Begehrlichkeit. Nur die wohlgerüſtete
Spekulation übernimmt zuweilen die halsbrechende Arbeit, jene oft kaum
zum zehnten Theile des Werthes bezahlten Schätze zu heben. Tſchudi
erzählt, daß 1853 eine bündneriſche Gemeinde an fremde Spekulanten
einen Wald für 30,000 Franken verkaufte, den Sachverſtändige nachher
auf mehr als 750,000 Fr. ſchätzten. Um mehr Weideboden zu gewinnen,
wollte die engaddiner Gemeinde Zernez einen großen Theil ihrer unge-
heuren Alpenwälder mit der Bedingung, ſie im Laufe einer beſtimmten
Zeit abzutreiben, verſchenken, fand aber keine Liebhaber.

Die wichtigſten Bäume der Alpenwälder ſind namentlich die Arve,
die Fichte, die gemeine, die öſterreichiſche und die Krummholzkiefer, die
Lärche und bis zu einer gewiſſen Höhe die Buche und der Bergahorn,
denen ſich Alpenſträucher und als einzelne Begleiter noch einige andere
Baumarten zugeſellen.

Neben den mancherlei bereits erwähnten Verunſtaltungen, welche die
rauhe Alpennatur an dieſen Bäumen bewirkt, ſind beſonders noch die
S. 310 beſchriebenen Wettertannen, nach Tſchudi im Waadtlande

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[575/0631] als unter dem Schutze des weiſen Geſetzes, welches die Bannwälder für unantaſtbar erklärt. Wie überhaupt der Alpenwald, ſo trägt namentlich der Bannwald das Gepräge des Urzuſtandes und des freien Naturwaltens, welches jedes Plätzchen mit Werken des Lebens ſchmückt. Dazu tragen die unaufhörlich wiederkehrenden Angriffe der Alpentrümmer, welche die dort oben beſonders geſchäftige Verwitterung von den Felſenzinnen ablöſt, dadurch ſehr viel bei, daß umgeſtürzte und zerſchellte Bäume wenigſtens an der Anprall- ſeite ein wildes Chaos bilden. Der zerfallende Baumleib dient unzähligen Alpenpflanzen aller Klaſſen und Ordnungen als Entwickelungsſtätte; das Feld der Zerſtörung verwandelt ſich in ein Feld aufkeimenden Lebens. Der Thier- und Pflanzenſammler hält ſeine reichſten Ernten in jenen abgewetterten Alpenwäldern; der Maler findet in ihnen die reichſte Be- friedigung für ſeine oft krankhafte Sucht nach bizarren Baumgeſtalten; der ſinnige Reiſende empfindet in ihnen am mächtigſten die Schauer der Natureinſamkeit — aber der Forſtmann, wenn ihm nicht ſchon die von uns gepredigte Rückſicht die Hände bindet, iſt hier oft am wenigſten in ſeinem Reviere, denn die Unzugänglichkeit der reichen Holzvorräthe ent- rückt ſie oft für immer ſeiner Begehrlichkeit. Nur die wohlgerüſtete Spekulation übernimmt zuweilen die halsbrechende Arbeit, jene oft kaum zum zehnten Theile des Werthes bezahlten Schätze zu heben. Tſchudi erzählt, daß 1853 eine bündneriſche Gemeinde an fremde Spekulanten einen Wald für 30,000 Franken verkaufte, den Sachverſtändige nachher auf mehr als 750,000 Fr. ſchätzten. Um mehr Weideboden zu gewinnen, wollte die engaddiner Gemeinde Zernez einen großen Theil ihrer unge- heuren Alpenwälder mit der Bedingung, ſie im Laufe einer beſtimmten Zeit abzutreiben, verſchenken, fand aber keine Liebhaber. Die wichtigſten Bäume der Alpenwälder ſind namentlich die Arve, die Fichte, die gemeine, die öſterreichiſche und die Krummholzkiefer, die Lärche und bis zu einer gewiſſen Höhe die Buche und der Bergahorn, denen ſich Alpenſträucher und als einzelne Begleiter noch einige andere Baumarten zugeſellen. Neben den mancherlei bereits erwähnten Verunſtaltungen, welche die rauhe Alpennatur an dieſen Bäumen bewirkt, ſind beſonders noch die S. 310 beſchriebenen Wettertannen, nach Tſchudi im Waadtlande

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/631>, abgerufen am 22.12.2024.