reste ehemaliger flacher Seebecken deren lettiger Untergrund ein völliges Versiechen dieses Wassernetzes verhütet, da im Spreewald der Zustrom des Spreewassers allein dies wahrscheinlich nicht würde verhindern können.
Indem wir von der Ebene in die Gebirge hinaufsteigen und dort die Formen des Waldes betrachten wollen, muß uns der merkwürdigste, weil nur in wenigen Fußen sich aussprechende Unterschied zwischen Ebene und Höhe einfallen: Marsch und Geest. Das nördliche Deutschland, namentlich an der Küste der Nordsee und weit hinauf in die Mündungen der Elbe und Weser, ist der Schauplatz eines ewigen Kampfes der Menschen mit dem Meere, um diesem neues Land abzugewinnen und das gewonnene vor dem zurück- fordernden Andrängen der Fluthen zu vertheidigen oder älteren Landbesitz vor dem Anheimfallen an das bewegliche Element durch Deiche zu schützen. An die tischgleiche Marsch stößt die oft nur um einige Fuß höhere Geest; jene bekanntlich ein Muster von üppiger Fruchtbarkeit, diese meist sandig und kiesig und daher unfruchtbar. Doch kommen namentlich auf der Ostseite Schleswig-Holsteins auf der Geest die herrlichsten Waldungen, namentlich Buchwaldungen vor, welche auch ein Schmuck vieler dänischen Inseln sind, die sich wenig über den Meeresspiegel erheben.
Eine Höhenstufe anzugeben wo der Gebirgswald anfängt ist kaum möglich; es muß sogar die untere Grenze des Gebirgswaldes sehr tief gezogen werden, indem noch unter 500 Fuß Seehöhe der Wald wenigstens den Baum- und Pflanzencharakter des Gebirgswaldes annimmt, ohne noch den ausgesprochenen Bergcharakter zu besitzen. Der Fuß des sächsischen Erzgebirges, der bei Tharand nur einige Hundert Fuß über dem Elbspiegel bei Dresden liegt, hat in seinen Wäldern vollkommen den Charakter des Gebirgswaldes. Eben so schwierig ist es, die Höhengränze gegen den Alpenwald zu bestimmen.
Hier wie dort kommt es nicht allein auf die Höhenausdehnung des Gebietes an, sondern gar sehr auch auf die Horizontalausdehnung. Es ist ähnlich wie mit der Schneegränze, welche in umfangreichen Hoch- gebirgen tiefer herabreicht, als auf einzeln auf der Ebene stehenden Bergen von gleicher Höhe. Letztere stehen in ihren klimatischen Verhältnissen sehr unter dem Einflusse der wärmestrahlenden Ebene, während ausgedehnte Hochgebirge unabhängig hiervon sich gewissermaßen ihr Klima selbstständig bilden, desto rauher je umfänglicher sie sind; was jedoch nicht ausschließt,
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reſte ehemaliger flacher Seebecken deren lettiger Untergrund ein völliges Verſiechen dieſes Waſſernetzes verhütet, da im Spreewald der Zuſtrom des Spreewaſſers allein dies wahrſcheinlich nicht würde verhindern können.
Indem wir von der Ebene in die Gebirge hinaufſteigen und dort die Formen des Waldes betrachten wollen, muß uns der merkwürdigſte, weil nur in wenigen Fußen ſich ausſprechende Unterſchied zwiſchen Ebene und Höhe einfallen: Marſch und Geeſt. Das nördliche Deutſchland, namentlich an der Küſte der Nordſee und weit hinauf in die Mündungen der Elbe und Weſer, iſt der Schauplatz eines ewigen Kampfes der Menſchen mit dem Meere, um dieſem neues Land abzugewinnen und das gewonnene vor dem zurück- fordernden Andrängen der Fluthen zu vertheidigen oder älteren Landbeſitz vor dem Anheimfallen an das bewegliche Element durch Deiche zu ſchützen. An die tiſchgleiche Marſch ſtößt die oft nur um einige Fuß höhere Geeſt; jene bekanntlich ein Muſter von üppiger Fruchtbarkeit, dieſe meiſt ſandig und kieſig und daher unfruchtbar. Doch kommen namentlich auf der Oſtſeite Schleswig-Holſteins auf der Geeſt die herrlichſten Waldungen, namentlich Buchwaldungen vor, welche auch ein Schmuck vieler däniſchen Inſeln ſind, die ſich wenig über den Meeresſpiegel erheben.
Eine Höhenſtufe anzugeben wo der Gebirgswald anfängt iſt kaum möglich; es muß ſogar die untere Grenze des Gebirgswaldes ſehr tief gezogen werden, indem noch unter 500 Fuß Seehöhe der Wald wenigſtens den Baum- und Pflanzencharakter des Gebirgswaldes annimmt, ohne noch den ausgeſprochenen Bergcharakter zu beſitzen. Der Fuß des ſächſiſchen Erzgebirges, der bei Tharand nur einige Hundert Fuß über dem Elbſpiegel bei Dresden liegt, hat in ſeinen Wäldern vollkommen den Charakter des Gebirgswaldes. Eben ſo ſchwierig iſt es, die Höhengränze gegen den Alpenwald zu beſtimmen.
Hier wie dort kommt es nicht allein auf die Höhenausdehnung des Gebietes an, ſondern gar ſehr auch auf die Horizontalausdehnung. Es iſt ähnlich wie mit der Schneegränze, welche in umfangreichen Hoch- gebirgen tiefer herabreicht, als auf einzeln auf der Ebene ſtehenden Bergen von gleicher Höhe. Letztere ſtehen in ihren klimatiſchen Verhältniſſen ſehr unter dem Einfluſſe der wärmeſtrahlenden Ebene, während ausgedehnte Hochgebirge unabhängig hiervon ſich gewiſſermaßen ihr Klima ſelbſtſtändig bilden, deſto rauher je umfänglicher ſie ſind; was jedoch nicht ausſchließt,
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reſte ehemaliger flacher Seebecken deren lettiger Untergrund ein völliges
Verſiechen dieſes Waſſernetzes verhütet, da im Spreewald der Zuſtrom
des Spreewaſſers allein dies wahrſcheinlich nicht würde verhindern können.
Indem wir von der Ebene in die Gebirge hinaufſteigen und dort die
Formen des Waldes betrachten wollen, muß uns der merkwürdigſte, weil
nur in wenigen Fußen ſich ausſprechende Unterſchied zwiſchen Ebene und
Höhe einfallen: Marſch und Geeſt. Das nördliche Deutſchland, namentlich
an der Küſte der Nordſee und weit hinauf in die Mündungen der Elbe und
Weſer, iſt der Schauplatz eines ewigen Kampfes der Menſchen mit dem Meere,
um dieſem neues Land abzugewinnen und das gewonnene vor dem zurück-
fordernden Andrängen der Fluthen zu vertheidigen oder älteren Landbeſitz
vor dem Anheimfallen an das bewegliche Element durch Deiche zu ſchützen.
An die tiſchgleiche Marſch ſtößt die oft nur um einige Fuß höhere Geeſt;
jene bekanntlich ein Muſter von üppiger Fruchtbarkeit, dieſe meiſt ſandig
und kieſig und daher unfruchtbar. Doch kommen namentlich auf der
Oſtſeite Schleswig-Holſteins auf der Geeſt die herrlichſten Waldungen,
namentlich Buchwaldungen vor, welche auch ein Schmuck vieler däniſchen
Inſeln ſind, die ſich wenig über den Meeresſpiegel erheben.
Eine Höhenſtufe anzugeben wo der Gebirgswald anfängt iſt
kaum möglich; es muß ſogar die untere Grenze des Gebirgswaldes ſehr
tief gezogen werden, indem noch unter 500 Fuß Seehöhe der Wald
wenigſtens den Baum- und Pflanzencharakter des Gebirgswaldes annimmt,
ohne noch den ausgeſprochenen Bergcharakter zu beſitzen. Der Fuß des
ſächſiſchen Erzgebirges, der bei Tharand nur einige Hundert Fuß über
dem Elbſpiegel bei Dresden liegt, hat in ſeinen Wäldern vollkommen den
Charakter des Gebirgswaldes. Eben ſo ſchwierig iſt es, die Höhengränze
gegen den Alpenwald zu beſtimmen.
Hier wie dort kommt es nicht allein auf die Höhenausdehnung des
Gebietes an, ſondern gar ſehr auch auf die Horizontalausdehnung. Es
iſt ähnlich wie mit der Schneegränze, welche in umfangreichen Hoch-
gebirgen tiefer herabreicht, als auf einzeln auf der Ebene ſtehenden Bergen
von gleicher Höhe. Letztere ſtehen in ihren klimatiſchen Verhältniſſen ſehr
unter dem Einfluſſe der wärmeſtrahlenden Ebene, während ausgedehnte
Hochgebirge unabhängig hiervon ſich gewiſſermaßen ihr Klima ſelbſtſtändig
bilden, deſto rauher je umfänglicher ſie ſind; was jedoch nicht ausſchließt,
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/619>, abgerufen am 24.11.2024.
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