Unter der vorhin hervorgehobenen dicken Borkenschicht der Rinde findet sich eine ziemlich starke Bastschicht, welche von Rindenmarkstrahlen durchzogen ist.
Außer den durch die vorstehend angegebene Holzbeschaffenheit be- dingten Abarten sind noch einige andere zu nennen, welche sich durch den Habitus aussprechen. Die eine ist die Pyramiden-Eiche, welche einen pappelartigen Pyramidenwuchs hat; die andere ist die Trauer- eiche oder Hängeeiche mit dünnen und langen niederhängenden Zweigen. Letztere ist sehr selten. Die bekannteste Hängeeiche steht oberhalb Wies- baden links am Wege nach der Platte. Durch Blattkennzeichen unter- schieden ist die Spielart mit geschäckten Blättern (foliis variegatis) und die zerschlitztblättrige Eiche, deren Blätter tiefer und feiner getheilt sind. Alle diese Spiel- oder Abarten sind nur seltne individuelle Vorkommnisse und können nur durch Pfropfen vermehrt werden.
Der Standort der Stieleiche ist hauptsächlich der fruchtbare, lockere, tiefgründige Auenboden der Ebene; sie wächst aber auch noch im lehmigen Sandboden gut, sobald derselbe frisch ist. In höheren Lagen macht sie gewöhnlich der folgenden Platz.
Hinsichtlich der Verbreitung der Sommereiche, so ist zunächst zu erwähnen, daß Deutschland ihre eigentliche Heimath ist. Von da aus verbreitet sie sich bis in die südlichen ebneren Provinzen Schwedens, durch Polen nach Rußland. Im Süden bilden die Alpen ihre Grenze und wie weit sie nach Südosten vordringe ist schwer zu sagen, da es noch nicht hinlänglich fest steht, ob die dort vorkommenden sehr schönen Eichenwaldungen mehr dieser oder mehr der folgenden Art angehören. In Deutschland kommen die schönsten, aber niemals ganz reinen Stiel- eichenwälder in der mitteldeutschen fruchtbaren Ebene und am Niederrhein vor. In früherer Zeit scheinen beide Eichenarten, in der Ebene und auf den niedrigen Gebirgen, herrschender gewesen zu sein als jetzt.
Vom Leben der Eiche ist zunächst hervorzuheben, daß sie ein Licht- baum ist und durchaus keine Verdämmung zu dichten Standes vertragen kann. Die Eicheln, welche nur in dem Jahre nach der Reife keimfähig bleiben, gehen bei der Frühjahrssaat schon nach wenigen Wochen auf. Im ersten Jahre bildet das junge Pflänzchen fast nur die lange strang- förmige Pfahlwurzel und ein unverzweigtes 6--8 Zoll langes Stämmchen
Unter der vorhin hervorgehobenen dicken Borkenſchicht der Rinde findet ſich eine ziemlich ſtarke Baſtſchicht, welche von Rindenmarkſtrahlen durchzogen iſt.
Außer den durch die vorſtehend angegebene Holzbeſchaffenheit be- dingten Abarten ſind noch einige andere zu nennen, welche ſich durch den Habitus ausſprechen. Die eine iſt die Pyramiden-Eiche, welche einen pappelartigen Pyramidenwuchs hat; die andere iſt die Trauer- eiche oder Hängeeiche mit dünnen und langen niederhängenden Zweigen. Letztere iſt ſehr ſelten. Die bekannteſte Hängeeiche ſteht oberhalb Wies- baden links am Wege nach der Platte. Durch Blattkennzeichen unter- ſchieden iſt die Spielart mit geſchäckten Blättern (foliis variegatis) und die zerſchlitztblättrige Eiche, deren Blätter tiefer und feiner getheilt ſind. Alle dieſe Spiel- oder Abarten ſind nur ſeltne individuelle Vorkommniſſe und können nur durch Pfropfen vermehrt werden.
Der Standort der Stieleiche iſt hauptſächlich der fruchtbare, lockere, tiefgründige Auenboden der Ebene; ſie wächſt aber auch noch im lehmigen Sandboden gut, ſobald derſelbe friſch iſt. In höheren Lagen macht ſie gewöhnlich der folgenden Platz.
Hinſichtlich der Verbreitung der Sommereiche, ſo iſt zunächſt zu erwähnen, daß Deutſchland ihre eigentliche Heimath iſt. Von da aus verbreitet ſie ſich bis in die ſüdlichen ebneren Provinzen Schwedens, durch Polen nach Rußland. Im Süden bilden die Alpen ihre Grenze und wie weit ſie nach Südoſten vordringe iſt ſchwer zu ſagen, da es noch nicht hinlänglich feſt ſteht, ob die dort vorkommenden ſehr ſchönen Eichenwaldungen mehr dieſer oder mehr der folgenden Art angehören. In Deutſchland kommen die ſchönſten, aber niemals ganz reinen Stiel- eichenwälder in der mitteldeutſchen fruchtbaren Ebene und am Niederrhein vor. In früherer Zeit ſcheinen beide Eichenarten, in der Ebene und auf den niedrigen Gebirgen, herrſchender geweſen zu ſein als jetzt.
Vom Leben der Eiche iſt zunächſt hervorzuheben, daß ſie ein Licht- baum iſt und durchaus keine Verdämmung zu dichten Standes vertragen kann. Die Eicheln, welche nur in dem Jahre nach der Reife keimfähig bleiben, gehen bei der Frühjahrsſaat ſchon nach wenigen Wochen auf. Im erſten Jahre bildet das junge Pflänzchen faſt nur die lange ſtrang- förmige Pfahlwurzel und ein unverzweigtes 6—8 Zoll langes Stämmchen
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Unter der vorhin hervorgehobenen dicken Borkenſchicht der Rinde
findet ſich eine ziemlich ſtarke Baſtſchicht, welche von Rindenmarkſtrahlen
durchzogen iſt.
Außer den durch die vorſtehend angegebene Holzbeſchaffenheit be-
dingten Abarten ſind noch einige andere zu nennen, welche ſich durch
den Habitus ausſprechen. Die eine iſt die Pyramiden-Eiche, welche
einen pappelartigen Pyramidenwuchs hat; die andere iſt die Trauer-
eiche oder Hängeeiche mit dünnen und langen niederhängenden Zweigen.
Letztere iſt ſehr ſelten. Die bekannteſte Hängeeiche ſteht oberhalb Wies-
baden links am Wege nach der Platte. Durch Blattkennzeichen unter-
ſchieden iſt die Spielart mit geſchäckten Blättern (foliis variegatis)
und die zerſchlitztblättrige Eiche, deren Blätter tiefer und feiner
getheilt ſind. Alle dieſe Spiel- oder Abarten ſind nur ſeltne individuelle
Vorkommniſſe und können nur durch Pfropfen vermehrt werden.
Der Standort der Stieleiche iſt hauptſächlich der fruchtbare, lockere,
tiefgründige Auenboden der Ebene; ſie wächſt aber auch noch im lehmigen
Sandboden gut, ſobald derſelbe friſch iſt. In höheren Lagen macht ſie
gewöhnlich der folgenden Platz.
Hinſichtlich der Verbreitung der Sommereiche, ſo iſt zunächſt zu
erwähnen, daß Deutſchland ihre eigentliche Heimath iſt. Von da aus
verbreitet ſie ſich bis in die ſüdlichen ebneren Provinzen Schwedens,
durch Polen nach Rußland. Im Süden bilden die Alpen ihre Grenze
und wie weit ſie nach Südoſten vordringe iſt ſchwer zu ſagen, da es
noch nicht hinlänglich feſt ſteht, ob die dort vorkommenden ſehr ſchönen
Eichenwaldungen mehr dieſer oder mehr der folgenden Art angehören.
In Deutſchland kommen die ſchönſten, aber niemals ganz reinen Stiel-
eichenwälder in der mitteldeutſchen fruchtbaren Ebene und am Niederrhein
vor. In früherer Zeit ſcheinen beide Eichenarten, in der Ebene und auf
den niedrigen Gebirgen, herrſchender geweſen zu ſein als jetzt.
Vom Leben der Eiche iſt zunächſt hervorzuheben, daß ſie ein Licht-
baum iſt und durchaus keine Verdämmung zu dichten Standes vertragen
kann. Die Eicheln, welche nur in dem Jahre nach der Reife keimfähig
bleiben, gehen bei der Frühjahrsſaat ſchon nach wenigen Wochen auf.
Im erſten Jahre bildet das junge Pflänzchen faſt nur die lange ſtrang-
förmige Pfahlwurzel und ein unverzweigtes 6—8 Zoll langes Stämmchen
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/427>, abgerufen am 28.11.2024.
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