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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Lärvchen fressen von dem Hauptgange seitwärts mit ihrem eigenen Wachs-
thum immer weiter nöthig werdende Larvengänge, in deren zu einer
eiförmigen Höhle ausgenagtem Ende sie sich verpuppen. Die ausge-
krochenen Käfer nagen sich dann nachdem sie noch einige Tage lang sich
an ihrem Geburtsorte unregelmäßige Gänge wühlten, ein Loch in die
Rinde um ins Freie zu kommen. Unsere Fig. 7. zeigt uns eine solche
Brutkolonie auf der Bastseite eines Rindenstücks, deren zierliche Gestalt
dem Käfer den Namen gegeben hat. Wir sehen am Ende der Gänge
die Larven in den Endhöhlen der Verpuppung gewärtig. Im April und
Mai fliegen die aus ihren Winterverstecken hervorkommenden Käfer die
Fichten an und gewöhnlich schon nach 8--10 Wochen ist die Brut
vollendet.

Da wir die wichtige Bedeutung der Bastschicht der Rinde für das
Baumleben kennen (S. 170), so begreifen wir die Schädlichkeit dieses
Käfers und es ist auch eine Fichte, in welcher zahlreiche Bruten desselben
in der Bastschicht nagen dem Tode unrettbar verfallen.

Wie es bei den Schlupfwespen der Fall war, so ist auch der Borken-
käfer der Gegenstand eines heftigen Meinungskampfes gewesen, nämlich
darüber, ob derselbe auch gesunde oder nicht vielmehr blos kranke Fichten
angehe. Man konnte sich nämlich nicht denken, daß der Käfer sich sollte
bis auf die Bastschicht einbohren können, ohne von dem fließenden Harz
erstickt zu werden. Zu leugnen ist allerdings nicht, daß der Borkenkäfer
am liebsten und zuerst solche Bäume angeht, welche aus irgend einem
Grunde kränkeln; aber die Erfahrung hat leider nur zu oft und zu ein-
dringlich gelehrt, daß er sich zuletzt auch auf gesunde Bestände stürzt,
denn es ist nicht anzunehmen, daß die Tausende von Ackern reiner
Fichtenbestände, welche der Borkenkäfer namentlich im vorigen Jahr-
hunderte auf dem Harz und in Sachsen getödtet hat, alle krank gewesen
sein sollten.

Die Natur des kleinen furchtbaren Feindes, welche ihn vorzugsweise
auf kränkelnde Fichtenorte anweist, giebt dem Forstmann den Wink, bei
der Beschützung seiner Fichtenbestände namentlich die für den Borkenkäfer
geeignetsten kränkelnden Orte im Auge zu behalten und außerdem zu-
weilen, namentlich im Frühjahr "Fangbäume", d. h. gefällte und entästete
Stämme, zu legen um daraus, ob und wie viel Käfer sich in ihnen ein-

Lärvchen freſſen von dem Hauptgange ſeitwärts mit ihrem eigenen Wachs-
thum immer weiter nöthig werdende Larvengänge, in deren zu einer
eiförmigen Höhle ausgenagtem Ende ſie ſich verpuppen. Die ausge-
krochenen Käfer nagen ſich dann nachdem ſie noch einige Tage lang ſich
an ihrem Geburtsorte unregelmäßige Gänge wühlten, ein Loch in die
Rinde um ins Freie zu kommen. Unſere Fig. 7. zeigt uns eine ſolche
Brutkolonie auf der Baſtſeite eines Rindenſtücks, deren zierliche Geſtalt
dem Käfer den Namen gegeben hat. Wir ſehen am Ende der Gänge
die Larven in den Endhöhlen der Verpuppung gewärtig. Im April und
Mai fliegen die aus ihren Winterverſtecken hervorkommenden Käfer die
Fichten an und gewöhnlich ſchon nach 8—10 Wochen iſt die Brut
vollendet.

Da wir die wichtige Bedeutung der Baſtſchicht der Rinde für das
Baumleben kennen (S. 170), ſo begreifen wir die Schädlichkeit dieſes
Käfers und es iſt auch eine Fichte, in welcher zahlreiche Bruten deſſelben
in der Baſtſchicht nagen dem Tode unrettbar verfallen.

Wie es bei den Schlupfwespen der Fall war, ſo iſt auch der Borken-
käfer der Gegenſtand eines heftigen Meinungskampfes geweſen, nämlich
darüber, ob derſelbe auch geſunde oder nicht vielmehr blos kranke Fichten
angehe. Man konnte ſich nämlich nicht denken, daß der Käfer ſich ſollte
bis auf die Baſtſchicht einbohren können, ohne von dem fließenden Harz
erſtickt zu werden. Zu leugnen iſt allerdings nicht, daß der Borkenkäfer
am liebſten und zuerſt ſolche Bäume angeht, welche aus irgend einem
Grunde kränkeln; aber die Erfahrung hat leider nur zu oft und zu ein-
dringlich gelehrt, daß er ſich zuletzt auch auf geſunde Beſtände ſtürzt,
denn es iſt nicht anzunehmen, daß die Tauſende von Ackern reiner
Fichtenbeſtände, welche der Borkenkäfer namentlich im vorigen Jahr-
hunderte auf dem Harz und in Sachſen getödtet hat, alle krank geweſen
ſein ſollten.

Die Natur des kleinen furchtbaren Feindes, welche ihn vorzugsweiſe
auf kränkelnde Fichtenorte anweiſt, giebt dem Forſtmann den Wink, bei
der Beſchützung ſeiner Fichtenbeſtände namentlich die für den Borkenkäfer
geeignetſten kränkelnden Orte im Auge zu behalten und außerdem zu-
weilen, namentlich im Frühjahr „Fangbäume“, d. h. gefällte und entäſtete
Stämme, zu legen um daraus, ob und wie viel Käfer ſich in ihnen ein-

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[315/0345] Lärvchen freſſen von dem Hauptgange ſeitwärts mit ihrem eigenen Wachs- thum immer weiter nöthig werdende Larvengänge, in deren zu einer eiförmigen Höhle ausgenagtem Ende ſie ſich verpuppen. Die ausge- krochenen Käfer nagen ſich dann nachdem ſie noch einige Tage lang ſich an ihrem Geburtsorte unregelmäßige Gänge wühlten, ein Loch in die Rinde um ins Freie zu kommen. Unſere Fig. 7. zeigt uns eine ſolche Brutkolonie auf der Baſtſeite eines Rindenſtücks, deren zierliche Geſtalt dem Käfer den Namen gegeben hat. Wir ſehen am Ende der Gänge die Larven in den Endhöhlen der Verpuppung gewärtig. Im April und Mai fliegen die aus ihren Winterverſtecken hervorkommenden Käfer die Fichten an und gewöhnlich ſchon nach 8—10 Wochen iſt die Brut vollendet. Da wir die wichtige Bedeutung der Baſtſchicht der Rinde für das Baumleben kennen (S. 170), ſo begreifen wir die Schädlichkeit dieſes Käfers und es iſt auch eine Fichte, in welcher zahlreiche Bruten deſſelben in der Baſtſchicht nagen dem Tode unrettbar verfallen. Wie es bei den Schlupfwespen der Fall war, ſo iſt auch der Borken- käfer der Gegenſtand eines heftigen Meinungskampfes geweſen, nämlich darüber, ob derſelbe auch geſunde oder nicht vielmehr blos kranke Fichten angehe. Man konnte ſich nämlich nicht denken, daß der Käfer ſich ſollte bis auf die Baſtſchicht einbohren können, ohne von dem fließenden Harz erſtickt zu werden. Zu leugnen iſt allerdings nicht, daß der Borkenkäfer am liebſten und zuerſt ſolche Bäume angeht, welche aus irgend einem Grunde kränkeln; aber die Erfahrung hat leider nur zu oft und zu ein- dringlich gelehrt, daß er ſich zuletzt auch auf geſunde Beſtände ſtürzt, denn es iſt nicht anzunehmen, daß die Tauſende von Ackern reiner Fichtenbeſtände, welche der Borkenkäfer namentlich im vorigen Jahr- hunderte auf dem Harz und in Sachſen getödtet hat, alle krank geweſen ſein ſollten. Die Natur des kleinen furchtbaren Feindes, welche ihn vorzugsweiſe auf kränkelnde Fichtenorte anweiſt, giebt dem Forſtmann den Wink, bei der Beſchützung ſeiner Fichtenbeſtände namentlich die für den Borkenkäfer geeignetſten kränkelnden Orte im Auge zu behalten und außerdem zu- weilen, namentlich im Frühjahr „Fangbäume“, d. h. gefällte und entäſtete Stämme, zu legen um daraus, ob und wie viel Käfer ſich in ihnen ein-

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/345>, abgerufen am 05.07.2024.