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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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verhältnißmäßig schwach, selten bis 3 Zoll stark und stehen abwärts
geneigt und meist mit den Spitzen in einem flachen Bogen aufwärts
gekrümmt bis tief herab an dem Stamme, so daß die Krone dem
Umrisse nach ein regelmäßiges spitzes, pyramidales Zeltdach und der
Wipfel immer dessen bleibende Spitze bildet. Eine eigentliche Kronen-
abwölbung findet daher bei der Fichte gar nicht statt, ja sie ist -- da
diese selbst bei der Tanne in einigem Grade statt hat -- mit der Lärche
der einzige Baum ohne Kronenabwölbung. Den verlorenen Wipfel kann
die Fichte nur in der Jugend durch Aufrichtung eines Seitentriebes aus
einer Seitenknospe ersetzen, in höherem Alter weniger.

Die Fichtenkrone ist viel dichter als die der Kiefer, was theils durch
die dichte Benadelung der bei räumlicher Stellung bis tief herab den
Schaft verhüllenden Zweige, theils dadurch bedingt ist, daß sie außer den
End- und Quirltrieben auch eine Menge Seitentriebe macht, welche den
Kiefern abgehen. Der Habitus der jungen Fichten und das gute Ge-
deihen derselben in grasigen Kulturen -- dafern nur das Gras die
Pflänzchen nicht überwächst -- deuten darauf hin, daß die Fichte eine
Beschattung ihres Stammes erfordert wie sie überhaupt zu den Schatten-
bäumen gehört.

Daß der Wurzel der Fichte die Pfahlwurzel gänzlich abgeht, daß
sie vielmehr nur in der Oberfläche ihres Standortes bleibende kräftige
Wurzeln treibt, haben wir bei Besprechung der Gefahren des Wind-
bruches (S. 247) schon erfahren. Durch diese horizontal in sehr geringer
Tiefe streichenden Wurzeln bildet sich in geschlossenen Fichtenbeständen ein
dichtes Wurzelgeflecht, in welchem die Wurzeläste benachbarter Bäume
oft verwachsen und so zu Stocküberwallungen Anlaß geben. In den
Gebirgswaldungen findet man zuweilen einzelne alte Fichten, welche wie
ein Pfeilertisch auf 3--4 über eine Elle hohen freien Wurzeln wie auf
Stelzen stehen, was bei anderen Bäumen viel seltener vorkommt. Diese
an die bekannte Erscheinung der Mangrovenwälder der Tropen erinnernde
Wurzelbildung ist in folgender Weise bedingt. Ungerodet im Walde
stehen bleibende Stöcke*) fallen natürlich, wenn es Nadelholzstöcke sind,

*) Es ist für manche meiner fern vom Walde wohnenden Leser doch vielleicht nicht
überflüssig, hier einzuschalten, daß Stock die Wurzel eines Baumes mit dem beim Fällen
daran bleibenden längeren oder kürzeren Stammende ist.
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verhältnißmäßig ſchwach, ſelten bis 3 Zoll ſtark und ſtehen abwärts
geneigt und meiſt mit den Spitzen in einem flachen Bogen aufwärts
gekrümmt bis tief herab an dem Stamme, ſo daß die Krone dem
Umriſſe nach ein regelmäßiges ſpitzes, pyramidales Zeltdach und der
Wipfel immer deſſen bleibende Spitze bildet. Eine eigentliche Kronen-
abwölbung findet daher bei der Fichte gar nicht ſtatt, ja ſie iſt — da
dieſe ſelbſt bei der Tanne in einigem Grade ſtatt hat — mit der Lärche
der einzige Baum ohne Kronenabwölbung. Den verlorenen Wipfel kann
die Fichte nur in der Jugend durch Aufrichtung eines Seitentriebes aus
einer Seitenknospe erſetzen, in höherem Alter weniger.

Die Fichtenkrone iſt viel dichter als die der Kiefer, was theils durch
die dichte Benadelung der bei räumlicher Stellung bis tief herab den
Schaft verhüllenden Zweige, theils dadurch bedingt iſt, daß ſie außer den
End- und Quirltrieben auch eine Menge Seitentriebe macht, welche den
Kiefern abgehen. Der Habitus der jungen Fichten und das gute Ge-
deihen derſelben in graſigen Kulturen — dafern nur das Gras die
Pflänzchen nicht überwächſt — deuten darauf hin, daß die Fichte eine
Beſchattung ihres Stammes erfordert wie ſie überhaupt zu den Schatten-
bäumen gehört.

Daß der Wurzel der Fichte die Pfahlwurzel gänzlich abgeht, daß
ſie vielmehr nur in der Oberfläche ihres Standortes bleibende kräftige
Wurzeln treibt, haben wir bei Beſprechung der Gefahren des Wind-
bruches (S. 247) ſchon erfahren. Durch dieſe horizontal in ſehr geringer
Tiefe ſtreichenden Wurzeln bildet ſich in geſchloſſenen Fichtenbeſtänden ein
dichtes Wurzelgeflecht, in welchem die Wurzeläſte benachbarter Bäume
oft verwachſen und ſo zu Stocküberwallungen Anlaß geben. In den
Gebirgswaldungen findet man zuweilen einzelne alte Fichten, welche wie
ein Pfeilertiſch auf 3—4 über eine Elle hohen freien Wurzeln wie auf
Stelzen ſtehen, was bei anderen Bäumen viel ſeltener vorkommt. Dieſe
an die bekannte Erſcheinung der Mangrovenwälder der Tropen erinnernde
Wurzelbildung iſt in folgender Weiſe bedingt. Ungerodet im Walde
ſtehen bleibende Stöcke*) fallen natürlich, wenn es Nadelholzſtöcke ſind,

*) Es iſt für manche meiner fern vom Walde wohnenden Leſer doch vielleicht nicht
überflüſſig, hier einzuſchalten, daß Stock die Wurzel eines Baumes mit dem beim Fällen
daran bleibenden längeren oder kürzeren Stammende iſt.
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[307/0335] verhältnißmäßig ſchwach, ſelten bis 3 Zoll ſtark und ſtehen abwärts geneigt und meiſt mit den Spitzen in einem flachen Bogen aufwärts gekrümmt bis tief herab an dem Stamme, ſo daß die Krone dem Umriſſe nach ein regelmäßiges ſpitzes, pyramidales Zeltdach und der Wipfel immer deſſen bleibende Spitze bildet. Eine eigentliche Kronen- abwölbung findet daher bei der Fichte gar nicht ſtatt, ja ſie iſt — da dieſe ſelbſt bei der Tanne in einigem Grade ſtatt hat — mit der Lärche der einzige Baum ohne Kronenabwölbung. Den verlorenen Wipfel kann die Fichte nur in der Jugend durch Aufrichtung eines Seitentriebes aus einer Seitenknospe erſetzen, in höherem Alter weniger. Die Fichtenkrone iſt viel dichter als die der Kiefer, was theils durch die dichte Benadelung der bei räumlicher Stellung bis tief herab den Schaft verhüllenden Zweige, theils dadurch bedingt iſt, daß ſie außer den End- und Quirltrieben auch eine Menge Seitentriebe macht, welche den Kiefern abgehen. Der Habitus der jungen Fichten und das gute Ge- deihen derſelben in graſigen Kulturen — dafern nur das Gras die Pflänzchen nicht überwächſt — deuten darauf hin, daß die Fichte eine Beſchattung ihres Stammes erfordert wie ſie überhaupt zu den Schatten- bäumen gehört. Daß der Wurzel der Fichte die Pfahlwurzel gänzlich abgeht, daß ſie vielmehr nur in der Oberfläche ihres Standortes bleibende kräftige Wurzeln treibt, haben wir bei Beſprechung der Gefahren des Wind- bruches (S. 247) ſchon erfahren. Durch dieſe horizontal in ſehr geringer Tiefe ſtreichenden Wurzeln bildet ſich in geſchloſſenen Fichtenbeſtänden ein dichtes Wurzelgeflecht, in welchem die Wurzeläſte benachbarter Bäume oft verwachſen und ſo zu Stocküberwallungen Anlaß geben. In den Gebirgswaldungen findet man zuweilen einzelne alte Fichten, welche wie ein Pfeilertiſch auf 3—4 über eine Elle hohen freien Wurzeln wie auf Stelzen ſtehen, was bei anderen Bäumen viel ſeltener vorkommt. Dieſe an die bekannte Erſcheinung der Mangrovenwälder der Tropen erinnernde Wurzelbildung iſt in folgender Weiſe bedingt. Ungerodet im Walde ſtehen bleibende Stöcke *) fallen natürlich, wenn es Nadelholzſtöcke ſind, *) Es iſt für manche meiner fern vom Walde wohnenden Leſer doch vielleicht nicht überflüſſig, hier einzuſchalten, daß Stock die Wurzel eines Baumes mit dem beim Fällen daran bleibenden längeren oder kürzeren Stammende iſt. 20*

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/335>, abgerufen am 22.12.2024.