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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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den Laubhölzern die Nadelhölzer genügsame Bäume nannten, so sind
ihnen auch hierin die Menschen gleich, welche in ihrem Schooße ihren
Wohnsitz aufgeschlagen haben. Aber ganz besonders kann man den
Nadelwald den Schooß nennen, welcher viele menschliche Gewerbsthätig-
keitsformen hegt und birgt und man kann gewissermaaßen von einer
Nadelholzindustrie sprechen. Wenn wir den Schwarzwald, den Harz
oder das sächsische Erzgebirge durchstreifen, so finden wir an vielen
Stellen die unmittelbaren Beweise, daß der Wald hier für den Menschen
nicht blos Wohnplatz, sondern auch die Stätte ist, welche ihm den Stoff
zu seiner Thätigkeit liefert. Tief im Hintergrunde der Schluchten, durch
welche lustige Waldbäche fließen, siedelt sich die Schneidemühle an, welche
die schlanken Stämme zu reinlichen Bretern theilt und ein oft mühsam
unterhaltener Weg führt diese zu den fernen Städten des Marktes;
anderwärts finden wir das schwarze Völkchen der Köhler, denn es ist
vorwaltend Nadelholz, was zu Kohle verwandelt wird. Weniger als
sonst, aber doch und häufiger als es sein sollte treffen wir anderwärts
Theerschwelereien an, ein Waldgewerbe, welches man fast auf gleiche
Stufe mit der Thätigkeit schädlicher Insekten stellen sollte, weil es den
Verbrauchswerth der Stämme sehr wesentlich beeinträchtigt. Sobald ein
Bach wasserreich genug wird, um als Floßbach dienen zu können, sehen
wir zu Klötzen geschnitten oder selbst als Langholz von dem kräftigen
Volk der Flößer die Stämme aus dem Innern des Waldes hinausführen.
Im Hochgebirge wagt der Holzfäller sein Leben daran, auf schlittenartigen
Gefährten die gespaltenen Scheite die jähen Abhänge herunter zu führen
oder auf schwindligen Riesen sie über Thäler und Abgründe in tiefere
Lagen hinabgleiten zu lassen. Jede Hütte ist mindestens am Dache, oft
auch an den Wänden, mit den bald ergrauenden Nadelholz-Schindeln
bekleidet, deren der Waldbewohner Millionen an die Niederungen abgiebt.
Die umfangreiche Schachtelindustrie hat ihren Sitz fast lediglich im
Schooße des Nadelwaldes und zu diesen und vielen anderen Nadelwald-
Gewerben kommt in neuerer Zeit ein neues, welches mehr und mehr in
Aufschwung kommt, es ist die Waldwollindustrie, eine Schöpfung des auch
hierdurch verdienstvollen preußischen Oberforstmeisters von Pannewitz.
Ja selbst die Kunst hat sich in den Nadelwaldungen eine Stätte bereitet.
Wer kennt nicht die künstlichen, zuweilen gar nicht werthlosen Schnitzereien

den Laubhölzern die Nadelhölzer genügſame Bäume nannten, ſo ſind
ihnen auch hierin die Menſchen gleich, welche in ihrem Schooße ihren
Wohnſitz aufgeſchlagen haben. Aber ganz beſonders kann man den
Nadelwald den Schooß nennen, welcher viele menſchliche Gewerbsthätig-
keitsformen hegt und birgt und man kann gewiſſermaaßen von einer
Nadelholzinduſtrie ſprechen. Wenn wir den Schwarzwald, den Harz
oder das ſächſiſche Erzgebirge durchſtreifen, ſo finden wir an vielen
Stellen die unmittelbaren Beweiſe, daß der Wald hier für den Menſchen
nicht blos Wohnplatz, ſondern auch die Stätte iſt, welche ihm den Stoff
zu ſeiner Thätigkeit liefert. Tief im Hintergrunde der Schluchten, durch
welche luſtige Waldbäche fließen, ſiedelt ſich die Schneidemühle an, welche
die ſchlanken Stämme zu reinlichen Bretern theilt und ein oft mühſam
unterhaltener Weg führt dieſe zu den fernen Städten des Marktes;
anderwärts finden wir das ſchwarze Völkchen der Köhler, denn es iſt
vorwaltend Nadelholz, was zu Kohle verwandelt wird. Weniger als
ſonſt, aber doch und häufiger als es ſein ſollte treffen wir anderwärts
Theerſchwelereien an, ein Waldgewerbe, welches man faſt auf gleiche
Stufe mit der Thätigkeit ſchädlicher Inſekten ſtellen ſollte, weil es den
Verbrauchswerth der Stämme ſehr weſentlich beeinträchtigt. Sobald ein
Bach waſſerreich genug wird, um als Floßbach dienen zu können, ſehen
wir zu Klötzen geſchnitten oder ſelbſt als Langholz von dem kräftigen
Volk der Flößer die Stämme aus dem Innern des Waldes hinausführen.
Im Hochgebirge wagt der Holzfäller ſein Leben daran, auf ſchlittenartigen
Gefährten die geſpaltenen Scheite die jähen Abhänge herunter zu führen
oder auf ſchwindligen Rieſen ſie über Thäler und Abgründe in tiefere
Lagen hinabgleiten zu laſſen. Jede Hütte iſt mindeſtens am Dache, oft
auch an den Wänden, mit den bald ergrauenden Nadelholz-Schindeln
bekleidet, deren der Waldbewohner Millionen an die Niederungen abgiebt.
Die umfangreiche Schachtelinduſtrie hat ihren Sitz faſt lediglich im
Schooße des Nadelwaldes und zu dieſen und vielen anderen Nadelwald-
Gewerben kommt in neuerer Zeit ein neues, welches mehr und mehr in
Aufſchwung kommt, es iſt die Waldwollinduſtrie, eine Schöpfung des auch
hierdurch verdienſtvollen preußiſchen Oberforſtmeiſters von Pannewitz.
Ja ſelbſt die Kunſt hat ſich in den Nadelwaldungen eine Stätte bereitet.
Wer kennt nicht die künſtlichen, zuweilen gar nicht werthloſen Schnitzereien

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[251/0275] den Laubhölzern die Nadelhölzer genügſame Bäume nannten, ſo ſind ihnen auch hierin die Menſchen gleich, welche in ihrem Schooße ihren Wohnſitz aufgeſchlagen haben. Aber ganz beſonders kann man den Nadelwald den Schooß nennen, welcher viele menſchliche Gewerbsthätig- keitsformen hegt und birgt und man kann gewiſſermaaßen von einer Nadelholzinduſtrie ſprechen. Wenn wir den Schwarzwald, den Harz oder das ſächſiſche Erzgebirge durchſtreifen, ſo finden wir an vielen Stellen die unmittelbaren Beweiſe, daß der Wald hier für den Menſchen nicht blos Wohnplatz, ſondern auch die Stätte iſt, welche ihm den Stoff zu ſeiner Thätigkeit liefert. Tief im Hintergrunde der Schluchten, durch welche luſtige Waldbäche fließen, ſiedelt ſich die Schneidemühle an, welche die ſchlanken Stämme zu reinlichen Bretern theilt und ein oft mühſam unterhaltener Weg führt dieſe zu den fernen Städten des Marktes; anderwärts finden wir das ſchwarze Völkchen der Köhler, denn es iſt vorwaltend Nadelholz, was zu Kohle verwandelt wird. Weniger als ſonſt, aber doch und häufiger als es ſein ſollte treffen wir anderwärts Theerſchwelereien an, ein Waldgewerbe, welches man faſt auf gleiche Stufe mit der Thätigkeit ſchädlicher Inſekten ſtellen ſollte, weil es den Verbrauchswerth der Stämme ſehr weſentlich beeinträchtigt. Sobald ein Bach waſſerreich genug wird, um als Floßbach dienen zu können, ſehen wir zu Klötzen geſchnitten oder ſelbſt als Langholz von dem kräftigen Volk der Flößer die Stämme aus dem Innern des Waldes hinausführen. Im Hochgebirge wagt der Holzfäller ſein Leben daran, auf ſchlittenartigen Gefährten die geſpaltenen Scheite die jähen Abhänge herunter zu führen oder auf ſchwindligen Rieſen ſie über Thäler und Abgründe in tiefere Lagen hinabgleiten zu laſſen. Jede Hütte iſt mindeſtens am Dache, oft auch an den Wänden, mit den bald ergrauenden Nadelholz-Schindeln bekleidet, deren der Waldbewohner Millionen an die Niederungen abgiebt. Die umfangreiche Schachtelinduſtrie hat ihren Sitz faſt lediglich im Schooße des Nadelwaldes und zu dieſen und vielen anderen Nadelwald- Gewerben kommt in neuerer Zeit ein neues, welches mehr und mehr in Aufſchwung kommt, es iſt die Waldwollinduſtrie, eine Schöpfung des auch hierdurch verdienſtvollen preußiſchen Oberforſtmeiſters von Pannewitz. Ja ſelbſt die Kunſt hat ſich in den Nadelwaldungen eine Stätte bereitet. Wer kennt nicht die künſtlichen, zuweilen gar nicht werthloſen Schnitzereien

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/275>, abgerufen am 22.12.2024.