oft sehr großem Nachtheil ist: die Schlagstellung ist vielleicht in großer Ausdehnung gestört. Es gehört nämlich zu den Aufgaben der geregelten Forstverwaltung, daß die Holzschläge mit Berücksichtigung der herrschenden Winde und anderer klimatischen Erscheinungen so geführt werden, daß dadurch gewissermaaßen ein gegenseitiger Schutzverband erhalten bleibt.
In Deutschland sind bekanntlich die herrschenden Luftströmungen westliche und mithin kommen am häufigsten auch die Stürme in dieser Richtung an. Man sucht daher auf einer großen Waldfläche besonders an der westlichen Seite eine breite Wand von hohem Holz zu erhalten, um durch sie die inneren, und die weiter östlich liegenden Waldtheile zu schützen. Ist nun diese Schutzmauer durchbrochen, sei es durch die furchtbar schnell wirkende Macht des Sturmes, sei es durch nagende Insekten, so kann es kommen, daß ein großer Waldkomplex auf viele Jahrzehnte den klimatischen Einflüssen in nachtheiliger Weise ausgesetzt ist, vor welchen ihn eine weise Schlagstellung lange Zeit hindurch zu schützen gewußt hatte. Ein ähnliches Verhältniß besteht hinsichtlich der Einwirkung der Sommerhitze und zu vielen Lichtes und man ist immer bemüht, bei gewissen Holzarten die Schläge so zu stellen, daß die Kulturen hiergegen und gegen das Austrocknen des Bodens geschützt sind.
Unter allen diesen Unglücksfällen leiden aus Gründen, die uns klar geworden sind, die Nadelbestände viel mehr, als die Laubwaldungen und wie überhaupt die ersteren eine größere Solidarität zeigen, man möchte sagen, eine innigere Gemeinsamkeit, so ist dies, wie wir sahen, ebenso der Fall hinsichtlich der Unglücksfälle, welchen der Wald ausgesetzt ist.
Wie wir eben gesehen haben, daß die Nadelwaldungen einen größern Einfluß auf den landschaftlichen Charakter einer Gegend ausüben, daß sie verschiedenartigen Unfällen mehr ausgesetzt sind und diesen gegenüber eine größere gegenseitige Mitleidenheit zeigen, so üben sie auch mehr, als die Laubholzwaldungen einen entschiedenen Einfluß auf den Volks- charakter und auf die Gewerbsthätigkeit aus. Wie schon früher ein- mal angedeutet wurde, daß die Nadelwaldungen mehr zur Stille und Melan- cholie einladen, als die Laubwaldungen, so finden wir auch eine Be- stätigung hierfür darin, daß die Bewohner unserer nadelholzgekrönten Gebirge mehr als die Ebenen-Bewohner ein Insichgekehrtsein, eine ruhige feste Bestimmtheit zeigen und wenn wir vorhin im Vergleich zu
oft ſehr großem Nachtheil iſt: die Schlagſtellung iſt vielleicht in großer Ausdehnung geſtört. Es gehört nämlich zu den Aufgaben der geregelten Forſtverwaltung, daß die Holzſchläge mit Berückſichtigung der herrſchenden Winde und anderer klimatiſchen Erſcheinungen ſo geführt werden, daß dadurch gewiſſermaaßen ein gegenſeitiger Schutzverband erhalten bleibt.
In Deutſchland ſind bekanntlich die herrſchenden Luftſtrömungen weſtliche und mithin kommen am häufigſten auch die Stürme in dieſer Richtung an. Man ſucht daher auf einer großen Waldfläche beſonders an der weſtlichen Seite eine breite Wand von hohem Holz zu erhalten, um durch ſie die inneren, und die weiter öſtlich liegenden Waldtheile zu ſchützen. Iſt nun dieſe Schutzmauer durchbrochen, ſei es durch die furchtbar ſchnell wirkende Macht des Sturmes, ſei es durch nagende Inſekten, ſo kann es kommen, daß ein großer Waldkomplex auf viele Jahrzehnte den klimatiſchen Einflüſſen in nachtheiliger Weiſe ausgeſetzt iſt, vor welchen ihn eine weiſe Schlagſtellung lange Zeit hindurch zu ſchützen gewußt hatte. Ein ähnliches Verhältniß beſteht hinſichtlich der Einwirkung der Sommerhitze und zu vielen Lichtes und man iſt immer bemüht, bei gewiſſen Holzarten die Schläge ſo zu ſtellen, daß die Kulturen hiergegen und gegen das Austrocknen des Bodens geſchützt ſind.
Unter allen dieſen Unglücksfällen leiden aus Gründen, die uns klar geworden ſind, die Nadelbeſtände viel mehr, als die Laubwaldungen und wie überhaupt die erſteren eine größere Solidarität zeigen, man möchte ſagen, eine innigere Gemeinſamkeit, ſo iſt dies, wie wir ſahen, ebenſo der Fall hinſichtlich der Unglücksfälle, welchen der Wald ausgeſetzt iſt.
Wie wir eben geſehen haben, daß die Nadelwaldungen einen größern Einfluß auf den landſchaftlichen Charakter einer Gegend ausüben, daß ſie verſchiedenartigen Unfällen mehr ausgeſetzt ſind und dieſen gegenüber eine größere gegenſeitige Mitleidenheit zeigen, ſo üben ſie auch mehr, als die Laubholzwaldungen einen entſchiedenen Einfluß auf den Volks- charakter und auf die Gewerbsthätigkeit aus. Wie ſchon früher ein- mal angedeutet wurde, daß die Nadelwaldungen mehr zur Stille und Melan- cholie einladen, als die Laubwaldungen, ſo finden wir auch eine Be- ſtätigung hierfür darin, daß die Bewohner unſerer nadelholzgekrönten Gebirge mehr als die Ebenen-Bewohner ein Inſichgekehrtſein, eine ruhige feſte Beſtimmtheit zeigen und wenn wir vorhin im Vergleich zu
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oft ſehr großem Nachtheil iſt: die Schlagſtellung iſt vielleicht in großer
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Forſtverwaltung, daß die Holzſchläge mit Berückſichtigung der herrſchenden
Winde und anderer klimatiſchen Erſcheinungen ſo geführt werden, daß
dadurch gewiſſermaaßen ein gegenſeitiger Schutzverband erhalten bleibt.
In Deutſchland ſind bekanntlich die herrſchenden Luftſtrömungen
weſtliche und mithin kommen am häufigſten auch die Stürme in dieſer
Richtung an. Man ſucht daher auf einer großen Waldfläche beſonders
an der weſtlichen Seite eine breite Wand von hohem Holz zu erhalten,
um durch ſie die inneren, und die weiter öſtlich liegenden Waldtheile zu
ſchützen. Iſt nun dieſe Schutzmauer durchbrochen, ſei es durch die
furchtbar ſchnell wirkende Macht des Sturmes, ſei es durch nagende
Inſekten, ſo kann es kommen, daß ein großer Waldkomplex auf viele
Jahrzehnte den klimatiſchen Einflüſſen in nachtheiliger Weiſe ausgeſetzt
iſt, vor welchen ihn eine weiſe Schlagſtellung lange Zeit hindurch zu
ſchützen gewußt hatte. Ein ähnliches Verhältniß beſteht hinſichtlich der
Einwirkung der Sommerhitze und zu vielen Lichtes und man iſt immer
bemüht, bei gewiſſen Holzarten die Schläge ſo zu ſtellen, daß die
Kulturen hiergegen und gegen das Austrocknen des Bodens geſchützt ſind.
Unter allen dieſen Unglücksfällen leiden aus Gründen, die uns klar
geworden ſind, die Nadelbeſtände viel mehr, als die Laubwaldungen und
wie überhaupt die erſteren eine größere Solidarität zeigen, man möchte
ſagen, eine innigere Gemeinſamkeit, ſo iſt dies, wie wir ſahen, ebenſo
der Fall hinſichtlich der Unglücksfälle, welchen der Wald ausgeſetzt iſt.
Wie wir eben geſehen haben, daß die Nadelwaldungen einen größern
Einfluß auf den landſchaftlichen Charakter einer Gegend ausüben, daß
ſie verſchiedenartigen Unfällen mehr ausgeſetzt ſind und dieſen gegenüber
eine größere gegenſeitige Mitleidenheit zeigen, ſo üben ſie auch mehr,
als die Laubholzwaldungen einen entſchiedenen Einfluß auf den Volks-
charakter und auf die Gewerbsthätigkeit aus. Wie ſchon früher ein-
mal angedeutet wurde, daß die Nadelwaldungen mehr zur Stille und Melan-
cholie einladen, als die Laubwaldungen, ſo finden wir auch eine Be-
ſtätigung hierfür darin, daß die Bewohner unſerer nadelholzgekrönten
Gebirge mehr als die Ebenen-Bewohner ein Inſichgekehrtſein, eine
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/274>, abgerufen am 22.12.2024.
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