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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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(die wir freilich in ihrem speciellen Einfluß kaum nachweisen können) aus
der Anlage eines Blattes -- in dieser allgemeinen Auffassung des Wortes --
ein anderes Blattgebilde wird, als der Regel nach hätte werden sollen.
Blätter verwandeln sich in Kelchblätter, Kelchblätter in Blumenblätter,
Staubgefäße und Stempel in Blumenblätter. Auf dieser wesentlichen
Einheit aller Blattgebilde, zu denen also auch die Befruchtungswerkzeuge
der Blüthe gehören, beruht die Füllung vieler unserer Gartenblumen
und manches andere Ergebniß der Gärtnerei.

Es wird daher an dieser Stelle angemessen sein, neben dem Begriff
des Blattes im alltäglichen engeren Sinne die Niederblätter und die
Hochblätter zu erklären. Beide Benennungen sind von der Stellung
im Verhältniß zu den echten Blättern -- die nun zum Unterschied von
jenen Laubblätter oder Vegetationsblätter zu nennen sind --
aufzufassen, nicht von ihrer geringeren oder höheren Ausbildung. Die
Blattgebilde, welche an der Pflanze eine tiefere Stelle als ein Bege-
tationsblatt einnehmen, heißen Niederblätter, z. B. die breiten ange-
drückten dreiseitigen Schuppen am Spargelschoß. Niederblätter sind nun
auch die Knospenschuppen und wir fanden eben jetzt zwischen ihnen und
den Nebenblättern, welche ebenfalls Niederblätter sind, eine nahe verwandt-
schaftliche Beziehung.

Hochblätter sind diejenigen Blattgebilde, welche über einem Vege-
tationsblatte und vielmehr in einer örtlichen Beziehung zu der Blüthe
stehen. Wir sehen ein schuppenförmiges Hochblatt an der einzelnen freilich
auf das einfachste Maaß beschränkten weiblichen Blüthe der Kiefer in
Fig. XVI. 6 und 7 (S. 124) als ein weißliches angedrücktes Gebilde neben
der braunrothen in ein Spitzchen endenden runden Blüthenschuppe stehen.

Von unseren Bäumen hat die Linde ein am meisten entwickeltes
Hochblatt, das bekannte zungenförmige gelbliche Blatt, welches in seiner
Mittelrippe zum Theil mit dem Blüthenstiele verwachsen ist. (Siehe
später unsere Abbildung der Lindenblüthe). Gewöhnlich stehen diese Hoch-
blätter dicht unter der Blüthe und heißen Deckblätter weil sie die
Blüthe während des Knospenzustandes decken. Die Deckblätter sind für
die Blüthe das, was für die Blätter die Nebenblätter sind. Meine Leser
und Leserinnen werden bei vielen unserer Wiesen- und Gartenblumen
neben den Blüthenstielen ein meist einfachlanzettförmiges Deckblatt finden.

(die wir freilich in ihrem ſpeciellen Einfluß kaum nachweiſen können) aus
der Anlage eines Blattes — in dieſer allgemeinen Auffaſſung des Wortes —
ein anderes Blattgebilde wird, als der Regel nach hätte werden ſollen.
Blätter verwandeln ſich in Kelchblätter, Kelchblätter in Blumenblätter,
Staubgefäße und Stempel in Blumenblätter. Auf dieſer weſentlichen
Einheit aller Blattgebilde, zu denen alſo auch die Befruchtungswerkzeuge
der Blüthe gehören, beruht die Füllung vieler unſerer Gartenblumen
und manches andere Ergebniß der Gärtnerei.

Es wird daher an dieſer Stelle angemeſſen ſein, neben dem Begriff
des Blattes im alltäglichen engeren Sinne die Niederblätter und die
Hochblätter zu erklären. Beide Benennungen ſind von der Stellung
im Verhältniß zu den echten Blättern — die nun zum Unterſchied von
jenen Laubblätter oder Vegetationsblätter zu nennen ſind —
aufzufaſſen, nicht von ihrer geringeren oder höheren Ausbildung. Die
Blattgebilde, welche an der Pflanze eine tiefere Stelle als ein Bege-
tationsblatt einnehmen, heißen Niederblätter, z. B. die breiten ange-
drückten dreiſeitigen Schuppen am Spargelſchoß. Niederblätter ſind nun
auch die Knospenſchuppen und wir fanden eben jetzt zwiſchen ihnen und
den Nebenblättern, welche ebenfalls Niederblätter ſind, eine nahe verwandt-
ſchaftliche Beziehung.

Hochblätter ſind diejenigen Blattgebilde, welche über einem Vege-
tationsblatte und vielmehr in einer örtlichen Beziehung zu der Blüthe
ſtehen. Wir ſehen ein ſchuppenförmiges Hochblatt an der einzelnen freilich
auf das einfachſte Maaß beſchränkten weiblichen Blüthe der Kiefer in
Fig. XVI. 6 und 7 (S. 124) als ein weißliches angedrücktes Gebilde neben
der braunrothen in ein Spitzchen endenden runden Blüthenſchuppe ſtehen.

Von unſeren Bäumen hat die Linde ein am meiſten entwickeltes
Hochblatt, das bekannte zungenförmige gelbliche Blatt, welches in ſeiner
Mittelrippe zum Theil mit dem Blüthenſtiele verwachſen iſt. (Siehe
ſpäter unſere Abbildung der Lindenblüthe). Gewöhnlich ſtehen dieſe Hoch-
blätter dicht unter der Blüthe und heißen Deckblätter weil ſie die
Blüthe während des Knospenzuſtandes decken. Die Deckblätter ſind für
die Blüthe das, was für die Blätter die Nebenblätter ſind. Meine Leſer
und Leſerinnen werden bei vielen unſerer Wieſen- und Gartenblumen
neben den Blüthenſtielen ein meiſt einfachlanzettförmiges Deckblatt finden.

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[168/0192] (die wir freilich in ihrem ſpeciellen Einfluß kaum nachweiſen können) aus der Anlage eines Blattes — in dieſer allgemeinen Auffaſſung des Wortes — ein anderes Blattgebilde wird, als der Regel nach hätte werden ſollen. Blätter verwandeln ſich in Kelchblätter, Kelchblätter in Blumenblätter, Staubgefäße und Stempel in Blumenblätter. Auf dieſer weſentlichen Einheit aller Blattgebilde, zu denen alſo auch die Befruchtungswerkzeuge der Blüthe gehören, beruht die Füllung vieler unſerer Gartenblumen und manches andere Ergebniß der Gärtnerei. Es wird daher an dieſer Stelle angemeſſen ſein, neben dem Begriff des Blattes im alltäglichen engeren Sinne die Niederblätter und die Hochblätter zu erklären. Beide Benennungen ſind von der Stellung im Verhältniß zu den echten Blättern — die nun zum Unterſchied von jenen Laubblätter oder Vegetationsblätter zu nennen ſind — aufzufaſſen, nicht von ihrer geringeren oder höheren Ausbildung. Die Blattgebilde, welche an der Pflanze eine tiefere Stelle als ein Bege- tationsblatt einnehmen, heißen Niederblätter, z. B. die breiten ange- drückten dreiſeitigen Schuppen am Spargelſchoß. Niederblätter ſind nun auch die Knospenſchuppen und wir fanden eben jetzt zwiſchen ihnen und den Nebenblättern, welche ebenfalls Niederblätter ſind, eine nahe verwandt- ſchaftliche Beziehung. Hochblätter ſind diejenigen Blattgebilde, welche über einem Vege- tationsblatte und vielmehr in einer örtlichen Beziehung zu der Blüthe ſtehen. Wir ſehen ein ſchuppenförmiges Hochblatt an der einzelnen freilich auf das einfachſte Maaß beſchränkten weiblichen Blüthe der Kiefer in Fig. XVI. 6 und 7 (S. 124) als ein weißliches angedrücktes Gebilde neben der braunrothen in ein Spitzchen endenden runden Blüthenſchuppe ſtehen. Von unſeren Bäumen hat die Linde ein am meiſten entwickeltes Hochblatt, das bekannte zungenförmige gelbliche Blatt, welches in ſeiner Mittelrippe zum Theil mit dem Blüthenſtiele verwachſen iſt. (Siehe ſpäter unſere Abbildung der Lindenblüthe). Gewöhnlich ſtehen dieſe Hoch- blätter dicht unter der Blüthe und heißen Deckblätter weil ſie die Blüthe während des Knospenzuſtandes decken. Die Deckblätter ſind für die Blüthe das, was für die Blätter die Nebenblätter ſind. Meine Leſer und Leſerinnen werden bei vielen unſerer Wieſen- und Gartenblumen neben den Blüthenſtielen ein meiſt einfachlanzettförmiges Deckblatt finden.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/192>, abgerufen am 17.05.2024.