Die Linde hat genau blos 2 eigentliche Knospenschuppen, welche bei der Knospenentfaltung nicht die mindeste Veränderung erleiden, sondern auseinander gedrängt und dabei oft zerschlitzt und bald hart und trocken werden und abfallen.
Wir sehen dies an drei Entfaltungsstufen der Lindenknospe. Zunächst werden deren 2 eigentliche Knospenschuppen von dem sich ausdehnenden Triebe, der von schnell wachsenden Schuppen noch eine Zeit lang um- schlossen bleibt, überwachsen, XXV. 1., und immer weiter auseinander
[Abbildung]
XXV.
Entfaltung der Lindenknospe.
gedrängt von dem sich nun entfaltenden Triebe, XXV. 2., an dem endlich deutlich wird, daß die nun sichtbar werdenden langen zungenförmigen Schuppen wirkliche wenn auch hinfällige Nebenblättchen sind, deren je 2 zu einem Blatte gehören, XXV. 3.
Dasselbe ist es bei mehreren anderen Baumarten; ja die Erle hat streng genommen gar keine eigentlichen Knospenschuppen, denn bei der Knospen- entfaltung bemerkt man, daß die Schuppen wahre Nebenblättchen sind, und die Stelle der fehlenden Kospenschuppen vertreten. Um dies zu sehen muß man den schnell verlaufenden Akt der Knospenentfaltung wohl beobachten, weil die Nebenblättchen des untersten Blattes sehr bald ab- fallen, nachdem sie sich zurückgekrümmt haben.
Wir erkennen hierin die Einheit und verwandtschaftliche Zusammen- gehörigkeit aller Blattgebilde, auf welche schon S. 130 hingewiesen wurde und welche sich sehr oft dadurch ausspricht, daß durch bedingende Umstände
Die Linde hat genau blos 2 eigentliche Knospenſchuppen, welche bei der Knospenentfaltung nicht die mindeſte Veränderung erleiden, ſondern auseinander gedrängt und dabei oft zerſchlitzt und bald hart und trocken werden und abfallen.
Wir ſehen dies an drei Entfaltungsſtufen der Lindenknospe. Zunächſt werden deren 2 eigentliche Knospenſchuppen von dem ſich ausdehnenden Triebe, der von ſchnell wachſenden Schuppen noch eine Zeit lang um- ſchloſſen bleibt, überwachſen, XXV. 1., und immer weiter auseinander
[Abbildung]
XXV.
Entfaltung der Lindenknospe.
gedrängt von dem ſich nun entfaltenden Triebe, XXV. 2., an dem endlich deutlich wird, daß die nun ſichtbar werdenden langen zungenförmigen Schuppen wirkliche wenn auch hinfällige Nebenblättchen ſind, deren je 2 zu einem Blatte gehören, XXV. 3.
Daſſelbe iſt es bei mehreren anderen Baumarten; ja die Erle hat ſtreng genommen gar keine eigentlichen Knospenſchuppen, denn bei der Knospen- entfaltung bemerkt man, daß die Schuppen wahre Nebenblättchen ſind, und die Stelle der fehlenden Kospenſchuppen vertreten. Um dies zu ſehen muß man den ſchnell verlaufenden Akt der Knospenentfaltung wohl beobachten, weil die Nebenblättchen des unterſten Blattes ſehr bald ab- fallen, nachdem ſie ſich zurückgekrümmt haben.
Wir erkennen hierin die Einheit und verwandtſchaftliche Zuſammen- gehörigkeit aller Blattgebilde, auf welche ſchon S. 130 hingewieſen wurde und welche ſich ſehr oft dadurch ausſpricht, daß durch bedingende Umſtände
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Die Linde hat genau blos 2 eigentliche Knospenſchuppen, welche bei
der Knospenentfaltung nicht die mindeſte Veränderung erleiden, ſondern
auseinander gedrängt und dabei oft zerſchlitzt und bald hart und trocken
werden und abfallen.
Wir ſehen dies an drei Entfaltungsſtufen der Lindenknospe. Zunächſt
werden deren 2 eigentliche Knospenſchuppen von dem ſich ausdehnenden
Triebe, der von ſchnell wachſenden Schuppen noch eine Zeit lang um-
ſchloſſen bleibt, überwachſen, XXV. 1., und immer weiter auseinander
[Abbildung XXV.
Entfaltung der Lindenknospe.]
gedrängt von dem ſich nun entfaltenden Triebe, XXV. 2., an dem endlich
deutlich wird, daß die nun ſichtbar werdenden langen zungenförmigen
Schuppen wirkliche wenn auch hinfällige Nebenblättchen ſind, deren je
2 zu einem Blatte gehören, XXV. 3.
Daſſelbe iſt es bei mehreren anderen Baumarten; ja die Erle hat ſtreng
genommen gar keine eigentlichen Knospenſchuppen, denn bei der Knospen-
entfaltung bemerkt man, daß die Schuppen wahre Nebenblättchen ſind,
und die Stelle der fehlenden Kospenſchuppen vertreten. Um dies zu ſehen
muß man den ſchnell verlaufenden Akt der Knospenentfaltung wohl
beobachten, weil die Nebenblättchen des unterſten Blattes ſehr bald ab-
fallen, nachdem ſie ſich zurückgekrümmt haben.
Wir erkennen hierin die Einheit und verwandtſchaftliche Zuſammen-
gehörigkeit aller Blattgebilde, auf welche ſchon S. 130 hingewieſen wurde
und welche ſich ſehr oft dadurch ausſpricht, daß durch bedingende Umſtände
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/191>, abgerufen am 22.12.2024.
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