Man nimmt nun an und darf wohl annehmen, daß die Zellen der aufsaugenden Wurzeln eine Flüssigkeit enthalten, welche eine andere Dichtigkeit hat als das Bodenwasser. Dadurch wird die Diffusion oder Endosmose eingeleitet und von den äußersten aufsaugenden Zellen auf die mehr nach innen liegenden Zellen übertragen, da natürlich auch zwischen diesen und jenen eine Dichtigkeitsverschiedenheit des Zellsaftes vorhanden sein muß. Es beruht demnach das Einsaugungsvermögen der Wurzel auf einem ununterbrochenen, von Zelle zu Zelle fortschreitenden Aus- gleichen der Säftedichtigkeit und auf daran sich nothwendig anschließender fortwährenden Störung der Ausgleichung.
Man kann den Vorgang der Endosmose leicht durch einen Versuch kennen lernen.
Einen gewöhnlichen Lampencylinder, dessen eine Oeffnung mit dünner Schweinsblase luftdicht und straff verschlossen ist, füllt man etwa zur Hälfte voll Wasser, welchem man durch etwas Zucker, Kochsalz, Gummi oder sonst einen löslichen Stoff eine größere Dichtigkeit gegeben hat. Zu- gleich giebt man noch etwas von einem färbendem Stoff hinzu (der na- türlich vollkommen löslich sein muß), um die Wirkung der Endosmose besser wahrnehmen zu können. Den Glascylinder stellt man nun in ein Glas mit Wasser, so daß nun also auf der einen Seite der Schweins- blase sich z. B. hellroth gefärbtes Gummiwasser, auf der andern reines Wasser, also zwei Flüssigkeiten von verschiedener Dichtigkeit, befinden.
Nach kurzer Zeit wird man die Flüssigkeit in dem Cylinder steigen sehen und am Ende des Experimentes hat man innerhalb und außerhalb desselben eine Flüssigkeit von gleicher Färbung und gleichem Geschmack -- mit einem Worte von gleicher Dichtigkeit. Je größer, bis zu einem ge- wissen Grade, die Dichtigkeitsverschiedenheit der beiden Flüssigkeiten ist, desto lebhafter findet die Endosmose statt. Die weniger dichte wird von der dichteren mit einer gewissen Kraft durch die Haut hindurchgezogen, während nur ein geringeres Maaß von der dichteren zu der weniger dichten übertritt. Hierauf beruht es, daß der Gärtner saftige Stecklinge erst etwas abwelken läßt, ehe er sie steckt, d. h. er veranlaßt, daß das Zellen- gewebe des Stecklings und namentlich auch an der Schnittfläche einen Theil seines Wassergehaltes verdunstet, wodurch der zurückbleibende Theil
Man nimmt nun an und darf wohl annehmen, daß die Zellen der aufſaugenden Wurzeln eine Flüſſigkeit enthalten, welche eine andere Dichtigkeit hat als das Bodenwaſſer. Dadurch wird die Diffuſion oder Endosmoſe eingeleitet und von den äußerſten aufſaugenden Zellen auf die mehr nach innen liegenden Zellen übertragen, da natürlich auch zwiſchen dieſen und jenen eine Dichtigkeitsverſchiedenheit des Zellſaftes vorhanden ſein muß. Es beruht demnach das Einſaugungsvermögen der Wurzel auf einem ununterbrochenen, von Zelle zu Zelle fortſchreitenden Aus- gleichen der Säftedichtigkeit und auf daran ſich nothwendig anſchließender fortwährenden Störung der Ausgleichung.
Man kann den Vorgang der Endosmoſe leicht durch einen Verſuch kennen lernen.
Einen gewöhnlichen Lampencylinder, deſſen eine Oeffnung mit dünner Schweinsblaſe luftdicht und ſtraff verſchloſſen iſt, füllt man etwa zur Hälfte voll Waſſer, welchem man durch etwas Zucker, Kochſalz, Gummi oder ſonſt einen löslichen Stoff eine größere Dichtigkeit gegeben hat. Zu- gleich giebt man noch etwas von einem färbendem Stoff hinzu (der na- türlich vollkommen löslich ſein muß), um die Wirkung der Endosmoſe beſſer wahrnehmen zu können. Den Glascylinder ſtellt man nun in ein Glas mit Waſſer, ſo daß nun alſo auf der einen Seite der Schweins- blaſe ſich z. B. hellroth gefärbtes Gummiwaſſer, auf der andern reines Waſſer, alſo zwei Flüſſigkeiten von verſchiedener Dichtigkeit, befinden.
Nach kurzer Zeit wird man die Flüſſigkeit in dem Cylinder ſteigen ſehen und am Ende des Experimentes hat man innerhalb und außerhalb deſſelben eine Flüſſigkeit von gleicher Färbung und gleichem Geſchmack — mit einem Worte von gleicher Dichtigkeit. Je größer, bis zu einem ge- wiſſen Grade, die Dichtigkeitsverſchiedenheit der beiden Flüſſigkeiten iſt, deſto lebhafter findet die Endosmoſe ſtatt. Die weniger dichte wird von der dichteren mit einer gewiſſen Kraft durch die Haut hindurchgezogen, während nur ein geringeres Maaß von der dichteren zu der weniger dichten übertritt. Hierauf beruht es, daß der Gärtner ſaftige Stecklinge erſt etwas abwelken läßt, ehe er ſie ſteckt, d. h. er veranlaßt, daß das Zellen- gewebe des Stecklings und namentlich auch an der Schnittfläche einen Theil ſeines Waſſergehaltes verdunſtet, wodurch der zurückbleibende Theil
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[152/0176]
Man nimmt nun an und darf wohl annehmen, daß die Zellen der
aufſaugenden Wurzeln eine Flüſſigkeit enthalten, welche eine andere
Dichtigkeit hat als das Bodenwaſſer. Dadurch wird die Diffuſion oder
Endosmoſe eingeleitet und von den äußerſten aufſaugenden Zellen auf die
mehr nach innen liegenden Zellen übertragen, da natürlich auch zwiſchen
dieſen und jenen eine Dichtigkeitsverſchiedenheit des Zellſaftes vorhanden
ſein muß. Es beruht demnach das Einſaugungsvermögen der Wurzel
auf einem ununterbrochenen, von Zelle zu Zelle fortſchreitenden Aus-
gleichen der Säftedichtigkeit und auf daran ſich nothwendig anſchließender
fortwährenden Störung der Ausgleichung.
Man kann den Vorgang der Endosmoſe leicht durch einen Verſuch
kennen lernen.
Einen gewöhnlichen Lampencylinder, deſſen eine Oeffnung mit dünner
Schweinsblaſe luftdicht und ſtraff verſchloſſen iſt, füllt man etwa zur
Hälfte voll Waſſer, welchem man durch etwas Zucker, Kochſalz, Gummi
oder ſonſt einen löslichen Stoff eine größere Dichtigkeit gegeben hat. Zu-
gleich giebt man noch etwas von einem färbendem Stoff hinzu (der na-
türlich vollkommen löslich ſein muß), um die Wirkung der Endosmoſe
beſſer wahrnehmen zu können. Den Glascylinder ſtellt man nun in ein
Glas mit Waſſer, ſo daß nun alſo auf der einen Seite der Schweins-
blaſe ſich z. B. hellroth gefärbtes Gummiwaſſer, auf der andern reines
Waſſer, alſo zwei Flüſſigkeiten von verſchiedener Dichtigkeit, befinden.
Nach kurzer Zeit wird man die Flüſſigkeit in dem Cylinder ſteigen
ſehen und am Ende des Experimentes hat man innerhalb und außerhalb
deſſelben eine Flüſſigkeit von gleicher Färbung und gleichem Geſchmack —
mit einem Worte von gleicher Dichtigkeit. Je größer, bis zu einem ge-
wiſſen Grade, die Dichtigkeitsverſchiedenheit der beiden Flüſſigkeiten iſt,
deſto lebhafter findet die Endosmoſe ſtatt. Die weniger dichte wird von
der dichteren mit einer gewiſſen Kraft durch die Haut hindurchgezogen,
während nur ein geringeres Maaß von der dichteren zu der weniger dichten
übertritt. Hierauf beruht es, daß der Gärtner ſaftige Stecklinge erſt
etwas abwelken läßt, ehe er ſie ſteckt, d. h. er veranlaßt, daß das Zellen-
gewebe des Stecklings und namentlich auch an der Schnittfläche einen
Theil ſeines Waſſergehaltes verdunſtet, wodurch der zurückbleibende Theil
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/176>, abgerufen am 22.12.2024.
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