bei den Laubhölzern, daher es schwerer ist einen lebenden Fichtenzweig vom Stamme abzureißen, als von irgend welchem Laubholzbaume.
Darum sehen wir auch in jedem Nadelwalde an jedem Baume eine Menge Aststummel stehen, die, wenn sie nicht zu lang waren, zum Theil nach und nach in den dicker werdenden Stamm gewissermaßen hinein- wachsen, was bei den Laubhölzern viel weniger der Fall ist. Wir dürfen nur auf unsere fichtenen Stubendielen sehen, um an den zahlreichen "Astlöchern" die Bestätigung hiervon zu erhalten. An dem aus der Mitte des Stammes geschnittenen Bret sehen wir auch immer die ein- gewachsenen Aststummel vom Marke aus die Holzfasern schräg durch- setzen, scharf von diesen abgegrenzt.
Wenn aber auch äußerlich am alten Baumstamme der artkennzeich- nenden Merkmale wenige und noch weniger der altersbestimmenden sind, so zeigen sich dafür beide in desto reicherem Maaße in seinem Innern. Wir wollen daher, nachdem wir die Gesetze seines äußeren Aufbaues kennen gelernt haben, uns mit denen seines inwendigen Lebens und Ge- staltens bekannt machen.
Wir können dabei von einer breiten Grundlage von Allbekanntem ausgehen. Mark, Holz und Rinde kennen wir alle als die drei un- fehlbaren Haupttheile eines Pflanzenstengels aus der Abtheilung der zwei- saamenlappigen Gewächse; wenn wir auch das Mark eines alten Baum- stammes nur zufällig einmal an den Scheitchen unseres Holzkorbes oder an einem Brete sehen, für welches der Sägeschnitt sehr gegen den Wunsch des Käufers zufällig gerade durch das Mark ging und dadurch einen Fehler, eine weiche Linie, bekam.
Weil man im Ganzen an Bretern oder aus denselben gearbeiteten Dingen so selten den Markcylinder zu sehen bekommt, so hat sich wohl hie und da der Irrthum eingenistet, als werde am alten Baume das Mark so stark zusammengedrückt, daß es zuletzt verschwinde. Ein solcher Druck findet nicht statt und das Mark verschwindet auch im ältesten Baumstamme nicht, es sei denn durch Ausfaulen mit dem Kern. Schon der Umstand, daß das Holz aus zahlreichen, einander umschließenden walzenförmigen Schichten besteht, also ein echtes Tonnengewölbe ist, müßte jeden Gedanken an eine Zusammenpressung des Innern fern halten.
bei den Laubhölzern, daher es ſchwerer iſt einen lebenden Fichtenzweig vom Stamme abzureißen, als von irgend welchem Laubholzbaume.
Darum ſehen wir auch in jedem Nadelwalde an jedem Baume eine Menge Aſtſtummel ſtehen, die, wenn ſie nicht zu lang waren, zum Theil nach und nach in den dicker werdenden Stamm gewiſſermaßen hinein- wachſen, was bei den Laubhölzern viel weniger der Fall iſt. Wir dürfen nur auf unſere fichtenen Stubendielen ſehen, um an den zahlreichen „Aſtlöchern“ die Beſtätigung hiervon zu erhalten. An dem aus der Mitte des Stammes geſchnittenen Bret ſehen wir auch immer die ein- gewachſenen Aſtſtummel vom Marke aus die Holzfaſern ſchräg durch- ſetzen, ſcharf von dieſen abgegrenzt.
Wenn aber auch äußerlich am alten Baumſtamme der artkennzeich- nenden Merkmale wenige und noch weniger der altersbeſtimmenden ſind, ſo zeigen ſich dafür beide in deſto reicherem Maaße in ſeinem Innern. Wir wollen daher, nachdem wir die Geſetze ſeines äußeren Aufbaues kennen gelernt haben, uns mit denen ſeines inwendigen Lebens und Ge- ſtaltens bekannt machen.
Wir können dabei von einer breiten Grundlage von Allbekanntem ausgehen. Mark, Holz und Rinde kennen wir alle als die drei un- fehlbaren Haupttheile eines Pflanzenſtengels aus der Abtheilung der zwei- ſaamenlappigen Gewächſe; wenn wir auch das Mark eines alten Baum- ſtammes nur zufällig einmal an den Scheitchen unſeres Holzkorbes oder an einem Brete ſehen, für welches der Sägeſchnitt ſehr gegen den Wunſch des Käufers zufällig gerade durch das Mark ging und dadurch einen Fehler, eine weiche Linie, bekam.
Weil man im Ganzen an Bretern oder aus denſelben gearbeiteten Dingen ſo ſelten den Markcylinder zu ſehen bekommt, ſo hat ſich wohl hie und da der Irrthum eingeniſtet, als werde am alten Baume das Mark ſo ſtark zuſammengedrückt, daß es zuletzt verſchwinde. Ein ſolcher Druck findet nicht ſtatt und das Mark verſchwindet auch im älteſten Baumſtamme nicht, es ſei denn durch Ausfaulen mit dem Kern. Schon der Umſtand, daß das Holz aus zahlreichen, einander umſchließenden walzenförmigen Schichten beſteht, alſo ein echtes Tonnengewölbe iſt, müßte jeden Gedanken an eine Zuſammenpreſſung des Innern fern halten.
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[84/0108]
bei den Laubhölzern, daher es ſchwerer iſt einen lebenden Fichtenzweig
vom Stamme abzureißen, als von irgend welchem Laubholzbaume.
Darum ſehen wir auch in jedem Nadelwalde an jedem Baume eine
Menge Aſtſtummel ſtehen, die, wenn ſie nicht zu lang waren, zum Theil
nach und nach in den dicker werdenden Stamm gewiſſermaßen hinein-
wachſen, was bei den Laubhölzern viel weniger der Fall iſt. Wir dürfen
nur auf unſere fichtenen Stubendielen ſehen, um an den zahlreichen
„Aſtlöchern“ die Beſtätigung hiervon zu erhalten. An dem aus der
Mitte des Stammes geſchnittenen Bret ſehen wir auch immer die ein-
gewachſenen Aſtſtummel vom Marke aus die Holzfaſern ſchräg durch-
ſetzen, ſcharf von dieſen abgegrenzt.
Wenn aber auch äußerlich am alten Baumſtamme der artkennzeich-
nenden Merkmale wenige und noch weniger der altersbeſtimmenden ſind,
ſo zeigen ſich dafür beide in deſto reicherem Maaße in ſeinem Innern.
Wir wollen daher, nachdem wir die Geſetze ſeines äußeren Aufbaues
kennen gelernt haben, uns mit denen ſeines inwendigen Lebens und Ge-
ſtaltens bekannt machen.
Wir können dabei von einer breiten Grundlage von Allbekanntem
ausgehen. Mark, Holz und Rinde kennen wir alle als die drei un-
fehlbaren Haupttheile eines Pflanzenſtengels aus der Abtheilung der zwei-
ſaamenlappigen Gewächſe; wenn wir auch das Mark eines alten Baum-
ſtammes nur zufällig einmal an den Scheitchen unſeres Holzkorbes oder
an einem Brete ſehen, für welches der Sägeſchnitt ſehr gegen den Wunſch
des Käufers zufällig gerade durch das Mark ging und dadurch einen
Fehler, eine weiche Linie, bekam.
Weil man im Ganzen an Bretern oder aus denſelben gearbeiteten
Dingen ſo ſelten den Markcylinder zu ſehen bekommt, ſo hat ſich wohl
hie und da der Irrthum eingeniſtet, als werde am alten Baume das
Mark ſo ſtark zuſammengedrückt, daß es zuletzt verſchwinde. Ein ſolcher
Druck findet nicht ſtatt und das Mark verſchwindet auch im älteſten
Baumſtamme nicht, es ſei denn durch Ausfaulen mit dem Kern. Schon
der Umſtand, daß das Holz aus zahlreichen, einander umſchließenden
walzenförmigen Schichten beſteht, alſo ein echtes Tonnengewölbe iſt,
müßte jeden Gedanken an eine Zuſammenpreſſung des Innern fern
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/108>, abgerufen am 22.12.2024.
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