Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Fünfte Betr. Die Bereitwilligkeit ger hast. Jer. 3, 12. 13. Wer seine Miße-that leugnet, dem wirds nicht gelingen; wer sie aber bekennet und läßet, der wird Barm- herzigkeit erlangen. Sprüchw. 28, 13. So wir sagen, wir haben keine Sünde, so betriegen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. So wir aber unsere Sünden bekennen, so ist Gott treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergiebt, und reiniget uns von aller Untugend. 1 Joh. 1, 8. 9. Und das bringt auch die Natur und Beschaffenheit der Reue mit sich. Wenn iemand, der uns beleidiget hat, uns das zugefügte Unrecht noch so demüthig abbäte, wir wüsten aber, daß er nicht einmahl im Ernste glaubte, uns beleidiget zu haben, daß er vielmehr gesonnen wäre, in Zukunft eben das zu thun, was uns mißfällig war, würden wir nicht alle seine Versicherungen von Reue und Betrübnis über sein Unrecht für Unwahrheit und Verstellung halten? Und Menschen sind so unbesonnen, daß sie sich ein- bilden, sie könnten Gott den Allwißenden durch de- müthige Worte und traurige Geberden hintergehen, und ihn bewegen, daß er heuchlerische Versicherun- gen für wahre Betrübnis und Reue annehme, wenn sie auch gleich nicht einmahl selber glaubten, daß es mit ihren Sünden viel auf sich habe. Da dieses gewiß sehr thöricht und ungereimt ist, so folgt noth- wendig, daß alsdann erst die Reue rechter Art und Gott wohlgefällig sey, wenn der Sünder über sei- nen bisherigen Lebenswandel nachgedacht, und ein- gesehen hat, daß er diesen und ienen Lastern erge- ben
Fünfte Betr. Die Bereitwilligkeit ger haſt. Jer. 3, 12. 13. Wer ſeine Miße-that leugnet, dem wirds nicht gelingen; wer ſie aber bekennet und läßet, der wird Barm- herzigkeit erlangen. Sprüchw. 28, 13. So wir ſagen, wir haben keine Sünde, ſo betriegen wir uns ſelbſt, und die Wahrheit iſt nicht in uns. So wir aber unſere Sünden bekennen, ſo iſt Gott treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergiebt, und reiniget uns von aller Untugend. 1 Joh. 1, 8. 9. Und das bringt auch die Natur und Beſchaffenheit der Reue mit ſich. Wenn iemand, der uns beleidiget hat, uns das zugefügte Unrecht noch ſo demüthig abbäte, wir wüſten aber, daß er nicht einmahl im Ernſte glaubte, uns beleidiget zu haben, daß er vielmehr geſonnen wäre, in Zukunft eben das zu thun, was uns mißfällig war, würden wir nicht alle ſeine Verſicherungen von Reue und Betrübnis über ſein Unrecht für Unwahrheit und Verſtellung halten? Und Menſchen ſind ſo unbeſonnen, daß ſie ſich ein- bilden, ſie könnten Gott den Allwißenden durch de- müthige Worte und traurige Geberden hintergehen, und ihn bewegen, daß er heuchleriſche Verſicherun- gen für wahre Betrübnis und Reue annehme, wenn ſie auch gleich nicht einmahl ſelber glaubten, daß es mit ihren Sünden viel auf ſich habe. Da dieſes gewiß ſehr thöricht und ungereimt iſt, ſo folgt noth- wendig, daß alsdann erſt die Reue rechter Art und Gott wohlgefällig ſey, wenn der Sünder über ſei- nen bisherigen Lebenswandel nachgedacht, und ein- geſehen hat, daß er dieſen und ienen Laſtern erge- ben
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0072" n="60"/><fw place="top" type="header">Fünfte Betr. Die Bereitwilligkeit</fw><lb/><hi rendition="#fr">ger haſt.</hi> Jer. 3, 12. 13. <hi rendition="#fr">Wer ſeine Miße-<lb/> that leugnet, dem wirds nicht gelingen; wer<lb/> ſie aber bekennet und läßet, der wird Barm-<lb/> herzigkeit erlangen.</hi> Sprüchw. 28, 13. <hi rendition="#fr">So wir<lb/> ſagen, wir haben keine Sünde, ſo betriegen<lb/> wir uns ſelbſt, und die Wahrheit iſt nicht in<lb/> uns. So wir aber unſere Sünden bekennen,<lb/> ſo iſt Gott treu und gerecht, daß er uns die<lb/> Sünden vergiebt, und reiniget uns von aller<lb/> Untugend.</hi> 1 Joh. 1, 8. 9. Und das bringt<lb/> auch die Natur und Beſchaffenheit der Reue mit<lb/> ſich. Wenn iemand, der uns beleidiget hat, uns<lb/> das zugefügte Unrecht noch ſo demüthig abbäte,<lb/> wir wüſten aber, daß er nicht einmahl im Ernſte<lb/> glaubte, uns beleidiget zu haben, daß er vielmehr<lb/> geſonnen wäre, in Zukunft eben das zu thun, was<lb/> uns mißfällig war, würden wir nicht alle ſeine<lb/> Verſicherungen von Reue und Betrübnis über ſein<lb/> Unrecht für Unwahrheit und Verſtellung halten?<lb/> Und Menſchen ſind ſo unbeſonnen, daß ſie ſich ein-<lb/> bilden, ſie könnten Gott den Allwißenden durch de-<lb/> müthige Worte und traurige Geberden hintergehen,<lb/> und ihn bewegen, daß er heuchleriſche Verſicherun-<lb/> gen für wahre Betrübnis und Reue annehme, wenn<lb/> ſie auch gleich nicht einmahl ſelber glaubten, daß es<lb/> mit ihren Sünden viel auf ſich habe. Da dieſes<lb/> gewiß ſehr thöricht und ungereimt iſt, ſo folgt noth-<lb/> wendig, daß alsdann erſt die Reue rechter Art und<lb/> Gott wohlgefällig ſey, wenn der Sünder über ſei-<lb/> nen bisherigen Lebenswandel nachgedacht, und ein-<lb/> geſehen hat, daß er dieſen und ienen Laſtern erge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ben</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0072]
Fünfte Betr. Die Bereitwilligkeit
ger haſt. Jer. 3, 12. 13. Wer ſeine Miße-
that leugnet, dem wirds nicht gelingen; wer
ſie aber bekennet und läßet, der wird Barm-
herzigkeit erlangen. Sprüchw. 28, 13. So wir
ſagen, wir haben keine Sünde, ſo betriegen
wir uns ſelbſt, und die Wahrheit iſt nicht in
uns. So wir aber unſere Sünden bekennen,
ſo iſt Gott treu und gerecht, daß er uns die
Sünden vergiebt, und reiniget uns von aller
Untugend. 1 Joh. 1, 8. 9. Und das bringt
auch die Natur und Beſchaffenheit der Reue mit
ſich. Wenn iemand, der uns beleidiget hat, uns
das zugefügte Unrecht noch ſo demüthig abbäte,
wir wüſten aber, daß er nicht einmahl im Ernſte
glaubte, uns beleidiget zu haben, daß er vielmehr
geſonnen wäre, in Zukunft eben das zu thun, was
uns mißfällig war, würden wir nicht alle ſeine
Verſicherungen von Reue und Betrübnis über ſein
Unrecht für Unwahrheit und Verſtellung halten?
Und Menſchen ſind ſo unbeſonnen, daß ſie ſich ein-
bilden, ſie könnten Gott den Allwißenden durch de-
müthige Worte und traurige Geberden hintergehen,
und ihn bewegen, daß er heuchleriſche Verſicherun-
gen für wahre Betrübnis und Reue annehme, wenn
ſie auch gleich nicht einmahl ſelber glaubten, daß es
mit ihren Sünden viel auf ſich habe. Da dieſes
gewiß ſehr thöricht und ungereimt iſt, ſo folgt noth-
wendig, daß alsdann erſt die Reue rechter Art und
Gott wohlgefällig ſey, wenn der Sünder über ſei-
nen bisherigen Lebenswandel nachgedacht, und ein-
geſehen hat, daß er dieſen und ienen Laſtern erge-
ben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |