hinweg, so wird das menschliche Leben aufhören ein Stand der Erziehung zu seyn, so würden wir ganz andere Geschöpfe seyn müßen, die gar nicht nöthig hätten stufenweise zu einem vollkommnern Zustande tüchtig gemacht zu werden.
Aus dem allen erkennen wir, wie weise die göttliche Einrichtung sey, daß er uns ietzt im Glauben, und nicht im Schauen wandeln läßt. Es folgt daraus ganz und gar nicht, daß kein zu- künftiger Zustand zu erwarten sey. Vernunft, und vornemlich die göttliche Offenbarung giebt uns davon so viel Gewißheit, als nöthig ist, uns zu einem christlichtugendhaften Verhalten zu ermun- tern, wenn gleich die Deutlichkeit dieser Erkennt- nis nicht so groß ist, daß unsere Aufmerksamkeit da- durch völlig von der gegenwärtigen Welt abgezogen, oder der Eindruck sinnlicher Dinge ganz überwun- den wird. Wir haben nicht Ursache mehr Licht und Deutlichkeit zu verlangen; denn das gegenwärtige Le- ben ist doch nichts anders als der Stand unserer Kind- heit, da unsere Kräfte und Fähigkeiten erst nach und nach gebildet, und stufenweise zur höhern Vollkommen- heit empor gehoben werden müßen. Wir wollen also mit unserm ietzigen Zustande zufrieden seyn, und nur dieienigen Kräfte und Fähigkeiten, die uns wirklich verliehen sind, gehörig anwenden. Mit der Zeit werden wir auch Männer werden, stärkere Ein- sichten bekommen, und uns freuen, daß wir die Jahre unserer Kindheit so gut angewendet haben.
Aber gut müßen wir die Jahre unserer Kind- heit auf Erden anwenden, wenn wir es in ienem vollkommnern Zustande gut haben wollen. Wenn
ein
Siebzehnte Betr. Von den Urſachen,
hinweg, ſo wird das menſchliche Leben aufhören ein Stand der Erziehung zu ſeyn, ſo würden wir ganz andere Geſchöpfe ſeyn müßen, die gar nicht nöthig hätten ſtufenweiſe zu einem vollkommnern Zuſtande tüchtig gemacht zu werden.
Aus dem allen erkennen wir, wie weiſe die göttliche Einrichtung ſey, daß er uns ietzt im Glauben, und nicht im Schauen wandeln läßt. Es folgt daraus ganz und gar nicht, daß kein zu- künftiger Zuſtand zu erwarten ſey. Vernunft, und vornemlich die göttliche Offenbarung giebt uns davon ſo viel Gewißheit, als nöthig iſt, uns zu einem chriſtlichtugendhaften Verhalten zu ermun- tern, wenn gleich die Deutlichkeit dieſer Erkennt- nis nicht ſo groß iſt, daß unſere Aufmerkſamkeit da- durch völlig von der gegenwärtigen Welt abgezogen, oder der Eindruck ſinnlicher Dinge ganz überwun- den wird. Wir haben nicht Urſache mehr Licht und Deutlichkeit zu verlangen; denn das gegenwärtige Le- ben iſt doch nichts anders als der Stand unſerer Kind- heit, da unſere Kräfte und Fähigkeiten erſt nach und nach gebildet, und ſtufenweiſe zur höhern Vollkommen- heit empor gehoben werden müßen. Wir wollen alſo mit unſerm ietzigen Zuſtande zufrieden ſeyn, und nur dieienigen Kräfte und Fähigkeiten, die uns wirklich verliehen ſind, gehörig anwenden. Mit der Zeit werden wir auch Männer werden, ſtärkere Ein- ſichten bekommen, und uns freuen, daß wir die Jahre unſerer Kindheit ſo gut angewendet haben.
Aber gut müßen wir die Jahre unſerer Kind- heit auf Erden anwenden, wenn wir es in ienem vollkommnern Zuſtande gut haben wollen. Wenn
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[266[264]/0276]
Siebzehnte Betr. Von den Urſachen,
hinweg, ſo wird das menſchliche Leben aufhören
ein Stand der Erziehung zu ſeyn, ſo würden wir
ganz andere Geſchöpfe ſeyn müßen, die gar nicht
nöthig hätten ſtufenweiſe zu einem vollkommnern
Zuſtande tüchtig gemacht zu werden.
Aus dem allen erkennen wir, wie weiſe die
göttliche Einrichtung ſey, daß er uns ietzt im
Glauben, und nicht im Schauen wandeln läßt.
Es folgt daraus ganz und gar nicht, daß kein zu-
künftiger Zuſtand zu erwarten ſey. Vernunft,
und vornemlich die göttliche Offenbarung giebt uns
davon ſo viel Gewißheit, als nöthig iſt, uns zu
einem chriſtlichtugendhaften Verhalten zu ermun-
tern, wenn gleich die Deutlichkeit dieſer Erkennt-
nis nicht ſo groß iſt, daß unſere Aufmerkſamkeit da-
durch völlig von der gegenwärtigen Welt abgezogen,
oder der Eindruck ſinnlicher Dinge ganz überwun-
den wird. Wir haben nicht Urſache mehr Licht und
Deutlichkeit zu verlangen; denn das gegenwärtige Le-
ben iſt doch nichts anders als der Stand unſerer Kind-
heit, da unſere Kräfte und Fähigkeiten erſt nach und
nach gebildet, und ſtufenweiſe zur höhern Vollkommen-
heit empor gehoben werden müßen. Wir wollen alſo
mit unſerm ietzigen Zuſtande zufrieden ſeyn, und nur
dieienigen Kräfte und Fähigkeiten, die uns wirklich
verliehen ſind, gehörig anwenden. Mit der Zeit
werden wir auch Männer werden, ſtärkere Ein-
ſichten bekommen, und uns freuen, daß wir die
Jahre unſerer Kindheit ſo gut angewendet haben.
Aber gut müßen wir die Jahre unſerer Kind-
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vollkommnern Zuſtande gut haben wollen. Wenn
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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 266[264]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/276>, abgerufen am 16.02.2025.
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