Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Siebzehnte Betr. Von den Ursachen, stellen pflegen; wenn uns nur einige Blicke in ienegroße Herrlichkeit gegönnet würden; wie ganz an- ders würden wir von der gegenwärtigen Welt, und ihren Gütern und Freuden urtheilen! Die Ver- suchungen würden dann keine so starke Gewalt mehr über unsere Gemüther haben. Wir würden uns nicht mehr von unsern Leidenschaften dahin reißen laßen, mit Beleidigung unsers Nebenmenschen und Verletzung unsers Gewißens nach solchen Din- gen zu trachten, die mit ienen himmlischen Gü- tern verglichen, einen so geringen Werth haben. Kurz, wir würden mit weit mehr Ernst und Eifer, als wir gemeiniglich zu thun gewohnt sind, nach dem Kleinode trachten, das uns die himmlische Berufung in Christo Jesu vorhält. So urtheilen wir, wenn wir die Sache nur obenhin betrachten. Ob aber dieses Urtheil richtig ist, das verdient ei- ne genauere Untersuchung, und dieses um so viel mehr, da einige Zweifel wider die göttliche Güte und Weisheit, auf diese Weise am sichersten kön- nen gehoben werden. Wir wollen zu dem Ende die angeführten Worte Pauli etwas näher betrach- ten, und dann uns bemühen, einige wahrschein- liche Ursachen ausfindig zu machen, warum uns Gott die Beschaffenheit ienes künftigen Zustan- des nicht deutlicher hat entdecken laßen. Unser Wißen ist Stückwerk, und unser dar-
Siebzehnte Betr. Von den Urſachen, ſtellen pflegen; wenn uns nur einige Blicke in ienegroße Herrlichkeit gegönnet würden; wie ganz an- ders würden wir von der gegenwärtigen Welt, und ihren Gütern und Freuden urtheilen! Die Ver- ſuchungen würden dann keine ſo ſtarke Gewalt mehr über unſere Gemüther haben. Wir würden uns nicht mehr von unſern Leidenſchaften dahin reißen laßen, mit Beleidigung unſers Nebenmenſchen und Verletzung unſers Gewißens nach ſolchen Din- gen zu trachten, die mit ienen himmliſchen Gü- tern verglichen, einen ſo geringen Werth haben. Kurz, wir würden mit weit mehr Ernſt und Eifer, als wir gemeiniglich zu thun gewohnt ſind, nach dem Kleinode trachten, das uns die himmliſche Berufung in Chriſto Jeſu vorhält. So urtheilen wir, wenn wir die Sache nur obenhin betrachten. Ob aber dieſes Urtheil richtig iſt, das verdient ei- ne genauere Unterſuchung, und dieſes um ſo viel mehr, da einige Zweifel wider die göttliche Güte und Weisheit, auf dieſe Weiſe am ſicherſten kön- nen gehoben werden. Wir wollen zu dem Ende die angeführten Worte Pauli etwas näher betrach- ten, und dann uns bemühen, einige wahrſchein- liche Urſachen ausfindig zu machen, warum uns Gott die Beſchaffenheit ienes künftigen Zuſtan- des nicht deutlicher hat entdecken laßen. Unſer Wißen iſt Stückwerk, und unſer dar-
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Siebzehnte Betr. Von den Urſachen,
ſtellen pflegen; wenn uns nur einige Blicke in iene
große Herrlichkeit gegönnet würden; wie ganz an-
ders würden wir von der gegenwärtigen Welt, und
ihren Gütern und Freuden urtheilen! Die Ver-
ſuchungen würden dann keine ſo ſtarke Gewalt mehr
über unſere Gemüther haben. Wir würden uns
nicht mehr von unſern Leidenſchaften dahin reißen
laßen, mit Beleidigung unſers Nebenmenſchen
und Verletzung unſers Gewißens nach ſolchen Din-
gen zu trachten, die mit ienen himmliſchen Gü-
tern verglichen, einen ſo geringen Werth haben.
Kurz, wir würden mit weit mehr Ernſt und Eifer,
als wir gemeiniglich zu thun gewohnt ſind, nach
dem Kleinode trachten, das uns die himmliſche
Berufung in Chriſto Jeſu vorhält. So urtheilen
wir, wenn wir die Sache nur obenhin betrachten.
Ob aber dieſes Urtheil richtig iſt, das verdient ei-
ne genauere Unterſuchung, und dieſes um ſo viel
mehr, da einige Zweifel wider die göttliche Güte
und Weisheit, auf dieſe Weiſe am ſicherſten kön-
nen gehoben werden. Wir wollen zu dem Ende
die angeführten Worte Pauli etwas näher betrach-
ten, und dann uns bemühen, einige wahrſchein-
liche Urſachen ausfindig zu machen, warum uns
Gott die Beſchaffenheit ienes künftigen Zuſtan-
des nicht deutlicher hat entdecken laßen.
Unſer Wißen iſt Stückwerk, und unſer
Weißagen iſt Stückwerk. Der Apoſtel hatte in
den vorhergehenden Worten die Pflicht der Men-
ſchenliebe auf das nachdrücklichſte empfohlen, und
die Vortreflichkeit dieſer Tugend unter andern auch
dar-
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