Gott hat uns zwar in seinem Worte die Ver- sicherung gegeben, daß uns nach diesem ge- genwärtigen Leben eine andere Zukunft bevorstehe; daß er seine rechtschaffenen Verehrer aus Gnaden ewig belohnen, und seine Verächter hingegen be- strafen werde; daß die Glückseeligkeit der Seeligen eben so wohl als das Elend der Verdammten un- aussprechlich groß seyn werde: aber die eigentliche Beschaffenheit dieses künftigen Zustandes wird uns mehrentheils nur unter Bildern, die von sichtba- ren Dingen hergenommen sind, vorgestellet. Die- se unvollkommene Beschreibungen leisten den wenig- sten Menschen Genüge. Sie möchten mehr wis- sen; ihr Vorwitz forscht nach tausenderley Dingen, worüber kein Mensch eine befriedigende Erklärung geben kan; und manche sind nur gar zu sehr ge- neigt, sich den Himmel so vorzustellen, wie es ih- ren Wünschen und Neigungen gemäß ist. Noch andere halten sich berechtiget, an einem künftigen Lebenszustande gar zu zweifeln, weil ia doch nie- mand in der andern Welt gewesen, und gesehen habe, wie es dort zugehet. Auch gutgesinnte Ge- müther wünschten bisweilen etwas mehr davon zu wißen, als uns geoffenbaret ist. Und es möchte auch in der That scheinen, als ob es von großem Nutzen seyn würde, wenn wir ein recht lebhaftes Gemählde von den Freuden des zukünftigen Lebens entwerfen, und daßelbe uns und unsern Mitchri- sten recht oft zur Betrachtung aufstellen könnten. Wenn wir im Stande wären, uns die Glückseelig- keit des Himmels so vorzustellen, wie wir uns et- was, das wir mit Augen gesehen haben, vorzu-
stellen
warum uns Gott die Beſchaffenh. ꝛc.
Gott hat uns zwar in ſeinem Worte die Ver- ſicherung gegeben, daß uns nach dieſem ge- genwärtigen Leben eine andere Zukunft bevorſtehe; daß er ſeine rechtſchaffenen Verehrer aus Gnaden ewig belohnen, und ſeine Verächter hingegen be- ſtrafen werde; daß die Glückſeeligkeit der Seeligen eben ſo wohl als das Elend der Verdammten un- ausſprechlich groß ſeyn werde: aber die eigentliche Beſchaffenheit dieſes künftigen Zuſtandes wird uns mehrentheils nur unter Bildern, die von ſichtba- ren Dingen hergenommen ſind, vorgeſtellet. Die- ſe unvollkommene Beſchreibungen leiſten den wenig- ſten Menſchen Genüge. Sie möchten mehr wiſ- ſen; ihr Vorwitz forſcht nach tauſenderley Dingen, worüber kein Menſch eine befriedigende Erklärung geben kan; und manche ſind nur gar zu ſehr ge- neigt, ſich den Himmel ſo vorzuſtellen, wie es ih- ren Wünſchen und Neigungen gemäß iſt. Noch andere halten ſich berechtiget, an einem künftigen Lebenszuſtande gar zu zweifeln, weil ia doch nie- mand in der andern Welt geweſen, und geſehen habe, wie es dort zugehet. Auch gutgeſinnte Ge- müther wünſchten bisweilen etwas mehr davon zu wißen, als uns geoffenbaret iſt. Und es möchte auch in der That ſcheinen, als ob es von großem Nutzen ſeyn würde, wenn wir ein recht lebhaftes Gemählde von den Freuden des zukünftigen Lebens entwerfen, und daßelbe uns und unſern Mitchri- ſten recht oft zur Betrachtung aufſtellen könnten. Wenn wir im Stande wären, uns die Glückſeelig- keit des Himmels ſo vorzuſtellen, wie wir uns et- was, das wir mit Augen geſehen haben, vorzu-
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[257[255]/0267]
warum uns Gott die Beſchaffenh. ꝛc.
Gott hat uns zwar in ſeinem Worte die Ver-
ſicherung gegeben, daß uns nach dieſem ge-
genwärtigen Leben eine andere Zukunft bevorſtehe;
daß er ſeine rechtſchaffenen Verehrer aus Gnaden
ewig belohnen, und ſeine Verächter hingegen be-
ſtrafen werde; daß die Glückſeeligkeit der Seeligen
eben ſo wohl als das Elend der Verdammten un-
ausſprechlich groß ſeyn werde: aber die eigentliche
Beſchaffenheit dieſes künftigen Zuſtandes wird uns
mehrentheils nur unter Bildern, die von ſichtba-
ren Dingen hergenommen ſind, vorgeſtellet. Die-
ſe unvollkommene Beſchreibungen leiſten den wenig-
ſten Menſchen Genüge. Sie möchten mehr wiſ-
ſen; ihr Vorwitz forſcht nach tauſenderley Dingen,
worüber kein Menſch eine befriedigende Erklärung
geben kan; und manche ſind nur gar zu ſehr ge-
neigt, ſich den Himmel ſo vorzuſtellen, wie es ih-
ren Wünſchen und Neigungen gemäß iſt. Noch
andere halten ſich berechtiget, an einem künftigen
Lebenszuſtande gar zu zweifeln, weil ia doch nie-
mand in der andern Welt geweſen, und geſehen
habe, wie es dort zugehet. Auch gutgeſinnte Ge-
müther wünſchten bisweilen etwas mehr davon zu
wißen, als uns geoffenbaret iſt. Und es möchte
auch in der That ſcheinen, als ob es von großem
Nutzen ſeyn würde, wenn wir ein recht lebhaftes
Gemählde von den Freuden des zukünftigen Lebens
entwerfen, und daßelbe uns und unſern Mitchri-
ſten recht oft zur Betrachtung aufſtellen könnten.
Wenn wir im Stande wären, uns die Glückſeelig-
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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 257[255]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/267>, abgerufen am 18.07.2024.
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