Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Funfzehnte Betr. Von der de nicht mancher, den wir bisher für einen ehrli-chen Mann gehalten haben, in seiner völligen Blöße, als der abscheulichste Bösewicht erscheinen? Aber sie werden gewiß einmal an das Tageslicht kommen, ihr Heuchler! sie werden ans Licht kom- men, alle eure Bosheiten und Laster, die ihr in Hoffnung verborgen zu bleiben, so dreiste und sicher begehet. Ihr sterbet, euer Nahme wird unter den Lebendigen vergeßen -- aber eure Werke folgen euch in die Ewigkeit nach, und einstens werden alle Engel und Menschen eure Schande erfahren. Was wollt ihr denn antworten? Wie wollt ihr leugnen, wenn der Allwißende als Zeuge wider euch auftritt, der eure Bosheiten gesehen und in sein Buch aufgeschrieben hat? Wo wollt ihr hin, seinem schröcklichen fürchterlichen Urtheil zu entge- hen? Wo wollt ihr hingehen vor seinem Geist, und wo wollt ihr hinfliehen vor seinem Angesicht? Könntet ihr auch mit schnellem Flug bis an das äußerste Ende der gränzenlosen Schöpfung forteilen; eurem Schöpfer und Richter würdet ihr warlich nicht entfliehen. Vergeblich werdet ihr dann ruf- fen: Ihr Berge fallet auf uns, und ihr Hügel decket uns. Wie könnten euch Berge, Hügel und Felsenklüfte vor der Ungnade des Allmächtigen schützen? Nun so will ich denn schon ietzt die Allgegen- ver-
Funfzehnte Betr. Von der de nicht mancher, den wir bisher für einen ehrli-chen Mann gehalten haben, in ſeiner völligen Blöße, als der abſcheulichſte Böſewicht erſcheinen? Aber ſie werden gewiß einmal an das Tageslicht kommen, ihr Heuchler! ſie werden ans Licht kom- men, alle eure Bosheiten und Laſter, die ihr in Hoffnung verborgen zu bleiben, ſo dreiſte und ſicher begehet. Ihr ſterbet, euer Nahme wird unter den Lebendigen vergeßen — aber eure Werke folgen euch in die Ewigkeit nach, und einſtens werden alle Engel und Menſchen eure Schande erfahren. Was wollt ihr denn antworten? Wie wollt ihr leugnen, wenn der Allwißende als Zeuge wider euch auftritt, der eure Bosheiten geſehen und in ſein Buch aufgeſchrieben hat? Wo wollt ihr hin, ſeinem ſchröcklichen fürchterlichen Urtheil zu entge- hen? Wo wollt ihr hingehen vor ſeinem Geiſt, und wo wollt ihr hinfliehen vor ſeinem Angeſicht? Könntet ihr auch mit ſchnellem Flug bis an das äußerſte Ende der gränzenloſen Schöpfung forteilen; eurem Schöpfer und Richter würdet ihr warlich nicht entfliehen. Vergeblich werdet ihr dann ruf- fen: Ihr Berge fallet auf uns, und ihr Hügel decket uns. Wie könnten euch Berge, Hügel und Felſenklüfte vor der Ungnade des Allmächtigen ſchützen? Nun ſo will ich denn ſchon ietzt die Allgegen- ver-
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Funfzehnte Betr. Von der
de nicht mancher, den wir bisher für einen ehrli-
chen Mann gehalten haben, in ſeiner völligen
Blöße, als der abſcheulichſte Böſewicht erſcheinen?
Aber ſie werden gewiß einmal an das Tageslicht
kommen, ihr Heuchler! ſie werden ans Licht kom-
men, alle eure Bosheiten und Laſter, die ihr in
Hoffnung verborgen zu bleiben, ſo dreiſte und ſicher
begehet. Ihr ſterbet, euer Nahme wird unter den
Lebendigen vergeßen — aber eure Werke folgen
euch in die Ewigkeit nach, und einſtens werden
alle Engel und Menſchen eure Schande erfahren.
Was wollt ihr denn antworten? Wie wollt ihr
leugnen, wenn der Allwißende als Zeuge wider
euch auftritt, der eure Bosheiten geſehen und in
ſein Buch aufgeſchrieben hat? Wo wollt ihr hin,
ſeinem ſchröcklichen fürchterlichen Urtheil zu entge-
hen? Wo wollt ihr hingehen vor ſeinem Geiſt, und
wo wollt ihr hinfliehen vor ſeinem Angeſicht?
Könntet ihr auch mit ſchnellem Flug bis an das
äußerſte Ende der gränzenloſen Schöpfung forteilen;
eurem Schöpfer und Richter würdet ihr warlich
nicht entfliehen. Vergeblich werdet ihr dann ruf-
fen: Ihr Berge fallet auf uns, und ihr Hügel
decket uns. Wie könnten euch Berge, Hügel und
Felſenklüfte vor der Ungnade des Allmächtigen
ſchützen?
Nun ſo will ich denn ſchon ietzt die Allgegen-
wart und Allwißenheit meines Gottes meinem Ge-
müthe tief einprägen. Ich will nie vergeßen, daß
ſein allſehendes Auge mich auf das genaueſte ken-
net, daß keine That meines Lebens, kein einziger
Gedanke, keine meiner geheimſten Abſichten ihm
ver-
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