Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Dreyzehnte Betr. Von der Liebe so daß ich Berge versezte, hätte einen so außer-ordentlichen Wunderglauben, daß ich im Stande wäre die grösten Wunder zu verrichten, Dinge zu thun, die in keines Menschen Macht stehen -- und ich hätte der Liebe nicht, machte also auch keinen Gebrauch von meinen Gaben zur Beförde- rung der Wohlfarth anderer Menschen, so wäre ich nichts, ein unbrauchbarer Mensch, der bey allen diesen grossen Gaben keiner Achtung werth wäre, und folglich nicht einmal einen gewöhnlichen Anspruch auf den Nahmen eines nüzlichen Mannes, vielweniger auf den Nahmen eines wahren Christen machen könnte. Stärker hätte sich nun wohl der Apostel über Um-
Dreyzehnte Betr. Von der Liebe ſo daß ich Berge verſezte, hätte einen ſo außer-ordentlichen Wunderglauben, daß ich im Stande wäre die gröſten Wunder zu verrichten, Dinge zu thun, die in keines Menſchen Macht ſtehen — und ich hätte der Liebe nicht, machte alſo auch keinen Gebrauch von meinen Gaben zur Beförde- rung der Wohlfarth anderer Menſchen, ſo wäre ich nichts, ein unbrauchbarer Menſch, der bey allen dieſen groſſen Gaben keiner Achtung werth wäre, und folglich nicht einmal einen gewöhnlichen Anſpruch auf den Nahmen eines nüzlichen Mannes, vielweniger auf den Nahmen eines wahren Chriſten machen könnte. Stärker hätte ſich nun wohl der Apoſtel über Um-
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Dreyzehnte Betr. Von der Liebe
ſo daß ich Berge verſezte, hätte einen ſo außer-
ordentlichen Wunderglauben, daß ich im Stande
wäre die gröſten Wunder zu verrichten, Dinge zu
thun, die in keines Menſchen Macht ſtehen —
und ich hätte der Liebe nicht, machte alſo auch
keinen Gebrauch von meinen Gaben zur Beförde-
rung der Wohlfarth anderer Menſchen, ſo wäre
ich nichts, ein unbrauchbarer Menſch, der bey
allen dieſen groſſen Gaben keiner Achtung werth
wäre, und folglich nicht einmal einen gewöhnlichen
Anſpruch auf den Nahmen eines nüzlichen Mannes,
vielweniger auf den Nahmen eines wahren Chriſten
machen könnte.
Stärker hätte ſich nun wohl der Apoſtel über
dieſen Punkt nicht ausdrücken können. Vorzügli-
che Gemüthsgaben, große Wiſſenſchaften, Kunſt
und Geſchicklichkeit ſind an ſich ſelbſt ſehr achtens-
werth, und verdienen, daß man ſich darnach mit
Ernſt und Eifer beſtrebe. Aber brauchbar für das
menſchliche Leben müßen unſere Kenntniße ſeyn,
und wirklich müßen ſie zur Beförderung der Wohl-
farth anderer Menſchen angewendet werden, wenn
uns dieſe Eigenſchaften einen Werth in Gottes Au-
gen und vor der vernünftigen Welt verſchaffen ſol-
len. Sey der gelehrteſte Mann unter der Sonne,
erforſche die tiefſten und verborgenſten Geheimniße,
die kein Menſch hat erforſchen können, ſeit dem
die Welt ſtehet, ſey der geſchikteſte Künſtler auf
Erden; verrichte Wunderdinge, über die alle Welt
erſtaunen muß; wenn niemanden mit deinen Kennt-
nißen gedient wird, wenn du deine Gaben nicht
anwendeſt, entweder die leiblichen oder geiſtlichen
Um-
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