Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Dreyzehnte Betr. Von der Liebe zu verstehen, und zu reden, die sie zum Theil niein ihrem Leben gehöret hatten, so konnten sie auch dieses Vermögen durch Auflegen der Hände andern Christen mittheilen. Daher fand man, wie in andern christlichen Gemeinden, so auch zu Korinth, nicht nur Lehrer, sondern auch gemeine Christen, die da mancherley Sprachen verstunden, welche sie niemahls gelernt hatten. Andere hatten die Gabe der Weissagung, und konnten sowohl künftige Dinge vorhersagen, als auch die Schriften des alten Testamentes geschickt auslegen. Andere wa- ren mit einem so starken Wunderglauben begabet, daß sie durch ihr Gebet die gefährlichsten Krank- heiten hinwegnehmen, und auch sonst allerhand außerordentliche, den gemeinen Kräften des Men- schen unmögliche Dinge bewerkstelligen konnten. Es gab unter den Korinthiern Leute, die sich we- gen ihrer Gaben über andere erhoben, oder auch andere, die vorzüglichere Gaben hatten, beneide- ten. Daher führt ihnen der Apostel zu Gemüthe, daß sie bey allen dergleichen Vorzügen in den Au- gen Gottes nichts wären, wenn ihnen Eine Ei- genschaft fehle. Die Liebe, die Liebe sey die vor- nehmste Eigenschaft eines Christen, eine Eigen- schaft, ohne welche man schlechterdings den Nah- men eines Christen nicht verdienen könne. Wenn ich, spricht er, mit Menschen- und Zunge
Dreyzehnte Betr. Von der Liebe zu verſtehen, und zu reden, die ſie zum Theil niein ihrem Leben gehöret hatten, ſo konnten ſie auch dieſes Vermögen durch Auflegen der Hände andern Chriſten mittheilen. Daher fand man, wie in andern chriſtlichen Gemeinden, ſo auch zu Korinth, nicht nur Lehrer, ſondern auch gemeine Chriſten, die da mancherley Sprachen verſtunden, welche ſie niemahls gelernt hatten. Andere hatten die Gabe der Weiſſagung, und konnten ſowohl künftige Dinge vorherſagen, als auch die Schriften des alten Teſtamentes geſchickt auslegen. Andere wa- ren mit einem ſo ſtarken Wunderglauben begabet, daß ſie durch ihr Gebet die gefährlichſten Krank- heiten hinwegnehmen, und auch ſonſt allerhand außerordentliche, den gemeinen Kräften des Men- ſchen unmögliche Dinge bewerkſtelligen konnten. Es gab unter den Korinthiern Leute, die ſich we- gen ihrer Gaben über andere erhoben, oder auch andere, die vorzüglichere Gaben hatten, beneide- ten. Daher führt ihnen der Apoſtel zu Gemüthe, daß ſie bey allen dergleichen Vorzügen in den Au- gen Gottes nichts wären, wenn ihnen Eine Ei- genſchaft fehle. Die Liebe, die Liebe ſey die vor- nehmſte Eigenſchaft eines Chriſten, eine Eigen- ſchaft, ohne welche man ſchlechterdings den Nah- men eines Chriſten nicht verdienen könne. Wenn ich, ſpricht er, mit Menſchen- und Zunge
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Dreyzehnte Betr. Von der Liebe
zu verſtehen, und zu reden, die ſie zum Theil nie
in ihrem Leben gehöret hatten, ſo konnten ſie auch
dieſes Vermögen durch Auflegen der Hände andern
Chriſten mittheilen. Daher fand man, wie in
andern chriſtlichen Gemeinden, ſo auch zu Korinth,
nicht nur Lehrer, ſondern auch gemeine Chriſten,
die da mancherley Sprachen verſtunden, welche ſie
niemahls gelernt hatten. Andere hatten die Gabe
der Weiſſagung, und konnten ſowohl künftige
Dinge vorherſagen, als auch die Schriften des
alten Teſtamentes geſchickt auslegen. Andere wa-
ren mit einem ſo ſtarken Wunderglauben begabet,
daß ſie durch ihr Gebet die gefährlichſten Krank-
heiten hinwegnehmen, und auch ſonſt allerhand
außerordentliche, den gemeinen Kräften des Men-
ſchen unmögliche Dinge bewerkſtelligen konnten.
Es gab unter den Korinthiern Leute, die ſich we-
gen ihrer Gaben über andere erhoben, oder auch
andere, die vorzüglichere Gaben hatten, beneide-
ten. Daher führt ihnen der Apoſtel zu Gemüthe,
daß ſie bey allen dergleichen Vorzügen in den Au-
gen Gottes nichts wären, wenn ihnen Eine Ei-
genſchaft fehle. Die Liebe, die Liebe ſey die vor-
nehmſte Eigenſchaft eines Chriſten, eine Eigen-
ſchaft, ohne welche man ſchlechterdings den Nah-
men eines Chriſten nicht verdienen könne.
Wenn ich, ſpricht er, mit Menſchen- und
mit Engelzungen redete, und hätte der Liebe
nicht, ſo wäre ich ein tönend Erz und eine
klingende Schelle. Zum rechten Verſtand dieſer
Worte muß man nur bemerken, daß das Wort
Zunge
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