Daß Gott unsere höchste Liebe und Hochschätzung verdiene, wird ein ieder eingestehen, der einen Gott glaubt, und von seinen Werken und Eigenschaften einige Erkenntnis hat. Es ist un- natürlich das was vortreflich ist, und was man selbst für vortreflich halten muß, gering zu schä- tzen; es ist niederträchtig und schändlich, die grö- sten Wohlthäter zu verachten, oder gleichgültig gegen sie zu seyn. Das sagt einem ieden nicht ganz rohen und fühllosen Menschen seine eigene Empfindung. Was kann aber vortreflichers, voll- kommners, erhabeners gedacht werden als Gott? Alles was wir von Macht, Verstand, Weisheit, Tugend, Großmuth, Mitleiden, Wohlthätigkeit und Größe unter Menschen finden und bewundern können, ist nur Schatte gegen die unaussprechli- che Größe und Vollkommenheit Gottes. Alle Schönheiten in der Natur, alles was nur unsere Augen und Ohren ergötzen, und unser Herz er- freuen kan, das hat seinen Ursprung von ihm. Wem haben wir es zu danken, daß Speisen und Getränke von so mannigfaltiger Art, so viel tau- sendmahl unsern Geschmack ergötzt, und unsere leiblichen Kräfte gestärkt haben? Wer hat unsere Natur so eingerichtet, daß wir die süßen Freuden der Freundschaft und des geselligen Umgangs em- pfinden, daß wir unsern Geist mit allerhand nützli- chen Kenntnißen bereichern, daß wir uns mit un- sern Gedanken bis zu ihm, unserm Schöpfer hin- aufschwingen, und solche edle Vergnügungen ge- nießen können, gegen welche alle Wollust der Sin- ne für nichts zu achten ist? Von so viel tausend
ange-
Eilfte Betr. Von der wahren Liebe
Daß Gott unſere höchſte Liebe und Hochſchätzung verdiene, wird ein ieder eingeſtehen, der einen Gott glaubt, und von ſeinen Werken und Eigenſchaften einige Erkenntnis hat. Es iſt un- natürlich das was vortreflich iſt, und was man ſelbſt für vortreflich halten muß, gering zu ſchä- tzen; es iſt niederträchtig und ſchändlich, die grö- ſten Wohlthäter zu verachten, oder gleichgültig gegen ſie zu ſeyn. Das ſagt einem ieden nicht ganz rohen und fühlloſen Menſchen ſeine eigene Empfindung. Was kann aber vortreflichers, voll- kommners, erhabeners gedacht werden als Gott? Alles was wir von Macht, Verſtand, Weisheit, Tugend, Großmuth, Mitleiden, Wohlthätigkeit und Größe unter Menſchen finden und bewundern können, iſt nur Schatte gegen die unausſprechli- che Größe und Vollkommenheit Gottes. Alle Schönheiten in der Natur, alles was nur unſere Augen und Ohren ergötzen, und unſer Herz er- freuen kan, das hat ſeinen Urſprung von ihm. Wem haben wir es zu danken, daß Speiſen und Getränke von ſo mannigfaltiger Art, ſo viel tau- ſendmahl unſern Geſchmack ergötzt, und unſere leiblichen Kräfte geſtärkt haben? Wer hat unſere Natur ſo eingerichtet, daß wir die ſüßen Freuden der Freundſchaft und des geſelligen Umgangs em- pfinden, daß wir unſern Geiſt mit allerhand nützli- chen Kenntnißen bereichern, daß wir uns mit un- ſern Gedanken bis zu ihm, unſerm Schöpfer hin- aufſchwingen, und ſolche edle Vergnügungen ge- nießen können, gegen welche alle Wolluſt der Sin- ne für nichts zu achten iſt? Von ſo viel tauſend
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Eilfte Betr. Von der wahren Liebe
Daß Gott unſere höchſte Liebe und Hochſchätzung
verdiene, wird ein ieder eingeſtehen, der
einen Gott glaubt, und von ſeinen Werken und
Eigenſchaften einige Erkenntnis hat. Es iſt un-
natürlich das was vortreflich iſt, und was man
ſelbſt für vortreflich halten muß, gering zu ſchä-
tzen; es iſt niederträchtig und ſchändlich, die grö-
ſten Wohlthäter zu verachten, oder gleichgültig
gegen ſie zu ſeyn. Das ſagt einem ieden nicht
ganz rohen und fühlloſen Menſchen ſeine eigene
Empfindung. Was kann aber vortreflichers, voll-
kommners, erhabeners gedacht werden als Gott?
Alles was wir von Macht, Verſtand, Weisheit,
Tugend, Großmuth, Mitleiden, Wohlthätigkeit
und Größe unter Menſchen finden und bewundern
können, iſt nur Schatte gegen die unausſprechli-
che Größe und Vollkommenheit Gottes. Alle
Schönheiten in der Natur, alles was nur unſere
Augen und Ohren ergötzen, und unſer Herz er-
freuen kan, das hat ſeinen Urſprung von ihm.
Wem haben wir es zu danken, daß Speiſen und
Getränke von ſo mannigfaltiger Art, ſo viel tau-
ſendmahl unſern Geſchmack ergötzt, und unſere
leiblichen Kräfte geſtärkt haben? Wer hat unſere
Natur ſo eingerichtet, daß wir die ſüßen Freuden
der Freundſchaft und des geſelligen Umgangs em-
pfinden, daß wir unſern Geiſt mit allerhand nützli-
chen Kenntnißen bereichern, daß wir uns mit un-
ſern Gedanken bis zu ihm, unſerm Schöpfer hin-
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nießen können, gegen welche alle Wolluſt der Sin-
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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/168>, abgerufen am 18.07.2024.
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