Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Erste Betr. Wie wichtig einem Chris[ten] erdulten müssen. Etwas solches konnte ihnen da-mals nicht anders als sehr befremdend vorkommen, da sie sich bisher immer unter dem Meßias einen irdischen König vorgestellt hatten, der ihnen Reich- thümer, hohe Ehrenstellen, und andere zeitliche Glückseeligkeiten verschaffen würde. Petrus insbe- sondere konnte seine Bedenklichkeiten über diese Rede nicht lange verbergen. Er führte Jesum beyseite, wollte ihm gleichsam einen Verweis geben, daß er sich mit dergleichen traurigen Gedanken quäle, und sagte zu ihm: "Das sey ferne, daß dir etwas sol- ches begegnen sollte. Dafür wird dich Gott wohl behüten." Eine verwegene Rede, die einen nach- drücklichen Verweis verdiente! Gehe mir aus den Augen, du Verführer, war Jesu Antwort; du re- dest als mein Feind, hast solche Gedanken und An- schläge, die den göttlichen Absichten ganz entgegen sind, und suchest in meiner Nachfolge nichts als irdische Vortheile, Vergnügungen und Bequem- lichkeiten. Hierbey nahm Jesus zugleich Gelegenheit, sei- es
Erſte Betr. Wie wichtig einem Chriſ[ten] erdulten müſſen. Etwas ſolches konnte ihnen da-mals nicht anders als ſehr befremdend vorkommen, da ſie ſich bisher immer unter dem Meßias einen irdiſchen König vorgeſtellt hatten, der ihnen Reich- thümer, hohe Ehrenſtellen, und andere zeitliche Glückſeeligkeiten verſchaffen würde. Petrus insbe- ſondere konnte ſeine Bedenklichkeiten über dieſe Rede nicht lange verbergen. Er führte Jeſum beyſeite, wollte ihm gleichſam einen Verweis geben, daß er ſich mit dergleichen traurigen Gedanken quäle, und ſagte zu ihm: „Das ſey ferne, daß dir etwas ſol- ches begegnen ſollte. Dafür wird dich Gott wohl behüten.„ Eine verwegene Rede, die einen nach- drücklichen Verweis verdiente! Gehe mir aus den Augen, du Verführer, war Jeſu Antwort; du re- deſt als mein Feind, haſt ſolche Gedanken und An- ſchläge, die den göttlichen Abſichten ganz entgegen ſind, und ſucheſt in meiner Nachfolge nichts als irdiſche Vortheile, Vergnügungen und Bequem- lichkeiten. Hierbey nahm Jeſus zugleich Gelegenheit, ſei- es
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Erſte Betr. Wie wichtig einem Chriſten
erdulten müſſen. Etwas ſolches konnte ihnen da-
mals nicht anders als ſehr befremdend vorkommen,
da ſie ſich bisher immer unter dem Meßias einen
irdiſchen König vorgeſtellt hatten, der ihnen Reich-
thümer, hohe Ehrenſtellen, und andere zeitliche
Glückſeeligkeiten verſchaffen würde. Petrus insbe-
ſondere konnte ſeine Bedenklichkeiten über dieſe Rede
nicht lange verbergen. Er führte Jeſum beyſeite,
wollte ihm gleichſam einen Verweis geben, daß er
ſich mit dergleichen traurigen Gedanken quäle, und
ſagte zu ihm: „Das ſey ferne, daß dir etwas ſol-
ches begegnen ſollte. Dafür wird dich Gott wohl
behüten.„ Eine verwegene Rede, die einen nach-
drücklichen Verweis verdiente! Gehe mir aus den
Augen, du Verführer, war Jeſu Antwort; du re-
deſt als mein Feind, haſt ſolche Gedanken und An-
ſchläge, die den göttlichen Abſichten ganz entgegen
ſind, und ſucheſt in meiner Nachfolge nichts als
irdiſche Vortheile, Vergnügungen und Bequem-
lichkeiten.
Hierbey nahm Jeſus zugleich Gelegenheit, ſei-
nen Nachfolgern überhaupt eine wichtige Lehre zu
geben, eine Lehre, die nicht nur die zwölf Apoſtel
allein angieng, ſondern für alle ſeine Nachfolger,
für alle Chriſten, und folglich auch für uns gehöret.
Will mir iemand nachfolgen, mein Schüler ſeyn,
und ſich die großen Vortheile verſprechen, wozu
meine Religion Hofnung macht, der verleugne
ſich ſelbſt, und nehme ſein Kreutz auf ſich. Er
verleugne ſich ſelbſt. — Das heiſt: Er mache
ſich gefaßt, alle zeitliche Vortheile, Ruhe, Bequem-
lichkeit, und ſogar ſein Leben daran zu ſetzen, wenn
es
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