Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Erste Betr. Wie wichtig einem Christen werden sollen; folglich ist es ihm angenehm, wennwir wahre Güter in der gehörigen Ordnung begehren. Aber woher kommt es denn, daß die Zahl derer, die sich für glücklich halten, oder in der That glücklich sind, so klein in der Welt ist? Woher die Menge der Unzufriedenen und Mißver- gnügten auf Erden, da doch Gott alle Menschen zum Glück geschaffen, ihnen allen ein Verlangen darnach eingepflanzt, und ihnen die Mittel dazu geschenket hat? Die Ursache des herrschenden Miß- vergnügens liegt in dem Menschen selbst. Oft hält er etwas für ein Glück, was ihm äusserst schädlich ist; oft legt er einem geringern Gut einen gar zu hohen Werth bey, und verliehrt darüber einen größern Vortheil; oft ist er zu träge, einem wahren und großen Glücke mit anhaltendem Eifer nachzu- iagen, weil der Weg dazu mühsam und beschwer- lich ist. Aber die vornehmste Ursache, daß die mehresten Menschen so unzufrieden und mißvergnügt sind, ist diese, weil sie ihre Wünsche und Bemü- hungen nur auf das gegenwärtige Leben einschrän- ken. Die Erfahrung lehrt, daß uns die Güter dieser Erden nie vollkommen zufrieden stellen kön- nen. Wir sind nicht blos für diese Welt, wir sind für die Ewigkeit geschaffen. Wie kan unser Geist ruhig werden, wenn wir diese unsere große Bestim- mung vergessen, wenn wir uns um alles andere mehr bekümmern, als um dasienige, was unsern unsterblichen Geist sättigen und vergnügen kan? Der einzige, sichere Weg zur wahren und beständi- gen Zufriedenheit ist dieser, wenn wir die Glück- seeligkeit eines künftigen Lebens als das große Ziel unserer
Erſte Betr. Wie wichtig einem Chriſten werden ſollen; folglich iſt es ihm angenehm, wennwir wahre Güter in der gehörigen Ordnung begehren. Aber woher kommt es denn, daß die Zahl derer, die ſich für glücklich halten, oder in der That glücklich ſind, ſo klein in der Welt iſt? Woher die Menge der Unzufriedenen und Mißver- gnügten auf Erden, da doch Gott alle Menſchen zum Glück geſchaffen, ihnen allen ein Verlangen darnach eingepflanzt, und ihnen die Mittel dazu geſchenket hat? Die Urſache des herrſchenden Miß- vergnügens liegt in dem Menſchen ſelbſt. Oft hält er etwas für ein Glück, was ihm äuſſerſt ſchädlich iſt; oft legt er einem geringern Gut einen gar zu hohen Werth bey, und verliehrt darüber einen größern Vortheil; oft iſt er zu träge, einem wahren und großen Glücke mit anhaltendem Eifer nachzu- iagen, weil der Weg dazu mühſam und beſchwer- lich iſt. Aber die vornehmſte Urſache, daß die mehreſten Menſchen ſo unzufrieden und mißvergnügt ſind, iſt dieſe, weil ſie ihre Wünſche und Bemü- hungen nur auf das gegenwärtige Leben einſchrän- ken. Die Erfahrung lehrt, daß uns die Güter dieſer Erden nie vollkommen zufrieden ſtellen kön- nen. Wir ſind nicht blos für dieſe Welt, wir ſind für die Ewigkeit geſchaffen. Wie kan unſer Geiſt ruhig werden, wenn wir dieſe unſere große Beſtim- mung vergeſſen, wenn wir uns um alles andere mehr bekümmern, als um dasienige, was unſern unſterblichen Geiſt ſättigen und vergnügen kan? Der einzige, ſichere Weg zur wahren und beſtändi- gen Zufriedenheit iſt dieſer, wenn wir die Glück- ſeeligkeit eines künftigen Lebens als das große Ziel unſerer
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Erſte Betr. Wie wichtig einem Chriſten
werden ſollen; folglich iſt es ihm angenehm, wenn
wir wahre Güter in der gehörigen Ordnung
begehren. Aber woher kommt es denn, daß die
Zahl derer, die ſich für glücklich halten, oder in
der That glücklich ſind, ſo klein in der Welt iſt?
Woher die Menge der Unzufriedenen und Mißver-
gnügten auf Erden, da doch Gott alle Menſchen
zum Glück geſchaffen, ihnen allen ein Verlangen
darnach eingepflanzt, und ihnen die Mittel dazu
geſchenket hat? Die Urſache des herrſchenden Miß-
vergnügens liegt in dem Menſchen ſelbſt. Oft hält
er etwas für ein Glück, was ihm äuſſerſt ſchädlich
iſt; oft legt er einem geringern Gut einen gar zu
hohen Werth bey, und verliehrt darüber einen
größern Vortheil; oft iſt er zu träge, einem wahren
und großen Glücke mit anhaltendem Eifer nachzu-
iagen, weil der Weg dazu mühſam und beſchwer-
lich iſt. Aber die vornehmſte Urſache, daß die
mehreſten Menſchen ſo unzufrieden und mißvergnügt
ſind, iſt dieſe, weil ſie ihre Wünſche und Bemü-
hungen nur auf das gegenwärtige Leben einſchrän-
ken. Die Erfahrung lehrt, daß uns die Güter
dieſer Erden nie vollkommen zufrieden ſtellen kön-
nen. Wir ſind nicht blos für dieſe Welt, wir ſind
für die Ewigkeit geſchaffen. Wie kan unſer Geiſt
ruhig werden, wenn wir dieſe unſere große Beſtim-
mung vergeſſen, wenn wir uns um alles andere
mehr bekümmern, als um dasienige, was unſern
unſterblichen Geiſt ſättigen und vergnügen kan?
Der einzige, ſichere Weg zur wahren und beſtändi-
gen Zufriedenheit iſt dieſer, wenn wir die Glück-
ſeeligkeit eines künftigen Lebens als das große Ziel
unſerer
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