Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachdem wir bisher die Entstehung des häßlich Gestalt¬
losen betrachtet haben, müssen wir auch seinen Uebergang
in's Komische untersuchen. Der komische Effect wird hier
nämlich theils dadurch bewirkt, daß statt des bestimmten
Unterschiedes, der erwartet werden durfte, immer dasselbe
wiederkehrt, theils dadurch, daß eine Gestalt von dem An¬
fang ihrer Bewegung aus plötzlich in ein ganz anderes ihm
entgegengesetztes Ende herumgeworfen wird. Die Unbestimmt¬
heit der Gestaltung, welche darin besteht, daß in der leeren
Unendlichkeit noch gar keine da ist, kann weder positiv schön,
noch positiv häßlich genannt werden, denn non entis nulla
sunt prädicata
Wir können sie, als den noch neutralen
Boden, auch nicht komisch nennen.

Die unterschiedlose Bestimmtheit der Gestalt dagegen,
die in der unaufhörlichen Wiederkehr derselben Wendung liegt,
kann eine komische Wirkung erzeugen. Statt zu einem andern
Prädicat fortzugehen, fällt sie immer wieder in dasselbe zurück.
Die bloße in's Endlose fortgesetzte Identität würde uns lang¬
weilen. Sollten wir auch über eine solche etwa anfänglich
lachen, so würde sie uns doch bald abstoßen und häßlich
werden, wie wir bei schlechten Lustspielen erfahren, in denen
die Dürftigkeit des Autors einer Person irgend eine abge¬
schmackte Redensart in den Mund legt, die uns, weil sie
a tort et a travers überall angebracht wird, einige Mal zum
trocknen Lachen reizt, sich jedoch bald abnutzt und den kläg¬
ligsten Eindruck einer witzig sein wollenden Geistlosigkeit her¬
vorbringt. Der rechte Künstler weiß die komische Wirkung
der Wiederholung (mit welcher hier natürlich nicht der auf
andern Gesetzen beruhende Refrain gemeint ist) richtig zu
verwenden, wie z. B. Aristophanes in den Fröschen,
wo er, die Jämmerlichkeit der Euripideischen Prologe zu

Nachdem wir bisher die Entſtehung des häßlich Geſtalt¬
loſen betrachtet haben, müſſen wir auch ſeinen Uebergang
in's Komiſche unterſuchen. Der komiſche Effect wird hier
nämlich theils dadurch bewirkt, daß ſtatt des beſtimmten
Unterſchiedes, der erwartet werden durfte, immer daſſelbe
wiederkehrt, theils dadurch, daß eine Geſtalt von dem An¬
fang ihrer Bewegung aus plötzlich in ein ganz anderes ihm
entgegengeſetztes Ende herumgeworfen wird. Die Unbeſtimmt¬
heit der Geſtaltung, welche darin beſteht, daß in der leeren
Unendlichkeit noch gar keine da iſt, kann weder poſitiv ſchön,
noch poſitiv häßlich genannt werden, denn non entis nulla
ſunt prädicata
Wir können ſie, als den noch neutralen
Boden, auch nicht komiſch nennen.

Die unterſchiedloſe Beſtimmtheit der Geſtalt dagegen,
die in der unaufhörlichen Wiederkehr derſelben Wendung liegt,
kann eine komiſche Wirkung erzeugen. Statt zu einem andern
Prädicat fortzugehen, fällt ſie immer wieder in daſſelbe zurück.
Die bloße in's Endloſe fortgeſetzte Identität würde uns lang¬
weilen. Sollten wir auch über eine ſolche etwa anfänglich
lachen, ſo würde ſie uns doch bald abſtoßen und häßlich
werden, wie wir bei ſchlechten Luſtſpielen erfahren, in denen
die Dürftigkeit des Autors einer Perſon irgend eine abge¬
ſchmackte Redensart in den Mund legt, die uns, weil ſie
à tort et à travers überall angebracht wird, einige Mal zum
trocknen Lachen reizt, ſich jedoch bald abnutzt und den kläg¬
ligſten Eindruck einer witzig ſein wollenden Geiſtloſigkeit her¬
vorbringt. Der rechte Künſtler weiß die komiſche Wirkung
der Wiederholung (mit welcher hier natürlich nicht der auf
andern Geſetzen beruhende Refrain gemeint iſt) richtig zu
verwenden, wie z. B. Ariſtophanes in den Fröſchen,
wo er, die Jämmerlichkeit der Euripideiſchen Prologe zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0096" n="74"/>
            <p>Nachdem wir bisher die Ent&#x017F;tehung des häßlich Ge&#x017F;talt¬<lb/>
lo&#x017F;en betrachtet haben, mü&#x017F;&#x017F;en wir auch &#x017F;einen Uebergang<lb/>
in's Komi&#x017F;che unter&#x017F;uchen. Der komi&#x017F;che Effect wird hier<lb/>
nämlich theils dadurch bewirkt, daß &#x017F;tatt des be&#x017F;timmten<lb/>
Unter&#x017F;chiedes, der erwartet werden durfte, immer da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
wiederkehrt, theils dadurch, daß eine Ge&#x017F;talt von dem An¬<lb/>
fang ihrer Bewegung aus plötzlich in ein ganz anderes ihm<lb/>
entgegenge&#x017F;etztes Ende herumgeworfen wird. Die Unbe&#x017F;timmt¬<lb/>
heit der Ge&#x017F;taltung, welche darin be&#x017F;teht, daß in der leeren<lb/>
Unendlichkeit noch gar keine da i&#x017F;t, kann weder po&#x017F;itiv &#x017F;chön,<lb/>
noch po&#x017F;itiv häßlich genannt werden, denn <hi rendition="#aq">non entis nulla<lb/>
&#x017F;unt prädicata</hi> Wir können &#x017F;ie, als den noch neutralen<lb/>
Boden, auch nicht komi&#x017F;ch nennen.</p><lb/>
            <p>Die unter&#x017F;chiedlo&#x017F;e Be&#x017F;timmtheit der Ge&#x017F;talt dagegen,<lb/>
die in der unaufhörlichen Wiederkehr der&#x017F;elben Wendung liegt,<lb/>
kann eine komi&#x017F;che Wirkung erzeugen. Statt zu einem andern<lb/>
Prädicat fortzugehen, fällt &#x017F;ie immer wieder in da&#x017F;&#x017F;elbe zurück.<lb/>
Die bloße in's Endlo&#x017F;e fortge&#x017F;etzte Identität würde uns lang¬<lb/>
weilen. Sollten wir auch über eine &#x017F;olche etwa anfänglich<lb/>
lachen, &#x017F;o würde &#x017F;ie uns doch bald ab&#x017F;toßen und häßlich<lb/>
werden, wie wir bei &#x017F;chlechten Lu&#x017F;t&#x017F;pielen erfahren, in denen<lb/>
die Dürftigkeit des Autors einer Per&#x017F;on irgend eine abge¬<lb/>
&#x017F;chmackte Redensart in den Mund legt, die uns, weil &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#aq">à tort et à travers</hi> überall angebracht wird, einige Mal zum<lb/>
trocknen Lachen reizt, &#x017F;ich jedoch bald abnutzt und den kläg¬<lb/>
lig&#x017F;ten Eindruck einer witzig &#x017F;ein wollenden Gei&#x017F;tlo&#x017F;igkeit her¬<lb/>
vorbringt. Der rechte Kün&#x017F;tler weiß die komi&#x017F;che Wirkung<lb/>
der Wiederholung (mit welcher hier natürlich nicht der auf<lb/>
andern Ge&#x017F;etzen beruhende Refrain gemeint i&#x017F;t) richtig zu<lb/>
verwenden, wie z. B. <hi rendition="#g">Ari&#x017F;tophanes</hi> in den <hi rendition="#g">Frö&#x017F;chen</hi>,<lb/>
wo er, die Jämmerlichkeit der Euripidei&#x017F;chen Prologe zu<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0096] Nachdem wir bisher die Entſtehung des häßlich Geſtalt¬ loſen betrachtet haben, müſſen wir auch ſeinen Uebergang in's Komiſche unterſuchen. Der komiſche Effect wird hier nämlich theils dadurch bewirkt, daß ſtatt des beſtimmten Unterſchiedes, der erwartet werden durfte, immer daſſelbe wiederkehrt, theils dadurch, daß eine Geſtalt von dem An¬ fang ihrer Bewegung aus plötzlich in ein ganz anderes ihm entgegengeſetztes Ende herumgeworfen wird. Die Unbeſtimmt¬ heit der Geſtaltung, welche darin beſteht, daß in der leeren Unendlichkeit noch gar keine da iſt, kann weder poſitiv ſchön, noch poſitiv häßlich genannt werden, denn non entis nulla ſunt prädicata Wir können ſie, als den noch neutralen Boden, auch nicht komiſch nennen. Die unterſchiedloſe Beſtimmtheit der Geſtalt dagegen, die in der unaufhörlichen Wiederkehr derſelben Wendung liegt, kann eine komiſche Wirkung erzeugen. Statt zu einem andern Prädicat fortzugehen, fällt ſie immer wieder in daſſelbe zurück. Die bloße in's Endloſe fortgeſetzte Identität würde uns lang¬ weilen. Sollten wir auch über eine ſolche etwa anfänglich lachen, ſo würde ſie uns doch bald abſtoßen und häßlich werden, wie wir bei ſchlechten Luſtſpielen erfahren, in denen die Dürftigkeit des Autors einer Perſon irgend eine abge¬ ſchmackte Redensart in den Mund legt, die uns, weil ſie à tort et à travers überall angebracht wird, einige Mal zum trocknen Lachen reizt, ſich jedoch bald abnutzt und den kläg¬ ligſten Eindruck einer witzig ſein wollenden Geiſtloſigkeit her¬ vorbringt. Der rechte Künſtler weiß die komiſche Wirkung der Wiederholung (mit welcher hier natürlich nicht der auf andern Geſetzen beruhende Refrain gemeint iſt) richtig zu verwenden, wie z. B. Ariſtophanes in den Fröſchen, wo er, die Jämmerlichkeit der Euripideiſchen Prologe zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/96
Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/96>, abgerufen am 27.04.2024.