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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Tod, noch an sich hat. Ein Genesender ist ein Anblick
für Götter!

Doch können wir den Geist hier noch nicht verlassen,
denn noch auf andere Weise, als in nur gewöhnlicher Krank¬
heit, kann er Häßlichkeit erzeugen. Er kann nämlich in sich
erkranken und den Widerspruch, in welchen er mit sich als
Geist geräth, dann auch in seiner Erscheinung ausdrücken.
Oder richtiger, die Seelenstörung selber ist so gut, als das
Böse, das eigentlich Häßliche im Geist als solchem. Diese
Häßlichkeit aber des Innern übersetzt sich auch in die Aeußer¬
lichkeit. Blödsinn, Verrücktheit, Wahnsinn, Raserei, machen
den Menschen häßlich. Auch die Betrunkenheit als eine
acute, künstlich erzeugte Selbstentfremdung des Geistes ge¬
hört hieher. Die Besonnenheit, mit welcher der bei sich
seiende Geist alle seine Verhältnisse zusammenfaßt und sich,
den einzelnen, doch zugleich als allgemeines Vernunftwesen
weiß, verleihet dem Geist die rechte Gegenwart und demge¬
mäß auch die rechte Herrschaft über seinen Organismus. In
der Seelenstörung aber verliert der Mensch die Allgemeinheit
seines Selbstgefühls als blödsinniger, oder er entäußert sie
an eine Endlichkeit als Verrückter, oder er fühlt sich als
Wahnsinniger von der Macht eines Widerspruchs in sich
vernichtet und rettet sich aus diesem Widerspruch nur durch
Fiction eines andern oder durch Raserei. In allen diesen
Fällen ertheilt der Kranke dem Reellen wie dem Imaginären
falsche Werthe. Der Blödsinnige versinkt mehr und mehr
in thierische Apathie; bei dem Verrückten entwickelt sich ein
eigenthümlicher, von der Realität der gegenwärtigen Gegen¬
stände und Menschen ins Unbestimmte abirrender Blick, ein
ekles Grimassiren, eine widrige Beweglichkeit oder Starrheit,
und selbst bei den Wahnsinnigen, die an tieferer Zerrissenheit

Tod, noch an ſich hat. Ein Geneſender iſt ein Anblick
für Götter!

Doch können wir den Geiſt hier noch nicht verlaſſen,
denn noch auf andere Weiſe, als in nur gewöhnlicher Krank¬
heit, kann er Häßlichkeit erzeugen. Er kann nämlich in ſich
erkranken und den Widerſpruch, in welchen er mit ſich als
Geiſt geräth, dann auch in ſeiner Erſcheinung ausdrücken.
Oder richtiger, die Seelenſtörung ſelber iſt ſo gut, als das
Böſe, das eigentlich Häßliche im Geiſt als ſolchem. Dieſe
Häßlichkeit aber des Innern überſetzt ſich auch in die Aeußer¬
lichkeit. Blödſinn, Verrücktheit, Wahnſinn, Raſerei, machen
den Menſchen häßlich. Auch die Betrunkenheit als eine
acute, künſtlich erzeugte Selbſtentfremdung des Geiſtes ge¬
hört hieher. Die Beſonnenheit, mit welcher der bei ſich
ſeiende Geiſt alle ſeine Verhältniſſe zuſammenfaßt und ſich,
den einzelnen, doch zugleich als allgemeines Vernunftweſen
weiß, verleihet dem Geiſt die rechte Gegenwart und demge¬
mäß auch die rechte Herrſchaft über ſeinen Organismus. In
der Seelenſtörung aber verliert der Menſch die Allgemeinheit
ſeines Selbſtgefühls als blödſinniger, oder er entäußert ſie
an eine Endlichkeit als Verrückter, oder er fühlt ſich als
Wahnſinniger von der Macht eines Widerſpruchs in ſich
vernichtet und rettet ſich aus dieſem Widerſpruch nur durch
Fiction eines andern oder durch Raſerei. In allen dieſen
Fällen ertheilt der Kranke dem Reellen wie dem Imaginären
falſche Werthe. Der Blödſinnige verſinkt mehr und mehr
in thieriſche Apathie; bei dem Verrückten entwickelt ſich ein
eigenthümlicher, von der Realität der gegenwärtigen Gegen¬
ſtände und Menſchen ins Unbeſtimmte abirrender Blick, ein
ekles Grimaſſiren, eine widrige Beweglichkeit oder Starrheit,
und ſelbſt bei den Wahnſinnigen, die an tieferer Zerriſſenheit

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[34/0056] Tod, noch an ſich hat. Ein Geneſender iſt ein Anblick für Götter! Doch können wir den Geiſt hier noch nicht verlaſſen, denn noch auf andere Weiſe, als in nur gewöhnlicher Krank¬ heit, kann er Häßlichkeit erzeugen. Er kann nämlich in ſich erkranken und den Widerſpruch, in welchen er mit ſich als Geiſt geräth, dann auch in ſeiner Erſcheinung ausdrücken. Oder richtiger, die Seelenſtörung ſelber iſt ſo gut, als das Böſe, das eigentlich Häßliche im Geiſt als ſolchem. Dieſe Häßlichkeit aber des Innern überſetzt ſich auch in die Aeußer¬ lichkeit. Blödſinn, Verrücktheit, Wahnſinn, Raſerei, machen den Menſchen häßlich. Auch die Betrunkenheit als eine acute, künſtlich erzeugte Selbſtentfremdung des Geiſtes ge¬ hört hieher. Die Beſonnenheit, mit welcher der bei ſich ſeiende Geiſt alle ſeine Verhältniſſe zuſammenfaßt und ſich, den einzelnen, doch zugleich als allgemeines Vernunftweſen weiß, verleihet dem Geiſt die rechte Gegenwart und demge¬ mäß auch die rechte Herrſchaft über ſeinen Organismus. In der Seelenſtörung aber verliert der Menſch die Allgemeinheit ſeines Selbſtgefühls als blödſinniger, oder er entäußert ſie an eine Endlichkeit als Verrückter, oder er fühlt ſich als Wahnſinniger von der Macht eines Widerſpruchs in ſich vernichtet und rettet ſich aus dieſem Widerſpruch nur durch Fiction eines andern oder durch Raſerei. In allen dieſen Fällen ertheilt der Kranke dem Reellen wie dem Imaginären falſche Werthe. Der Blödſinnige verſinkt mehr und mehr in thieriſche Apathie; bei dem Verrückten entwickelt ſich ein eigenthümlicher, von der Realität der gegenwärtigen Gegen¬ ſtände und Menſchen ins Unbeſtimmte abirrender Blick, ein ekles Grimaſſiren, eine widrige Beweglichkeit oder Starrheit, und ſelbſt bei den Wahnſinnigen, die an tieferer Zerriſſenheit

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/56>, abgerufen am 23.11.2024.