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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Indischen ableiten. Das im Text citirte Buch heißt: la Passion de
Notre Seigneur J. O. en vers burlesques,
und erschien 1649. Dies
Buch war poetisch schlecht, aber ganz ernst gemeint, nicht etwa parodisch.
Die burlesken Verse waren nur ein Buchhändlerkniff für größern Absatz.

(45) S. 224. Von diesen Mitteln hat die Posse zu allen
Zeiten, bei allen Völkern, einen reichlichen Gebrauch gemacht. Eine
gewisse ästhetische Uebervornehmheit blickt zwar auf das Possenhafte
mit verächtlichem Mitleid hinunter, aber dasselbe hat so gut sein Recht,
als die sogenannte feine oder hohe Komik, die neuerdings bei uns so
fein geworden ist, daß man sie richtiger wohl langweilig nennt.

(46) S. 234. Carl Vogt: Bilder aus dem Thierleben.
Frankfurt a. M. 1852, S. 433: "Kennt man etwa die wirklich
wahre Geschichte von dem Freunde des Försters nicht, welcher sich
in dem Zimmer allein glaubte, eine tönende Unschicklichkeit sich zu
Schulden kommen ließ und zu seinem Erstaunen sah, wie plötzlich die
unter Tischen und Stühlen liegenden Hunde in lautes Wehgeheul
ausbrachen und unter allen Zeichen der Angst sich endlich aus den
Fenstern der Parterrewohnung in den Garten stürzten? Der Förster,
als er wieder herein kam, errieth sogleich die Ursache des plötzlichen
Tollgewordenseins seiner Hunde. Er prügelte jedesmal, sobald eine der
Bestien das Zimmer verpestete, die ganze thierische Gesellschaft zur
Strafe ab, da er den Schuldigen weder suchen wollte, noch konnte."

(47) S. 236. Man sehe ihre Abbildungen bei Raoul -
Rochette, Musee secret, Tafel
37, 40 und 42.

(48) S. 237. O. L. B. Wolff: Allgemeine Geschichte
des Romans von dessen Ursprung bis zur neuesten Zeit. Jena 1841,
S. 324. ff.

(49) S. 238. T. Delord führt den Chicard auf die Weinlesen
von Burgund zurück. Gesang und Tanz des Chicard faßt er als Parodie
der Liebe auf. S. 371.: n'est point une c'est encore une
parodie; parodie de l'amour, de la grace, de l'ancienne politesse fran¬
caise, et, admirez jusqu'ou peut aller chez nous l'ardeur de la derision!
parodie de la volupte; tout est reuni dans cette comedie licencieuse
qu'on nomme le
chahut . Ici les figures sont remplacees par des
scenes; on ne danse pas, on agit, le drame de l'amour est represente
dans toutes ses peripeties, tout ce qui peut contribuer a en faire
deviner le denoaument. est mis en oeuvre; pour aider a la verite de
sa pantomime, le danseur, ou plutot l'acteur, appelle ses muscles a
son secours; il s'agite, il se disloque, il tous ses mouvemens
ont un sens, toutes ses contorsions sont des emblemes; ce que les

Indiſchen ableiten. Das im Text citirte Buch heißt: la Passion de
Notre Seigneur J. O. en vers burlesques,
und erſchien 1649. Dies
Buch war poetiſch ſchlecht, aber ganz ernſt gemeint, nicht etwa parodiſch.
Die burlesken Verſe waren nur ein Buchhändlerkniff für größern Abſatz.

(45) S. 224. Von dieſen Mitteln hat die Poſſe zu allen
Zeiten, bei allen Völkern, einen reichlichen Gebrauch gemacht. Eine
gewiſſe äſthetiſche Uebervornehmheit blickt zwar auf das Poſſenhafte
mit verächtlichem Mitleid hinunter, aber daſſelbe hat ſo gut ſein Recht,
als die ſogenannte feine oder hohe Komik, die neuerdings bei uns ſo
fein geworden iſt, daß man ſie richtiger wohl langweilig nennt.

(46) S. 234. Carl Vogt: Bilder aus dem Thierleben.
Frankfurt a. M. 1852, S. 433: „Kennt man etwa die wirklich
wahre Geſchichte von dem Freunde des Förſters nicht, welcher ſich
in dem Zimmer allein glaubte, eine tönende Unſchicklichkeit ſich zu
Schulden kommen ließ und zu ſeinem Erſtaunen ſah, wie plötzlich die
unter Tiſchen und Stühlen liegenden Hunde in lautes Wehgeheul
ausbrachen und unter allen Zeichen der Angſt ſich endlich aus den
Fenſtern der Parterrewohnung in den Garten ſtürzten? Der Förſter,
als er wieder herein kam, errieth ſogleich die Urſache des plötzlichen
Tollgewordenſeins ſeiner Hunde. Er prügelte jedesmal, ſobald eine der
Beſtien das Zimmer verpeſtete, die ganze thieriſche Geſellſchaft zur
Strafe ab, da er den Schuldigen weder ſuchen wollte, noch konnte.“

(47) S. 236. Man ſehe ihre Abbildungen bei Raoul -
Rochette, Musée secret, Tafel
37, 40 und 42.

(48) S. 237. O. L. B. Wolff: Allgemeine Geſchichte
des Romans von deſſen Urſprung bis zur neueſten Zeit. Jena 1841,
S. 324. ff.

(49) S. 238. T. Delord führt den Chicard auf die Weinleſen
von Burgund zurück. Geſang und Tanz des Chicard faßt er als Parodie
der Liebe auf. S. 371.: n'est point une c'est encore une
parodie; parodie de l'amour, de la grâce, de l'ancienne politesse fran¬
çaise, et, admirez jusqu'où peut aller chez nous l'ardeur de la dérision!
parodie de la volupté; tout est réuni dans cette comédie licencieuse
qu'on nomme le
chahut . Ici les figures sont remplacées par des
scènes; on ne danse pas, on agit, le drame de l'amour est représenté
dans toutes ses péripéties, tout ce qui peut contribuer à en faire
deviner le dénoûment. est mis en oeuvre; pour aider à la vérité de
sa pantomime, le danseur, ou plutôt l'acteur, appelle ses muscles à
son secours; il s'agite, il se disloque, il tous ses mouvemens
ont un sens, toutes ses contorsions sont des emblèmes; ce que les

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[450/0472] Indiſchen ableiten. Das im Text citirte Buch heißt: la Passion de Notre Seigneur J. O. en vers burlesques, und erſchien 1649. Dies Buch war poetiſch ſchlecht, aber ganz ernſt gemeint, nicht etwa parodiſch. Die burlesken Verſe waren nur ein Buchhändlerkniff für größern Abſatz. (45) S. 224. Von dieſen Mitteln hat die Poſſe zu allen Zeiten, bei allen Völkern, einen reichlichen Gebrauch gemacht. Eine gewiſſe äſthetiſche Uebervornehmheit blickt zwar auf das Poſſenhafte mit verächtlichem Mitleid hinunter, aber daſſelbe hat ſo gut ſein Recht, als die ſogenannte feine oder hohe Komik, die neuerdings bei uns ſo fein geworden iſt, daß man ſie richtiger wohl langweilig nennt. (46) S. 234. Carl Vogt: Bilder aus dem Thierleben. Frankfurt a. M. 1852, S. 433: „Kennt man etwa die wirklich wahre Geſchichte von dem Freunde des Förſters nicht, welcher ſich in dem Zimmer allein glaubte, eine tönende Unſchicklichkeit ſich zu Schulden kommen ließ und zu ſeinem Erſtaunen ſah, wie plötzlich die unter Tiſchen und Stühlen liegenden Hunde in lautes Wehgeheul ausbrachen und unter allen Zeichen der Angſt ſich endlich aus den Fenſtern der Parterrewohnung in den Garten ſtürzten? Der Förſter, als er wieder herein kam, errieth ſogleich die Urſache des plötzlichen Tollgewordenſeins ſeiner Hunde. Er prügelte jedesmal, ſobald eine der Beſtien das Zimmer verpeſtete, die ganze thieriſche Geſellſchaft zur Strafe ab, da er den Schuldigen weder ſuchen wollte, noch konnte.“ (47) S. 236. Man ſehe ihre Abbildungen bei Raoul - Rochette, Musée secret, Tafel 37, 40 und 42. (48) S. 237. O. L. B. Wolff: Allgemeine Geſchichte des Romans von deſſen Urſprung bis zur neueſten Zeit. Jena 1841, S. 324. ff. (49) S. 238. T. Delord führt den Chicard auf die Weinleſen von Burgund zurück. Geſang und Tanz des Chicard faßt er als Parodie der Liebe auf. S. 371.: n'est point une c'est encore une parodie; parodie de l'amour, de la grâce, de l'ancienne politesse fran¬ çaise, et, admirez jusqu'où peut aller chez nous l'ardeur de la dérision! parodie de la volupté; tout est réuni dans cette comédie licencieuse qu'on nomme le chahut . Ici les figures sont remplacées par des scènes; on ne danse pas, on agit, le drame de l'amour est représenté dans toutes ses péripéties, tout ce qui peut contribuer à en faire deviner le dénoûment. est mis en oeuvre; pour aider à la vérité de sa pantomime, le danseur, ou plutôt l'acteur, appelle ses muscles à son secours; il s'agite, il se disloque, il tous ses mouvemens ont un sens, toutes ses contorsions sont des emblèmes; ce que les

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/472>, abgerufen am 02.05.2024.