und Ringern, welche die Altis von Olympien bevölkerte, noch erhalten, oder nur die Marmororiginale der Thyaden und Tänzerinnen, deren schwache Schatten auf Reliefs und mittelmäßigen Wandgemälden noch unser Auge fesseln, so würde sich hier für uns eine ganz neue Quelle der Bewunderung eröffnen; wir würden staunen über die Meisterschaft jener Künstler, welche im vollen Gefühl ihrer Sicherheit, das Aeußerste wagen durften, und wirklich wagten. Wir würden es ihnen Dank wissen, daß sie sich nicht still bedachtsam, jede freiere Bewegung scheuend, innerhalb der vier Pfähle reinster Plastik gehalten; wir würden dem Künstler freudig folgen, wenn er die schwindelnde Bahn bis zum äußersten Gipfel seiner Kunst wagt, und erst dann den Meißel niederlegt, wenn ihn das Zerrbild lebloser Unnatur zurückschreckt, oder ihm als Bildner seiner Götter, -- die Grazie, diese Nemesis der Kunst, innezuhalten gebietet. Nichts lag außerhalb dem Bereich des Griechischen Künstlers, als der Tod der Aegyptischen Ruhe".
(16a) S. 44. Angeregt durch die Zeichnungen der Gebrüder Riepenhausen, hat sich Göthe viel Mühe gegeben, die Polygno¬ tischen Bilder in der Athenischen Poikile und Delphischen Lesche zu ordnen. Sie stellten eine Art von epischem Panorama vor. Aus den uns erhaltenen Beschreibungen, wie unvollkommen sie seien, erkennt man doch immer die Stoffe der Malerei und aus diesen, daß dieselben nichts Furchtbares von sich ausschloßen. Die gewöhnlichen aus Win¬ kelmann und Lessing geschöpften Vorstellungen von der Delicatesse, mit welcher die bildende Kunst das Häßliche gemieden habe, reichen hier nicht zu. Ich will von zerstückten Leibern schweigen, die man in den Krippen den Pferden unter den Häcksel gestreuet sah u. dgl.; ich will aus des Pausanias Bericht von dem Bilde in der Delphischen Lesche, welches den Besuch des Odysseus in der Unterwelt darstellte, nur Einiges, minder Schreckliche anführen: "Unter Charons Rachen wird ein vatermörderischer Sohn von seinem eigenen Vater erdrosselt. Zunächst wird ein Tempelräuber gestraft. Das Weib, dem er über¬ liefert ist, scheint sowohl jede Arzneimittel, als alle Gifte, mit denen man die Menschen tödtet, sehr wohl zu kennen. Ueber diesen Be¬ nannten sieht man den Eurynomos, welcher unter die Götter der Unter¬ welt gezählt wird. Man sagt, er verzehre das Fleisch der Todten und lasse nur die Knochen übrig. Hier ist er schwarzblau vorgestellt. Er zeigt die Zähne und sitzt auf dem Fell eines Raubthiers u. s. w."
(16b) S. 53. Es sollte dies eigentlich schon No. 17. sein. Aus Versehen ist 16 wiederholt. Die im Text erwähnten Stellen sind zwar oft genug gedruckt, indessen können wir uns wohl nicht entschlagen, sie auch hier noch einmal als eine wichtige Auctorität her¬
und Ringern, welche die Altis von Olympien bevölkerte, noch erhalten, oder nur die Marmororiginale der Thyaden und Tänzerinnen, deren ſchwache Schatten auf Reliefs und mittelmäßigen Wandgemälden noch unſer Auge feſſeln, ſo würde ſich hier für uns eine ganz neue Quelle der Bewunderung eröffnen; wir würden ſtaunen über die Meiſterſchaft jener Künſtler, welche im vollen Gefühl ihrer Sicherheit, das Aeußerſte wagen durften, und wirklich wagten. Wir würden es ihnen Dank wiſſen, daß ſie ſich nicht ſtill bedachtſam, jede freiere Bewegung ſcheuend, innerhalb der vier Pfähle reinſter Plaſtik gehalten; wir würden dem Künſtler freudig folgen, wenn er die ſchwindelnde Bahn bis zum äußerſten Gipfel ſeiner Kunſt wagt, und erſt dann den Meißel niederlegt, wenn ihn das Zerrbild lebloſer Unnatur zurückſchreckt, oder ihm als Bildner ſeiner Götter, — die Grazie, dieſe Nemeſis der Kunſt, innezuhalten gebietet. Nichts lag außerhalb dem Bereich des Griechiſchen Künſtlers, als der Tod der Aegyptiſchen Ruhe“.
(16a) S. 44. Angeregt durch die Zeichnungen der Gebrüder Riepenhauſen, hat ſich Göthe viel Mühe gegeben, die Polygno¬ tiſchen Bilder in der Atheniſchen Poikile und Delphiſchen Leſche zu ordnen. Sie ſtellten eine Art von epiſchem Panorama vor. Aus den uns erhaltenen Beſchreibungen, wie unvollkommen ſie ſeien, erkennt man doch immer die Stoffe der Malerei und aus dieſen, daß dieſelben nichts Furchtbares von ſich ausſchloßen. Die gewöhnlichen aus Win¬ kelmann und Leſſing geſchöpften Vorſtellungen von der Delicateſſe, mit welcher die bildende Kunſt das Häßliche gemieden habe, reichen hier nicht zu. Ich will von zerſtückten Leibern ſchweigen, die man in den Krippen den Pferden unter den Häckſel geſtreuet ſah u. dgl.; ich will aus des Pauſanias Bericht von dem Bilde in der Delphiſchen Leſche, welches den Beſuch des Odyſſeus in der Unterwelt darſtellte, nur Einiges, minder Schreckliche anführen: „Unter Charons Rachen wird ein vatermörderiſcher Sohn von ſeinem eigenen Vater erdroſſelt. Zunächſt wird ein Tempelräuber geſtraft. Das Weib, dem er über¬ liefert iſt, ſcheint ſowohl jede Arzneimittel, als alle Gifte, mit denen man die Menſchen tödtet, ſehr wohl zu kennen. Ueber dieſen Be¬ nannten ſieht man den Eurynomos, welcher unter die Götter der Unter¬ welt gezählt wird. Man ſagt, er verzehre das Fleiſch der Todten und laſſe nur die Knochen übrig. Hier iſt er ſchwarzblau vorgeſtellt. Er zeigt die Zähne und ſitzt auf dem Fell eines Raubthiers u. ſ. w.“
(16b) S. 53. Es ſollte dies eigentlich ſchon No. 17. ſein. Aus Verſehen iſt 16 wiederholt. Die im Text erwähnten Stellen ſind zwar oft genug gedruckt, indeſſen können wir uns wohl nicht entſchlagen, ſie auch hier noch einmal als eine wichtige Auctorität her¬
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[441/0463]
und Ringern, welche die Altis von Olympien bevölkerte, noch erhalten,
oder nur die Marmororiginale der Thyaden und Tänzerinnen, deren
ſchwache Schatten auf Reliefs und mittelmäßigen Wandgemälden noch
unſer Auge feſſeln, ſo würde ſich hier für uns eine ganz neue Quelle
der Bewunderung eröffnen; wir würden ſtaunen über die Meiſterſchaft
jener Künſtler, welche im vollen Gefühl ihrer Sicherheit, das Aeußerſte
wagen durften, und wirklich wagten. Wir würden es ihnen Dank
wiſſen, daß ſie ſich nicht ſtill bedachtſam, jede freiere Bewegung
ſcheuend, innerhalb der vier Pfähle reinſter Plaſtik gehalten; wir
würden dem Künſtler freudig folgen, wenn er die ſchwindelnde Bahn
bis zum äußerſten Gipfel ſeiner Kunſt wagt, und erſt dann den
Meißel niederlegt, wenn ihn das Zerrbild lebloſer Unnatur zurückſchreckt,
oder ihm als Bildner ſeiner Götter, — die Grazie, dieſe Nemeſis
der Kunſt, innezuhalten gebietet. Nichts lag außerhalb dem Bereich
des Griechiſchen Künſtlers, als der Tod der Aegyptiſchen Ruhe“.
(16a) S. 44. Angeregt durch die Zeichnungen der Gebrüder
Riepenhauſen, hat ſich Göthe viel Mühe gegeben, die Polygno¬
tiſchen Bilder in der Atheniſchen Poikile und Delphiſchen Leſche zu
ordnen. Sie ſtellten eine Art von epiſchem Panorama vor. Aus den
uns erhaltenen Beſchreibungen, wie unvollkommen ſie ſeien, erkennt
man doch immer die Stoffe der Malerei und aus dieſen, daß dieſelben
nichts Furchtbares von ſich ausſchloßen. Die gewöhnlichen aus Win¬
kelmann und Leſſing geſchöpften Vorſtellungen von der Delicateſſe,
mit welcher die bildende Kunſt das Häßliche gemieden habe, reichen
hier nicht zu. Ich will von zerſtückten Leibern ſchweigen, die man in
den Krippen den Pferden unter den Häckſel geſtreuet ſah u. dgl.; ich
will aus des Pauſanias Bericht von dem Bilde in der Delphiſchen
Leſche, welches den Beſuch des Odyſſeus in der Unterwelt darſtellte,
nur Einiges, minder Schreckliche anführen: „Unter Charons Rachen
wird ein vatermörderiſcher Sohn von ſeinem eigenen Vater erdroſſelt.
Zunächſt wird ein Tempelräuber geſtraft. Das Weib, dem er über¬
liefert iſt, ſcheint ſowohl jede Arzneimittel, als alle Gifte, mit denen
man die Menſchen tödtet, ſehr wohl zu kennen. Ueber dieſen Be¬
nannten ſieht man den Eurynomos, welcher unter die Götter der Unter¬
welt gezählt wird. Man ſagt, er verzehre das Fleiſch der Todten
und laſſe nur die Knochen übrig. Hier iſt er ſchwarzblau vorgeſtellt.
Er zeigt die Zähne und ſitzt auf dem Fell eines Raubthiers u. ſ. w.“
(16b) S. 53. Es ſollte dies eigentlich ſchon No. 17. ſein.
Aus Verſehen iſt 16 wiederholt. Die im Text erwähnten Stellen
ſind zwar oft genug gedruckt, indeſſen können wir uns wohl nicht
entſchlagen, ſie auch hier noch einmal als eine wichtige Auctorität her¬
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/463>, abgerufen am 24.11.2024.
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