Die Caricatur muß die Idee in der Form der Unidee, das Wesen in der Verkehrung seiner Erscheinung darstellen, aber diese Unidee und Verkehrung in ein concretes Medium reflectiren. Mit andern Worten, sie muß die Kunst der Individualisirung verstehen. Die Caricatur ist das Wider¬ spiel der wahrhaften Schönheit, die ihre Genugthuung in sich selbst trägt und sich am Wohllaut ihrer eigenen Formen ersättigt. Die Caricatur weist unruhig über sich hinaus, weil sie mit sich zugleich etwas Anderes darstellt. Sie ist eine in sich entzweiete, wenn auch in dieser Entzweiung mit sich relativ harmonische Gestalt. Die empirische Vermit¬ telung, von welcher sie ausgeht, kann eine unendlich verschiedene sein. Zustände, Handlungen, Bildungs¬ tendenzen jeglichen Inhalts können zu ihr die Veranlassung geben. Wir sehen, daß Nachbarvölker ihre Eigenheiten in Zerrbildern zusammenfassen. Der Franzose carikirt den Briten, der Brite den Franzosen u. s. w. Hervorragendere Städte bringen aus sich Zerrbilder hervor, in denen sie ihre Eigenthümlichkeiten ironisch verlachen. Die Typen der Römischen Attellanen z. B. vererbten sich auf die neuern Italienischen Masken, zu welchen die verschiedenen Haupt¬ städte Italiens ihren Beitrag lieferten. Der Arlechino ist der alte Römische Sannio; Pantalone der Venetianische Kaufmann; der Dottore ist von Bologna; der Beltramo von Mailand; der Scapino ist der spitzbübische Bediente von Bergamo; der Spanische Capitano und Scaramuccia ist von Neapel; Pulicinella der Apulische Spaßvogel von Acerra, der Maccus der Alten; Tartaglia der Stotterer; Brighella der Betrüger und Kuppler von Ferrara; Pascariello, der schwatzhafte Geck von Neapel; Gelsomino das süße Herrchen von Rom und Florenz u. s. w. Der Mezzetino und Pierrot
Die Caricatur muß die Idee in der Form der Unidee, das Weſen in der Verkehrung ſeiner Erſcheinung darſtellen, aber dieſe Unidee und Verkehrung in ein concretes Medium reflectiren. Mit andern Worten, ſie muß die Kunſt der Individualiſirung verſtehen. Die Caricatur iſt das Wider¬ ſpiel der wahrhaften Schönheit, die ihre Genugthuung in ſich ſelbſt trägt und ſich am Wohllaut ihrer eigenen Formen erſättigt. Die Caricatur weiſt unruhig über ſich hinaus, weil ſie mit ſich zugleich etwas Anderes darſtellt. Sie iſt eine in ſich entzweiete, wenn auch in dieſer Entzweiung mit ſich relativ harmoniſche Geſtalt. Die empiriſche Vermit¬ telung, von welcher ſie ausgeht, kann eine unendlich verſchiedene ſein. Zuſtände, Handlungen, Bildungs¬ tendenzen jeglichen Inhalts können zu ihr die Veranlaſſung geben. Wir ſehen, daß Nachbarvölker ihre Eigenheiten in Zerrbildern zuſammenfaſſen. Der Franzoſe carikirt den Briten, der Brite den Franzoſen u. ſ. w. Hervorragendere Städte bringen aus ſich Zerrbilder hervor, in denen ſie ihre Eigenthümlichkeiten ironiſch verlachen. Die Typen der Römiſchen Attellanen z. B. vererbten ſich auf die neuern Italieniſchen Masken, zu welchen die verſchiedenen Haupt¬ ſtädte Italiens ihren Beitrag lieferten. Der Arlechino iſt der alte Römiſche Sannio; Pantalone der Venetianiſche Kaufmann; der Dottore iſt von Bologna; der Beltramo von Mailand; der Scapino iſt der ſpitzbübiſche Bediente von Bergamo; der Spaniſche Capitano und Scaramuccia iſt von Neapel; Pulicinella der Apuliſche Spaßvogel von Acerra, der Maccus der Alten; Tartaglia der Stotterer; Brighella der Betrüger und Kuppler von Ferrara; Pascariello, der ſchwatzhafte Geck von Neapel; Gelſomino das ſüße Herrchen von Rom und Florenz u. ſ. w. Der Mezzetino und Pierrot
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Die Caricatur muß die Idee in der Form der Unidee,
das Weſen in der Verkehrung ſeiner Erſcheinung darſtellen,
aber dieſe Unidee und Verkehrung in ein concretes Medium
reflectiren. Mit andern Worten, ſie muß die Kunſt der
Individualiſirung verſtehen. Die Caricatur iſt das Wider¬
ſpiel der wahrhaften Schönheit, die ihre Genugthuung in
ſich ſelbſt trägt und ſich am Wohllaut ihrer eigenen Formen
erſättigt. Die Caricatur weiſt unruhig über ſich hinaus,
weil ſie mit ſich zugleich etwas Anderes darſtellt. Sie iſt
eine in ſich entzweiete, wenn auch in dieſer Entzweiung mit
ſich relativ harmoniſche Geſtalt. Die empiriſche Vermit¬
telung, von welcher ſie ausgeht, kann eine unendlich
verſchiedene ſein. Zuſtände, Handlungen, Bildungs¬
tendenzen jeglichen Inhalts können zu ihr die Veranlaſſung
geben. Wir ſehen, daß Nachbarvölker ihre Eigenheiten
in Zerrbildern zuſammenfaſſen. Der Franzoſe carikirt den
Briten, der Brite den Franzoſen u. ſ. w. Hervorragendere
Städte bringen aus ſich Zerrbilder hervor, in denen ſie
ihre Eigenthümlichkeiten ironiſch verlachen. Die Typen der
Römiſchen Attellanen z. B. vererbten ſich auf die neuern
Italieniſchen Masken, zu welchen die verſchiedenen Haupt¬
ſtädte Italiens ihren Beitrag lieferten. Der Arlechino iſt
der alte Römiſche Sannio; Pantalone der Venetianiſche
Kaufmann; der Dottore iſt von Bologna; der Beltramo
von Mailand; der Scapino iſt der ſpitzbübiſche Bediente von
Bergamo; der Spaniſche Capitano und Scaramuccia iſt von
Neapel; Pulicinella der Apuliſche Spaßvogel von Acerra,
der Maccus der Alten; Tartaglia der Stotterer; Brighella
der Betrüger und Kuppler von Ferrara; Pascariello, der
ſchwatzhafte Geck von Neapel; Gelſomino das ſüße Herrchen
von Rom und Florenz u. ſ. w. Der Mezzetino und Pierrot
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/436>, abgerufen am 25.11.2024.
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