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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Wenn die Caricatur durch Ueberladung entsteht, so
möchten wir die Frazze als das Extrem der Caricatur be¬
trachten, wodurch die Uebertreibung übertrieben wird und
damit in das Undulistische, Nebulose übergeht, wie diesen
Uebergang die letzten hier aus Göthe angeführten Aeußerungen
richtig bezeichnen. Die Frazze als solche ist allerdings hä߬
lich, aber durch ihre bizarre und groteske Gestaltung kann
sie ein vorzügliches Mittel der Komik werden. Wie reich
ist nicht Shakespeare an solchen Frazzen! In Heinrich IV.
und in den lustigen Weibern von Windsor sind der Cor¬
poral Nym, Bardolph, Dortchen Lakenreißer, Schaal, die
Recruten, in den beiden Veronesern der Diener Lanze, in
Liebes Leid und Lust Nathanael, Holofernes, Dumm und
Schädel, in viel Lärmen um Nichts der Friedensrichter und
Constabler u. s. w. nichts als Frazzen, die uns aber
herzlich zu lachen machen. Gargantua und Pantagruel bei
Rabelais wie bei Fischart sind Frazzen. Tieck und Boz
sind überschwänglich in Frazzen. Auch die Malerei hat
zahllose Ausgeburten lustiger Frazzen hervorgebracht. Wir
erinnern nur an die Compositionen der Breughel und Teniers.
Selbst die bildende Kunst, welcher doch die Frazze gänzlich
zu widerstreben scheint, hat sie in verschiedenen Formen cul¬
tivirt. Jene schon öfter von uns erwähnten monströsen
Figuren, in denen die Satire der mittelaltrigen Steinmetzen
sich freien Lauf ließ, was sind sie anders als die seltsamsten,
ungeheuersten Frazzen! Dantans Statuetten von Nisard,
Ponichard, Lißt, Brougham u. s. w. sind Frazzen. Die
Komik der Pantomine kann ihrer gar nicht entbehren. Die
Figur des gefräßigen breitmäulig schlottrigen, tölpelhaften, ein¬
fältig pfiffigen, durchgeprügelten Pierrot, welche Dominico
auf dem Italienischen Theater zu Paris aus der Kleidung des

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Wenn die Caricatur durch Ueberladung entſteht, ſo
möchten wir die Frazze als das Extrem der Caricatur be¬
trachten, wodurch die Uebertreibung übertrieben wird und
damit in das Unduliſtiſche, Nebuloſe übergeht, wie dieſen
Uebergang die letzten hier aus Göthe angeführten Aeußerungen
richtig bezeichnen. Die Frazze als ſolche iſt allerdings hä߬
lich, aber durch ihre bizarre und groteske Geſtaltung kann
ſie ein vorzügliches Mittel der Komik werden. Wie reich
iſt nicht Shakeſpeare an ſolchen Frazzen! In Heinrich IV.
und in den luſtigen Weibern von Windſor ſind der Cor¬
poral Nym, Bardolph, Dortchen Lakenreißer, Schaal, die
Recruten, in den beiden Veroneſern der Diener Lanze, in
Liebes Leid und Luſt Nathanael, Holofernes, Dumm und
Schädel, in viel Lärmen um Nichts der Friedensrichter und
Conſtabler u. ſ. w. nichts als Frazzen, die uns aber
herzlich zu lachen machen. Gargantua und Pantagruel bei
Rabelais wie bei Fiſchart ſind Frazzen. Tieck und Boz
ſind überſchwänglich in Frazzen. Auch die Malerei hat
zahlloſe Ausgeburten luſtiger Frazzen hervorgebracht. Wir
erinnern nur an die Compoſitionen der Breughel und Teniers.
Selbſt die bildende Kunſt, welcher doch die Frazze gänzlich
zu widerſtreben ſcheint, hat ſie in verſchiedenen Formen cul¬
tivirt. Jene ſchon öfter von uns erwähnten monſtröſen
Figuren, in denen die Satire der mittelaltrigen Steinmetzen
ſich freien Lauf ließ, was ſind ſie anders als die ſeltſamſten,
ungeheuerſten Frazzen! Dantans Statuetten von Niſard,
Ponichard, Lißt, Brougham u. ſ. w. ſind Frazzen. Die
Komik der Pantomine kann ihrer gar nicht entbehren. Die
Figur des gefräßigen breitmäulig ſchlottrigen, tölpelhaften, ein¬
fältig pfiffigen, durchgeprügelten Pierrot, welche Dominico
auf dem Italieniſchen Theater zu Paris aus der Kleidung des

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[403/0425] Wenn die Caricatur durch Ueberladung entſteht, ſo möchten wir die Frazze als das Extrem der Caricatur be¬ trachten, wodurch die Uebertreibung übertrieben wird und damit in das Unduliſtiſche, Nebuloſe übergeht, wie dieſen Uebergang die letzten hier aus Göthe angeführten Aeußerungen richtig bezeichnen. Die Frazze als ſolche iſt allerdings hä߬ lich, aber durch ihre bizarre und groteske Geſtaltung kann ſie ein vorzügliches Mittel der Komik werden. Wie reich iſt nicht Shakeſpeare an ſolchen Frazzen! In Heinrich IV. und in den luſtigen Weibern von Windſor ſind der Cor¬ poral Nym, Bardolph, Dortchen Lakenreißer, Schaal, die Recruten, in den beiden Veroneſern der Diener Lanze, in Liebes Leid und Luſt Nathanael, Holofernes, Dumm und Schädel, in viel Lärmen um Nichts der Friedensrichter und Conſtabler u. ſ. w. nichts als Frazzen, die uns aber herzlich zu lachen machen. Gargantua und Pantagruel bei Rabelais wie bei Fiſchart ſind Frazzen. Tieck und Boz ſind überſchwänglich in Frazzen. Auch die Malerei hat zahlloſe Ausgeburten luſtiger Frazzen hervorgebracht. Wir erinnern nur an die Compoſitionen der Breughel und Teniers. Selbſt die bildende Kunſt, welcher doch die Frazze gänzlich zu widerſtreben ſcheint, hat ſie in verſchiedenen Formen cul¬ tivirt. Jene ſchon öfter von uns erwähnten monſtröſen Figuren, in denen die Satire der mittelaltrigen Steinmetzen ſich freien Lauf ließ, was ſind ſie anders als die ſeltſamſten, ungeheuerſten Frazzen! Dantans Statuetten von Niſard, Ponichard, Lißt, Brougham u. ſ. w. ſind Frazzen. Die Komik der Pantomine kann ihrer gar nicht entbehren. Die Figur des gefräßigen breitmäulig ſchlottrigen, tölpelhaften, ein¬ fältig pfiffigen, durchgeprügelten Pierrot, welche Dominico auf dem Italieniſchen Theater zu Paris aus der Kleidung des 26 *

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/425>, abgerufen am 25.11.2024.