chung des Ninus mit dem Vater des Hamlet. Er macht die feine Bemerkung, daß der Geist des letztern nicht sowohl durch sich, als durch die Art und Weise wirke, wie Hamlet uns die Wirkung der Erscheinung auf sich ausdrückt. Der Geist des Ninus hat den Zweck, Blutschande zu verhindern und Rache an seinem Mörder zu üben. Er ist nur als eine poetische Maschine des Knotens wegen da; Hamlets Vater dagegen eine wirklich handelnde Person, an deren Schicksal wir Antheil nehmen, die Schauder, aber auch Mitleid erweckt. Voltaire's Hauptfehler besteht nun nach Lessing darin, daß er in der Erscheinung des Geistes eine Ausnahme von den Gesetzen der Weltordnung, ein Wunder, Shakespeare hin¬ gegen eine ganz natürliche Begebenheit erblickt, "denn es ist unstreitig dem weisesten Wesen weit anständiger, wenn es dieser außerordentlichen Wege nicht bedarf, und wir uns die Belohnung des Guten und Bestrafung des Bösen in die ordentliche Kette der Dinge von ihm mit eingeflochten denken." Dies ist es, was wir oben mit den Worten haben bezeichnen wollen, daß erst die Nothwendigkeit der ewigen sittlichen Mächte dem Gespenstischen die ideale Weihe zu geben ver¬ möge. Der eigene Trieb des Geistes muß von Innen her¬ aus die sonstigen Schranken des Grabes durchbrechen. -- Aber eine kleine Bemerkung dürfen wir uns wohl gegen Lessing erlauben. Er hat den Unterschied zwischen Schatten und Gespenst hier unbeachtet gelassen. Er hat nicht daran gedacht, daß der Geist Banquo's seinen Platz an der Tafel einnimmt, bei hellem Lichte einnimmt, bei demselben Dichter, den er übrigens mit dem vollkommensten Rechte als den Meister in der Schilderung des Grauenhaften im Gespensti¬ schen rühmt. Er tadelt es an Voltaire als eine Unschick¬ lichkeit, ein Gespenst vor den Augen einer großen Menge
chung des Ninus mit dem Vater des Hamlet. Er macht die feine Bemerkung, daß der Geiſt des letztern nicht ſowohl durch ſich, als durch die Art und Weiſe wirke, wie Hamlet uns die Wirkung der Erſcheinung auf ſich ausdrückt. Der Geiſt des Ninus hat den Zweck, Blutſchande zu verhindern und Rache an ſeinem Mörder zu üben. Er iſt nur als eine poetiſche Maſchine des Knotens wegen da; Hamlets Vater dagegen eine wirklich handelnde Perſon, an deren Schickſal wir Antheil nehmen, die Schauder, aber auch Mitleid erweckt. Voltaire's Hauptfehler beſteht nun nach Leſſing darin, daß er in der Erſcheinung des Geiſtes eine Ausnahme von den Geſetzen der Weltordnung, ein Wunder, Shakeſpeare hin¬ gegen eine ganz natürliche Begebenheit erblickt, „denn es iſt unſtreitig dem weiſeſten Weſen weit anſtändiger, wenn es dieſer außerordentlichen Wege nicht bedarf, und wir uns die Belohnung des Guten und Beſtrafung des Böſen in die ordentliche Kette der Dinge von ihm mit eingeflochten denken.“ Dies iſt es, was wir oben mit den Worten haben bezeichnen wollen, daß erſt die Nothwendigkeit der ewigen ſittlichen Mächte dem Geſpenſtiſchen die ideale Weihe zu geben ver¬ möge. Der eigene Trieb des Geiſtes muß von Innen her¬ aus die ſonſtigen Schranken des Grabes durchbrechen. — Aber eine kleine Bemerkung dürfen wir uns wohl gegen Leſſing erlauben. Er hat den Unterſchied zwiſchen Schatten und Geſpenſt hier unbeachtet gelaſſen. Er hat nicht daran gedacht, daß der Geiſt Banquo's ſeinen Platz an der Tafel einnimmt, bei hellem Lichte einnimmt, bei demſelben Dichter, den er übrigens mit dem vollkommenſten Rechte als den Meiſter in der Schilderung des Grauenhaften im Geſpenſti¬ ſchen rühmt. Er tadelt es an Voltaire als eine Unſchick¬ lichkeit, ein Geſpenſt vor den Augen einer großen Menge
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chung des Ninus mit dem Vater des Hamlet. Er macht
die feine Bemerkung, daß der Geiſt des letztern nicht ſowohl
durch ſich, als durch die Art und Weiſe wirke, wie Hamlet
uns die Wirkung der Erſcheinung auf ſich ausdrückt. Der
Geiſt des Ninus hat den Zweck, Blutſchande zu verhindern
und Rache an ſeinem Mörder zu üben. Er iſt nur als eine
poetiſche Maſchine des Knotens wegen da; Hamlets Vater
dagegen eine wirklich handelnde Perſon, an deren Schickſal
wir Antheil nehmen, die Schauder, aber auch Mitleid erweckt.
Voltaire's Hauptfehler beſteht nun nach Leſſing darin, daß
er in der Erſcheinung des Geiſtes eine Ausnahme von den
Geſetzen der Weltordnung, ein Wunder, Shakeſpeare hin¬
gegen eine ganz natürliche Begebenheit erblickt, „denn es
iſt unſtreitig dem weiſeſten Weſen weit anſtändiger, wenn
es dieſer außerordentlichen Wege nicht bedarf, und wir uns
die Belohnung des Guten und Beſtrafung des Böſen in die
ordentliche Kette der Dinge von ihm mit eingeflochten denken.“
Dies iſt es, was wir oben mit den Worten haben bezeichnen
wollen, daß erſt die Nothwendigkeit der ewigen ſittlichen
Mächte dem Geſpenſtiſchen die ideale Weihe zu geben ver¬
möge. Der eigene Trieb des Geiſtes muß von Innen her¬
aus die ſonſtigen Schranken des Grabes durchbrechen. —
Aber eine kleine Bemerkung dürfen wir uns wohl gegen
Leſſing erlauben. Er hat den Unterſchied zwiſchen Schatten
und Geſpenſt hier unbeachtet gelaſſen. Er hat nicht daran
gedacht, daß der Geiſt Banquo's ſeinen Platz an der Tafel
einnimmt, bei hellem Lichte einnimmt, bei demſelben Dichter,
den er übrigens mit dem vollkommenſten Rechte als den
Meiſter in der Schilderung des Grauenhaften im Geſpenſti¬
ſchen rühmt. Er tadelt es an Voltaire als eine Unſchick¬
lichkeit, ein Geſpenſt vor den Augen einer großen Menge
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/368>, abgerufen am 28.11.2024.
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