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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Der Mord endlich kann komisch nur als Parodie er¬
scheinen. Er wird zum possenhaften Spiel übertrieben, wie
wir in neuerer Zeit viel solcher schaudriger, maudriger Mo¬
rithaten in den Münchener fliegenden Blättern, in den
Musenklängen aus Deutschlands Leierkasten, in den Düssel¬
dorfer Monatsheften u. s. w. haben besingen hören. Wäre
das Wort nicht doch noch zu gut dafür, so könnte man sie
tragikomisch nennen.

b. Das Gespenstische.

Das Leben scheuet seiner Natur nach den Tod. Vom
Todten ist schon oben gehandelt. Es wird zum Gespenstischen,
wenn es, seiner Natur entgegen, doch wieder als das Le¬
bendige erscheint. Der Widerspruch, daß das Todte dennoch
lebendig sein solle, macht das Grauen der Gespensterfurcht
aus. Das gestorbene Leben als solches ist nicht gespenstig.
Wir können bei einem Leichnam unbefangen wachen. Würde
aber ein Windhauch seine Decke bewegen oder würde das
Flackern des Lichts uns seine Züge ungewiß machen, so
würde der bloße Gedanke des Lebens in dem Todten, der
uns außerdem vielleicht sehr angenehm sein kann, zunächst
etwas Gespenstisches an sich haben. Mit dem Tode schließt
für uns das Diesseits ab; die Eröffnung des Jenseits durch
einen schon gestorben Gewesenen hat den Charakter einer
furchtbaren Anomalie. Der Gestorbene, dem Jenseits ange¬
hörig, scheint Gesetzen zu gehorchen, die wir nicht kennen.
Mit dem Abscheu vor dem Todten als einem der Verwesung
verfallenen Dasein, mit der Ehrfurcht vor dem Todten als
einem geweiheten Wesen, mischt sich das absolute Mysterium
der Zukunft. Wir haben für unsere ästhetischen Zwecke die
Vorstellung von Schatten und Gespenst auseinanderzu¬

Rosenkranz, Aesthetik des Häßlichen. 22

Der Mord endlich kann komiſch nur als Parodie er¬
ſcheinen. Er wird zum poſſenhaften Spiel übertrieben, wie
wir in neuerer Zeit viel ſolcher ſchaudriger, maudriger Mo¬
rithaten in den Münchener fliegenden Blättern, in den
Muſenklängen aus Deutſchlands Leierkaſten, in den Düſſel¬
dorfer Monatsheften u. ſ. w. haben beſingen hören. Wäre
das Wort nicht doch noch zu gut dafür, ſo könnte man ſie
tragikomiſch nennen.

β. Das Geſpenſtiſche.

Das Leben ſcheuet ſeiner Natur nach den Tod. Vom
Todten iſt ſchon oben gehandelt. Es wird zum Geſpenſtiſchen,
wenn es, ſeiner Natur entgegen, doch wieder als das Le¬
bendige erſcheint. Der Widerſpruch, daß das Todte dennoch
lebendig ſein ſolle, macht das Grauen der Geſpenſterfurcht
aus. Das geſtorbene Leben als ſolches iſt nicht geſpenſtig.
Wir können bei einem Leichnam unbefangen wachen. Würde
aber ein Windhauch ſeine Decke bewegen oder würde das
Flackern des Lichts uns ſeine Züge ungewiß machen, ſo
würde der bloße Gedanke des Lebens in dem Todten, der
uns außerdem vielleicht ſehr angenehm ſein kann, zunächſt
etwas Geſpenſtiſches an ſich haben. Mit dem Tode ſchließt
für uns das Dieſſeits ab; die Eröffnung des Jenſeits durch
einen ſchon geſtorben Geweſenen hat den Charakter einer
furchtbaren Anomalie. Der Geſtorbene, dem Jenſeits ange¬
hörig, ſcheint Geſetzen zu gehorchen, die wir nicht kennen.
Mit dem Abſcheu vor dem Todten als einem der Verweſung
verfallenen Daſein, mit der Ehrfurcht vor dem Todten als
einem geweiheten Weſen, miſcht ſich das abſolute Myſterium
der Zukunft. Wir haben für unſere äſthetiſchen Zwecke die
Vorſtellung von Schatten und Geſpenſt auseinanderzu¬

Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 22
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[337/0359] Der Mord endlich kann komiſch nur als Parodie er¬ ſcheinen. Er wird zum poſſenhaften Spiel übertrieben, wie wir in neuerer Zeit viel ſolcher ſchaudriger, maudriger Mo¬ rithaten in den Münchener fliegenden Blättern, in den Muſenklängen aus Deutſchlands Leierkaſten, in den Düſſel¬ dorfer Monatsheften u. ſ. w. haben beſingen hören. Wäre das Wort nicht doch noch zu gut dafür, ſo könnte man ſie tragikomiſch nennen. β. Das Geſpenſtiſche. Das Leben ſcheuet ſeiner Natur nach den Tod. Vom Todten iſt ſchon oben gehandelt. Es wird zum Geſpenſtiſchen, wenn es, ſeiner Natur entgegen, doch wieder als das Le¬ bendige erſcheint. Der Widerſpruch, daß das Todte dennoch lebendig ſein ſolle, macht das Grauen der Geſpenſterfurcht aus. Das geſtorbene Leben als ſolches iſt nicht geſpenſtig. Wir können bei einem Leichnam unbefangen wachen. Würde aber ein Windhauch ſeine Decke bewegen oder würde das Flackern des Lichts uns ſeine Züge ungewiß machen, ſo würde der bloße Gedanke des Lebens in dem Todten, der uns außerdem vielleicht ſehr angenehm ſein kann, zunächſt etwas Geſpenſtiſches an ſich haben. Mit dem Tode ſchließt für uns das Dieſſeits ab; die Eröffnung des Jenſeits durch einen ſchon geſtorben Geweſenen hat den Charakter einer furchtbaren Anomalie. Der Geſtorbene, dem Jenſeits ange¬ hörig, ſcheint Geſetzen zu gehorchen, die wir nicht kennen. Mit dem Abſcheu vor dem Todten als einem der Verweſung verfallenen Daſein, mit der Ehrfurcht vor dem Todten als einem geweiheten Weſen, miſcht ſich das abſolute Myſterium der Zukunft. Wir haben für unſere äſthetiſchen Zwecke die Vorſtellung von Schatten und Geſpenſt auseinanderzu¬ Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 22

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/359>, abgerufen am 23.11.2024.