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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Romane erschienen, die nur als Symptome der Zeitstimmun¬
gen von der Politik und Psychologie aus, nicht aber als
Kunstwerke Beachtung verdienen. Die Zerrissenheit der em¬
pörten Geister ist darin bei der Confusion der Gedankenflucht
angelangt und Mager hat keinen Anstand genommen, in
seiner Geschichte der Französischen Nationalliteratur neuerer
und neuester Zeit, 1839, Bd. II., S. 374, geradezu die
Kategorie: Verrückte Romane, aufzustellen.

Man muß daher mit der absoluten Unfaßlichkeit dieses
faselnden Absurden nicht denjenigen Widerspruch verwechseln,
der in der phantastischen Weltanschauung allerdings dem
Verstande widerspricht, allein nur, weil er, im Spiel mit
den Schranken des Endlichen, doch das Wesen der Idee zur
Vorstellung bringen will. Hieher gehört das Wunderbare,
welches das Gesetz der objectiven Causalität negirt, um eine
höhere Idee, die Freiheit des Geistes von der Natur, in solch
phantastischer Form darzustellen. Das ächte Wunder unter¬
scheidet sich von dem schlechten Mirakel durch die Unend¬
lichkeit seines ethisch-religiösen Gehaltes, während das Mi¬
rakel den Widersinn als solchen, die Absurdität selber, ver¬
absolutirt. Wir haben diesen Unterschied in zwei Mytholo¬
gien vor uns, in der Griechischen und Indischen. Die
thaumatischen Momente in den Mythen der ersteren hängen
immer mit den tiefsten Ideen zusammen, so daß sie für die
gebildete Menschheit die schönsten und universellsten Symbole
derselben geworden sind, während die Mythen der letztern zu
sehr von absurden Schlingpflanzen umrankt sind, als daß
das Sinnige, was in der Anlage auch wohl vorhanden ist,
sichtbar werden könnte. Aehnlich unterscheiden sich die Wunder,
welche die kanonischen Evangelien erzählen, von denen der
apokryphischen, die mehr oder weniger absurd sind. Auch in

Romane erſchienen, die nur als Symptome der Zeitſtimmun¬
gen von der Politik und Pſychologie aus, nicht aber als
Kunſtwerke Beachtung verdienen. Die Zerriſſenheit der em¬
pörten Geiſter iſt darin bei der Confuſion der Gedankenflucht
angelangt und Mager hat keinen Anſtand genommen, in
ſeiner Geſchichte der Franzöſiſchen Nationalliteratur neuerer
und neueſter Zeit, 1839, Bd. II., S. 374, geradezu die
Kategorie: Verrückte Romane, aufzuſtellen.

Man muß daher mit der abſoluten Unfaßlichkeit dieſes
faſelnden Abſurden nicht denjenigen Widerſpruch verwechſeln,
der in der phantaſtiſchen Weltanſchauung allerdings dem
Verſtande widerſpricht, allein nur, weil er, im Spiel mit
den Schranken des Endlichen, doch das Weſen der Idee zur
Vorſtellung bringen will. Hieher gehört das Wunderbare,
welches das Geſetz der objectiven Cauſalität negirt, um eine
höhere Idee, die Freiheit des Geiſtes von der Natur, in ſolch
phantaſtiſcher Form darzuſtellen. Das ächte Wunder unter¬
ſcheidet ſich von dem ſchlechten Mirakel durch die Unend¬
lichkeit ſeines ethiſch-religiöſen Gehaltes, während das Mi¬
rakel den Widerſinn als ſolchen, die Abſurdität ſelber, ver¬
abſolutirt. Wir haben dieſen Unterſchied in zwei Mytholo¬
gien vor uns, in der Griechiſchen und Indiſchen. Die
thaumatiſchen Momente in den Mythen der erſteren hängen
immer mit den tiefſten Ideen zuſammen, ſo daß ſie für die
gebildete Menſchheit die ſchönſten und univerſellſten Symbole
derſelben geworden ſind, während die Mythen der letztern zu
ſehr von abſurden Schlingpflanzen umrankt ſind, als daß
das Sinnige, was in der Anlage auch wohl vorhanden iſt,
ſichtbar werden könnte. Aehnlich unterſcheiden ſich die Wunder,
welche die kanoniſchen Evangelien erzählen, von denen der
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[303/0325] Romane erſchienen, die nur als Symptome der Zeitſtimmun¬ gen von der Politik und Pſychologie aus, nicht aber als Kunſtwerke Beachtung verdienen. Die Zerriſſenheit der em¬ pörten Geiſter iſt darin bei der Confuſion der Gedankenflucht angelangt und Mager hat keinen Anſtand genommen, in ſeiner Geſchichte der Franzöſiſchen Nationalliteratur neuerer und neueſter Zeit, 1839, Bd. II., S. 374, geradezu die Kategorie: Verrückte Romane, aufzuſtellen. Man muß daher mit der abſoluten Unfaßlichkeit dieſes faſelnden Abſurden nicht denjenigen Widerſpruch verwechſeln, der in der phantaſtiſchen Weltanſchauung allerdings dem Verſtande widerſpricht, allein nur, weil er, im Spiel mit den Schranken des Endlichen, doch das Weſen der Idee zur Vorſtellung bringen will. Hieher gehört das Wunderbare, welches das Geſetz der objectiven Cauſalität negirt, um eine höhere Idee, die Freiheit des Geiſtes von der Natur, in ſolch phantaſtiſcher Form darzuſtellen. Das ächte Wunder unter¬ ſcheidet ſich von dem ſchlechten Mirakel durch die Unend¬ lichkeit ſeines ethiſch-religiöſen Gehaltes, während das Mi¬ rakel den Widerſinn als ſolchen, die Abſurdität ſelber, ver¬ abſolutirt. Wir haben dieſen Unterſchied in zwei Mytholo¬ gien vor uns, in der Griechiſchen und Indiſchen. Die thaumatiſchen Momente in den Mythen der erſteren hängen immer mit den tiefſten Ideen zuſammen, ſo daß ſie für die gebildete Menſchheit die ſchönſten und univerſellſten Symbole derſelben geworden ſind, während die Mythen der letztern zu ſehr von abſurden Schlingpflanzen umrankt ſind, als daß das Sinnige, was in der Anlage auch wohl vorhanden iſt, ſichtbar werden könnte. Aehnlich unterſcheiden ſich die Wunder, welche die kanoniſchen Evangelien erzählen, von denen der apokryphiſchen, die mehr oder weniger abſurd ſind. Auch in

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/325>, abgerufen am 22.11.2024.