die Anklage eben so geistvoll begründeten, als Dupin, Barthe und Berville ihnen, mit der interessantesten Bezugnahme auf die Geschichte der Chanson in Frankreich, antworteten. Hätten wir hier nur den Begriff des Frivolen zu erörtern, so würden wir nicht ermangeln, näher darauf einzugehen; für uns ist aber das Frivole nur ein Moment in einer viel größern Totalität (62). Wir beschränken uns darauf, durch einige Beispiele die bisherige Auseinandersetzung zu illustriren. Wenn Heine in seinem Gedicht: Disputation, den Mönch gegen den Rabbi zur Vertheidigung des christlichen Glaubens sagen läßt:
Trotzen kann ich deinen Geistern, Deinen dunkeln Höllenpossen, Denn in mir ist Jesus Christus, Habe seinen Leib genossen.
so läßt sich unter den einmal vorhandenen Umständen, auf Spanischem Boden, im Mittelalter, nichts dagegen sagen. Wenn er nun aber den Mönch fortfahren läßt:
Christus ist mein Leibgericht, Schmeckt viel besser als Leviathan Mit der weißen Knoblauchsauce, Die vielleicht gekocht der Satan.
so ist der Ausdruck: Leibgericht, schlechthin frivol und durch die Gemeinheit des Fanatismus, der hier geschildert werden soll, nicht zu rechtfertigen. -- Man kann von Heine nicht fordern, daß er das Sacrament des Abendmahls zu einem Moment seines eigenen Glaubens mache; allein die Poesie darf von ihm fordern, daß er nicht mit Hohn überschütte, was tausenden der Hörer, an die er sich wendet, heilig ist. Die Trockenheit, die doctrinäre Einfachheit, womit er sich ausspricht, steigern nur die Verletzung. In den Romanzen
die Anklage eben ſo geiſtvoll begründeten, als Dupin, Barthe und Berville ihnen, mit der intereſſanteſten Bezugnahme auf die Geſchichte der Chanſon in Frankreich, antworteten. Hätten wir hier nur den Begriff des Frivolen zu erörtern, ſo würden wir nicht ermangeln, näher darauf einzugehen; für uns iſt aber das Frivole nur ein Moment in einer viel größern Totalität (62). Wir beſchränken uns darauf, durch einige Beiſpiele die bisherige Auseinanderſetzung zu illuſtriren. Wenn Heine in ſeinem Gedicht: Disputation, den Mönch gegen den Rabbi zur Vertheidigung des chriſtlichen Glaubens ſagen läßt:
Trotzen kann ich deinen Geiſtern, Deinen dunkeln Höllenpoſſen, Denn in mir iſt Jeſus Chriſtus, Habe ſeinen Leib genoſſen.
ſo läßt ſich unter den einmal vorhandenen Umſtänden, auf Spaniſchem Boden, im Mittelalter, nichts dagegen ſagen. Wenn er nun aber den Mönch fortfahren läßt:
Chriſtus iſt mein Leibgericht, Schmeckt viel beſſer als Leviathan Mit der weißen Knoblauchſauce, Die vielleicht gekocht der Satan.
ſo iſt der Ausdruck: Leibgericht, ſchlechthin frivol und durch die Gemeinheit des Fanatismus, der hier geſchildert werden ſoll, nicht zu rechtfertigen. — Man kann von Heine nicht fordern, daß er das Sacrament des Abendmahls zu einem Moment ſeines eigenen Glaubens mache; allein die Poeſie darf von ihm fordern, daß er nicht mit Hohn überſchütte, was tauſenden der Hörer, an die er ſich wendet, heilig iſt. Die Trockenheit, die doctrinäre Einfachheit, womit er ſich ausſpricht, ſteigern nur die Verletzung. In den Romanzen
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die Anklage eben ſo geiſtvoll begründeten, als Dupin, Barthe
und Berville ihnen, mit der intereſſanteſten Bezugnahme auf
die Geſchichte der Chanſon in Frankreich, antworteten. Hätten
wir hier nur den Begriff des Frivolen zu erörtern, ſo würden
wir nicht ermangeln, näher darauf einzugehen; für uns iſt
aber das Frivole nur ein Moment in einer viel größern
Totalität (62). Wir beſchränken uns darauf, durch einige
Beiſpiele die bisherige Auseinanderſetzung zu illuſtriren. Wenn
Heine in ſeinem Gedicht: Disputation, den Mönch gegen
den Rabbi zur Vertheidigung des chriſtlichen Glaubens
ſagen läßt:
Trotzen kann ich deinen Geiſtern,
Deinen dunkeln Höllenpoſſen,
Denn in mir iſt Jeſus Chriſtus,
Habe ſeinen Leib genoſſen.
ſo läßt ſich unter den einmal vorhandenen Umſtänden, auf
Spaniſchem Boden, im Mittelalter, nichts dagegen ſagen.
Wenn er nun aber den Mönch fortfahren läßt:
Chriſtus iſt mein Leibgericht,
Schmeckt viel beſſer als Leviathan
Mit der weißen Knoblauchſauce,
Die vielleicht gekocht der Satan.
ſo iſt der Ausdruck: Leibgericht, ſchlechthin frivol und durch
die Gemeinheit des Fanatismus, der hier geſchildert werden
ſoll, nicht zu rechtfertigen. — Man kann von Heine nicht
fordern, daß er das Sacrament des Abendmahls zu einem
Moment ſeines eigenen Glaubens mache; allein die Poeſie
darf von ihm fordern, daß er nicht mit Hohn überſchütte,
was tauſenden der Hörer, an die er ſich wendet, heilig iſt.
Die Trockenheit, die doctrinäre Einfachheit, womit er ſich
ausſpricht, ſteigern nur die Verletzung. In den Romanzen
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/291>, abgerufen am 16.02.2025.
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