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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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alten Baum als Trophäen aufgehängt; eben so wenig fehlen
die Köpfe der Feier Hippodamias am Palaste des Vaters
aufgesteckt; und wie sollen wir uns bei den Strömen Blutes
benehmen, die in so manchen Bildern mit Staub vermischt
hin und wieder fließen und stocken. Und so dürfen wir wohl
sagen, der höchste Grundsatz der Alten war das Bedeutende,
das höchste Resultat einer glücklichen Behandlung aber das
Schöne. Und ist es bei uns Neueren nicht derselbe Fall?
Denn wo wollten wir in Kirchen und Galerien die Augen
hinwenden, nöthigten uns nicht vollendete Meister so manches
widerwärtige Martyrthum dankbar und behaglich anzuschauen."
Ein ästhetischer Gegenstand kann die Brutalität, welche den
wehrlosen Heiligen ausgesuchte Leiden bereitet, nur insofern
werden, als die Darstellung den Sieg der innern Freiheit
über die äußere Gewalt zur Erscheinung bringt. Die Henker
müssen daher musculöse Körper, harte, fühllose Gesichter,
grinsende Mienen haben, mit ihrem gräßlichen Geschäft per¬
sönlich in Einklang zu stehen, während die Gestalt und das
Antlitz der Heiligen uns durch Würde und Schönheit fesseln
muß. Die Ohnmacht der Brutalität über die Freiheit muß
durch die Verklärung der Physignomie, durch den Adel in
der Haltung der Gemarterten sich zweifellos herausstellen.
Die selbstgewisse Majestät des Glaubens muß der Banden
und der Qualen, des Todes und Hohnes, man kann nicht
einmal sagen, spotten, weil dies noch eine gewisse Befan¬
genheit, eine Endlichkeit der Entgegensetzung in sich schließen
würde, sondern sie muß schlechthin darüber hinaus sein und
im Erleiden und Empfinden des Schmerzes triumphiren.
Im Anblick solcher erhabenen Ruhe muß das Graunvolle der
brutalen Handlungen als ein Nichts verschwinden. Ohne
diesen Untergang des Entsetzlichen in der Größe und Macht

Rosenkranz, Aesthetik des Häßlichen. 17

alten Baum als Trophäen aufgehängt; eben ſo wenig fehlen
die Köpfe der Feier Hippodamias am Palaſte des Vaters
aufgeſteckt; und wie ſollen wir uns bei den Strömen Blutes
benehmen, die in ſo manchen Bildern mit Staub vermiſcht
hin und wieder fließen und ſtocken. Und ſo dürfen wir wohl
ſagen, der höchſte Grundſatz der Alten war das Bedeutende,
das höchſte Reſultat einer glücklichen Behandlung aber das
Schöne. Und iſt es bei uns Neueren nicht derſelbe Fall?
Denn wo wollten wir in Kirchen und Galerien die Augen
hinwenden, nöthigten uns nicht vollendete Meiſter ſo manches
widerwärtige Martyrthum dankbar und behaglich anzuſchauen.“
Ein äſthetiſcher Gegenſtand kann die Brutalität, welche den
wehrloſen Heiligen ausgeſuchte Leiden bereitet, nur inſofern
werden, als die Darſtellung den Sieg der innern Freiheit
über die äußere Gewalt zur Erſcheinung bringt. Die Henker
müſſen daher musculöſe Körper, harte, fühlloſe Geſichter,
grinſende Mienen haben, mit ihrem gräßlichen Geſchäft per¬
ſönlich in Einklang zu ſtehen, während die Geſtalt und das
Antlitz der Heiligen uns durch Würde und Schönheit feſſeln
muß. Die Ohnmacht der Brutalität über die Freiheit muß
durch die Verklärung der Phyſignomie, durch den Adel in
der Haltung der Gemarterten ſich zweifellos herausſtellen.
Die ſelbſtgewiſſe Majeſtät des Glaubens muß der Banden
und der Qualen, des Todes und Hohnes, man kann nicht
einmal ſagen, ſpotten, weil dies noch eine gewiſſe Befan¬
genheit, eine Endlichkeit der Entgegenſetzung in ſich ſchließen
würde, ſondern ſie muß ſchlechthin darüber hinaus ſein und
im Erleiden und Empfinden des Schmerzes triumphiren.
Im Anblick ſolcher erhabenen Ruhe muß das Graunvolle der
brutalen Handlungen als ein Nichts verſchwinden. Ohne
dieſen Untergang des Entſetzlichen in der Größe und Macht

Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 17
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[257/0279] alten Baum als Trophäen aufgehängt; eben ſo wenig fehlen die Köpfe der Feier Hippodamias am Palaſte des Vaters aufgeſteckt; und wie ſollen wir uns bei den Strömen Blutes benehmen, die in ſo manchen Bildern mit Staub vermiſcht hin und wieder fließen und ſtocken. Und ſo dürfen wir wohl ſagen, der höchſte Grundſatz der Alten war das Bedeutende, das höchſte Reſultat einer glücklichen Behandlung aber das Schöne. Und iſt es bei uns Neueren nicht derſelbe Fall? Denn wo wollten wir in Kirchen und Galerien die Augen hinwenden, nöthigten uns nicht vollendete Meiſter ſo manches widerwärtige Martyrthum dankbar und behaglich anzuſchauen.“ Ein äſthetiſcher Gegenſtand kann die Brutalität, welche den wehrloſen Heiligen ausgeſuchte Leiden bereitet, nur inſofern werden, als die Darſtellung den Sieg der innern Freiheit über die äußere Gewalt zur Erſcheinung bringt. Die Henker müſſen daher musculöſe Körper, harte, fühlloſe Geſichter, grinſende Mienen haben, mit ihrem gräßlichen Geſchäft per¬ ſönlich in Einklang zu ſtehen, während die Geſtalt und das Antlitz der Heiligen uns durch Würde und Schönheit feſſeln muß. Die Ohnmacht der Brutalität über die Freiheit muß durch die Verklärung der Phyſignomie, durch den Adel in der Haltung der Gemarterten ſich zweifellos herausſtellen. Die ſelbſtgewiſſe Majeſtät des Glaubens muß der Banden und der Qualen, des Todes und Hohnes, man kann nicht einmal ſagen, ſpotten, weil dies noch eine gewiſſe Befan¬ genheit, eine Endlichkeit der Entgegenſetzung in ſich ſchließen würde, ſondern ſie muß ſchlechthin darüber hinaus ſein und im Erleiden und Empfinden des Schmerzes triumphiren. Im Anblick ſolcher erhabenen Ruhe muß das Graunvolle der brutalen Handlungen als ein Nichts verſchwinden. Ohne dieſen Untergang des Entſetzlichen in der Größe und Macht Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 17

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/279>, abgerufen am 22.11.2024.