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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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mischt, ist noch nicht incorrect; wenn Jemand aber, wie
Sancho Pansa, endlich nur noch in Sprichwörtern redet,
so wird ein solches Aggregat von Sprichwörtern zu einer
Verzerrung, in welcher die sententiöse Kraft des zu rechter Zeit
angewendeten Sprichwortes durch Uebertreibung verloren geht.
Eine gemeine Physiognomie ist als solche noch keine Caricatur;
wenn aber ein Gesicht ganz in einem seiner Theile aufzu¬
gehen, wenn es nur Unterkiefer, nur Nase, Stirn u. s. w.
zu sein scheint, so entsteht eine Verzerrung; ein Mensch mit
einer sogenannten Pfundnase läßt uns nach den übrigen
Theilen des Gesichts gleichsam suchen. Und so ist auch das
Widrige als solches noch keineswegs Caricatur. Wenn ein
widriger Zustand einen Menschen zwingt, ihm sich willen¬
los zu ergeben, so vermag dies unser innigstes Mitleiden
zu erregen, wie z. B. in der Epilepsie. Wenn wir aber in
den Ekkleziazusen des Aristophanes den Blepyros
sehen, wie er in der eilig aufgerafften Kleidung seiner Frau
im Frühroth aus dem Hause tritt, seine Nothdurft zu ver¬
richten, so wird das Widrige zur Caricatur komödirt, indem
Blepyros unbemerkt zu sein glaubt (35).

Ein so großer Künstler, wie Aristophanes, verbindet
mit einem solchen Zug eine Ueberschwänglichkeit feiner An¬
spielungen, ganz abgesehen davon, daß er das frühe Auf¬
stehen des Blepyros durch den Drang des "Meisters
Kothios", wie Voß übersetzt, ungezwungen motivirt.
Worin liegt hier die Carikirung besonders? Offenbar
darin, daß die Frau des ehrsamen Atheniensischen Spie߬
bürgers, die Praxagora, in den Kleidern ihres Mannes
schon auf den Markt zu einer Versammlung der Weiber ge¬
gangen ist und während Blepyros sich mit der Verrichtung
eines gemeinen Bedürfnisses herumbalgt, dort eine andere

miſcht, iſt noch nicht incorrect; wenn Jemand aber, wie
Sancho Panſa, endlich nur noch in Sprichwörtern redet,
ſo wird ein ſolches Aggregat von Sprichwörtern zu einer
Verzerrung, in welcher die ſententiöſe Kraft des zu rechter Zeit
angewendeten Sprichwortes durch Uebertreibung verloren geht.
Eine gemeine Phyſiognomie iſt als ſolche noch keine Caricatur;
wenn aber ein Geſicht ganz in einem ſeiner Theile aufzu¬
gehen, wenn es nur Unterkiefer, nur Naſe, Stirn u. ſ. w.
zu ſein ſcheint, ſo entſteht eine Verzerrung; ein Menſch mit
einer ſogenannten Pfundnaſe läßt uns nach den übrigen
Theilen des Geſichts gleichſam ſuchen. Und ſo iſt auch das
Widrige als ſolches noch keineswegs Caricatur. Wenn ein
widriger Zuſtand einen Menſchen zwingt, ihm ſich willen¬
los zu ergeben, ſo vermag dies unſer innigſtes Mitleiden
zu erregen, wie z. B. in der Epilepſie. Wenn wir aber in
den Ekkleziazuſen des Ariſtophanes den Blepyros
ſehen, wie er in der eilig aufgerafften Kleidung ſeiner Frau
im Frühroth aus dem Hauſe tritt, ſeine Nothdurft zu ver¬
richten, ſo wird das Widrige zur Caricatur komödirt, indem
Blepyros unbemerkt zu ſein glaubt (35).

Ein ſo großer Künſtler, wie Ariſtophanes, verbindet
mit einem ſolchen Zug eine Ueberſchwänglichkeit feiner An¬
ſpielungen, ganz abgeſehen davon, daß er das frühe Auf¬
ſtehen des Blepyros durch den Drang des „Meiſters
Kothios“, wie Voß überſetzt, ungezwungen motivirt.
Worin liegt hier die Carikirung beſonders? Offenbar
darin, daß die Frau des ehrſamen Athenienſiſchen Spie߬
bürgers, die Praxagora, in den Kleidern ihres Mannes
ſchon auf den Markt zu einer Verſammlung der Weiber ge¬
gangen iſt und während Blepyros ſich mit der Verrichtung
eines gemeinen Bedürfniſſes herumbalgt, dort eine andere

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[172/0194] miſcht, iſt noch nicht incorrect; wenn Jemand aber, wie Sancho Panſa, endlich nur noch in Sprichwörtern redet, ſo wird ein ſolches Aggregat von Sprichwörtern zu einer Verzerrung, in welcher die ſententiöſe Kraft des zu rechter Zeit angewendeten Sprichwortes durch Uebertreibung verloren geht. Eine gemeine Phyſiognomie iſt als ſolche noch keine Caricatur; wenn aber ein Geſicht ganz in einem ſeiner Theile aufzu¬ gehen, wenn es nur Unterkiefer, nur Naſe, Stirn u. ſ. w. zu ſein ſcheint, ſo entſteht eine Verzerrung; ein Menſch mit einer ſogenannten Pfundnaſe läßt uns nach den übrigen Theilen des Geſichts gleichſam ſuchen. Und ſo iſt auch das Widrige als ſolches noch keineswegs Caricatur. Wenn ein widriger Zuſtand einen Menſchen zwingt, ihm ſich willen¬ los zu ergeben, ſo vermag dies unſer innigſtes Mitleiden zu erregen, wie z. B. in der Epilepſie. Wenn wir aber in den Ekkleziazuſen des Ariſtophanes den Blepyros ſehen, wie er in der eilig aufgerafften Kleidung ſeiner Frau im Frühroth aus dem Hauſe tritt, ſeine Nothdurft zu ver¬ richten, ſo wird das Widrige zur Caricatur komödirt, indem Blepyros unbemerkt zu ſein glaubt (35). Ein ſo großer Künſtler, wie Ariſtophanes, verbindet mit einem ſolchen Zug eine Ueberſchwänglichkeit feiner An¬ ſpielungen, ganz abgeſehen davon, daß er das frühe Auf¬ ſtehen des Blepyros durch den Drang des „Meiſters Kothios“, wie Voß überſetzt, ungezwungen motivirt. Worin liegt hier die Carikirung beſonders? Offenbar darin, daß die Frau des ehrſamen Athenienſiſchen Spie߬ bürgers, die Praxagora, in den Kleidern ihres Mannes ſchon auf den Markt zu einer Verſammlung der Weiber ge¬ gangen iſt und während Blepyros ſich mit der Verrichtung eines gemeinen Bedürfniſſes herumbalgt, dort eine andere

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/194>, abgerufen am 24.11.2024.