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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Bulwer, Sue u. A. haben von diesem Mittel zuweilen
auch für das Entsetzliche einen reichen Gebrauch gemacht,
weil eine solche aparte Sprache uns aus der gesitteten und
gebildeten bürgerlichen Gesellschaft herausfallen läßt. Wir
schaudern, die Sprache der Barbarei zu vernehmen, die
mitten unter uns im Dunkel der Heimlichkeit lebt und für
uns die Sprache unserer Feinde ist. Der Berliner Jargon
hat wohl deshalb seit einigen Decennien eine so große Aus¬
breitung erhalten, weil er ein gewisses Element heiterer
Selbstironisirung enthält, das ihn, so zu sagen, gesellschafts¬
fähig macht. In Glasbrenner hat er seinen Classiker er¬
halten, der Nante Strumpf, Herrn Buffey, Madam Pisecke,
Buffey's Sohn, Willem u. s. w. eben so populair gemacht
hat, als vordem Bäuerle mit dem Wiener Dialekt den
Herrn Staberle gemacht hatte. Daß der Jargon auch
Sprachfehler macht, versteht sich von selbst.

Vom Jargon und von der Sprachunrichtigkeit ver¬
schieden ist noch die Sprachmengerei. Da eine jede Sprache
ein harmonisches Ganze sein sollte, so wären streng genom¬
men alle Wörter aus andern Sprachen zu tadeln. Allein so
weit läßt der Purismus sich nicht treiben. Da, wo sich Misch¬
sprachen erzeugen, wie die heutigen Romanischen Sprachen,
oder wo der Kosmopolitismus der universellen Civilisation, wie
in Europa und Amerika, die Völker zur innigsten Wechsel¬
wirkung mit einander durchdringt, da ist Sprachreinheit eine
Unmöglichkeit geworden. Ja es kann sogar ein Fehler
werden, in einem vorkommenden Fall nicht das allverständ¬
liche Fremdwort zu gebrauchen. Die Sprachmengerei wird
häßlich, wenn sie, wie in unserer Literatur in der Mitte des
siebzehnten Jahrhunderts, die ästhetische Einheit aufhebt; ein
Fehler, in den bei uns auch Sealsfield öfter verfällt,

Bulwer, Sue u. A. haben von dieſem Mittel zuweilen
auch für das Entſetzliche einen reichen Gebrauch gemacht,
weil eine ſolche aparte Sprache uns aus der geſitteten und
gebildeten bürgerlichen Geſellſchaft herausfallen läßt. Wir
ſchaudern, die Sprache der Barbarei zu vernehmen, die
mitten unter uns im Dunkel der Heimlichkeit lebt und für
uns die Sprache unſerer Feinde iſt. Der Berliner Jargon
hat wohl deshalb ſeit einigen Decennien eine ſo große Aus¬
breitung erhalten, weil er ein gewiſſes Element heiterer
Selbſtironiſirung enthält, das ihn, ſo zu ſagen, geſellſchafts¬
fähig macht. In Glasbrenner hat er ſeinen Claſſiker er¬
halten, der Nante Strumpf, Herrn Buffey, Madam Piſecke,
Buffey's Sohn, Willem u. ſ. w. eben ſo populair gemacht
hat, als vordem Bäuerle mit dem Wiener Dialekt den
Herrn Staberle gemacht hatte. Daß der Jargon auch
Sprachfehler macht, verſteht ſich von ſelbſt.

Vom Jargon und von der Sprachunrichtigkeit ver¬
ſchieden iſt noch die Sprachmengerei. Da eine jede Sprache
ein harmoniſches Ganze ſein ſollte, ſo wären ſtreng genom¬
men alle Wörter aus andern Sprachen zu tadeln. Allein ſo
weit läßt der Purismus ſich nicht treiben. Da, wo ſich Miſch¬
ſprachen erzeugen, wie die heutigen Romaniſchen Sprachen,
oder wo der Kosmopolitismus der univerſellen Civiliſation, wie
in Europa und Amerika, die Völker zur innigſten Wechſel¬
wirkung mit einander durchdringt, da iſt Sprachreinheit eine
Unmöglichkeit geworden. Ja es kann ſogar ein Fehler
werden, in einem vorkommenden Fall nicht das allverſtänd¬
liche Fremdwort zu gebrauchen. Die Sprachmengerei wird
häßlich, wenn ſie, wie in unſerer Literatur in der Mitte des
ſiebzehnten Jahrhunderts, die äſthetiſche Einheit aufhebt; ein
Fehler, in den bei uns auch Sealsfield öfter verfällt,

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[162/0184] Bulwer, Sue u. A. haben von dieſem Mittel zuweilen auch für das Entſetzliche einen reichen Gebrauch gemacht, weil eine ſolche aparte Sprache uns aus der geſitteten und gebildeten bürgerlichen Geſellſchaft herausfallen läßt. Wir ſchaudern, die Sprache der Barbarei zu vernehmen, die mitten unter uns im Dunkel der Heimlichkeit lebt und für uns die Sprache unſerer Feinde iſt. Der Berliner Jargon hat wohl deshalb ſeit einigen Decennien eine ſo große Aus¬ breitung erhalten, weil er ein gewiſſes Element heiterer Selbſtironiſirung enthält, das ihn, ſo zu ſagen, geſellſchafts¬ fähig macht. In Glasbrenner hat er ſeinen Claſſiker er¬ halten, der Nante Strumpf, Herrn Buffey, Madam Piſecke, Buffey's Sohn, Willem u. ſ. w. eben ſo populair gemacht hat, als vordem Bäuerle mit dem Wiener Dialekt den Herrn Staberle gemacht hatte. Daß der Jargon auch Sprachfehler macht, verſteht ſich von ſelbſt. Vom Jargon und von der Sprachunrichtigkeit ver¬ ſchieden iſt noch die Sprachmengerei. Da eine jede Sprache ein harmoniſches Ganze ſein ſollte, ſo wären ſtreng genom¬ men alle Wörter aus andern Sprachen zu tadeln. Allein ſo weit läßt der Purismus ſich nicht treiben. Da, wo ſich Miſch¬ ſprachen erzeugen, wie die heutigen Romaniſchen Sprachen, oder wo der Kosmopolitismus der univerſellen Civiliſation, wie in Europa und Amerika, die Völker zur innigſten Wechſel¬ wirkung mit einander durchdringt, da iſt Sprachreinheit eine Unmöglichkeit geworden. Ja es kann ſogar ein Fehler werden, in einem vorkommenden Fall nicht das allverſtänd¬ liche Fremdwort zu gebrauchen. Die Sprachmengerei wird häßlich, wenn ſie, wie in unſerer Literatur in der Mitte des ſiebzehnten Jahrhunderts, die äſthetiſche Einheit aufhebt; ein Fehler, in den bei uns auch Sealsfield öfter verfällt,

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/184>, abgerufen am 24.11.2024.