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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Tannenbaum ein Symbol Gottes sein. Der Tannenbaum
liebt trocknen sandigen Grund; Redwitz läßt dennoch seinen
Wurzeln einen Quell entrauschen -- das soll der Mensch
sein, der sich, der natürlichen Fallkraft folgend, in die Weite
und Breite der Welt verliert und endlich in Gefahr ist, zu
stagniren und zu vertrocknen. Da sendet ihm der Baum
einen rettenden Ast nach -- und nun fließt der Bach rück¬
wärts seinem Ursprung wieder zu! Der Erlöser der Menschen
-- durch einen nachgeschleuderten Tannenast symbolisirt!
Welche dürre Nadelholzpoeterei! Ein rückwärts fließender
Bach! Welch' ein Tiefsinn!


B.
Die Incorrec theit in den besondern Stylarten.

Die Kunst hat an der Idee der Natur und Geschichte
eine allgemeine Norm für die Correctheit ihrer Gebilde.
Allein sie erzeugt sich auch durch ihre eigene Nothwendigkeit
Normen, denen sie sich für die Verwirklichung ihrer
Werke unterwerfen muß. Wir nennen die besondere Form
ihres typischen Verfahrens Styl. Ein Kunstwerk ist nur
dann correct, wenn es die Eigenthümlichkeit eines be¬
sondern Styls durchführt. Eine Vernachlässigung dieser
Identität wird incorrect. Es gehört nicht hieher, die ver¬
schiedenen Richtungen abzuleiten, in welche das Ideal für
seine Realisirung durch den Styl auseinandergeht. Wir
haben dieselben nur so viel hier zu beachten, als erforderlich
ist, uns eine besondere Form des Häßlichen zu erklären, die
aus der Negation der Individualität eines Styls entspringt.

Aus der Idee des Schönen selber ergibt sich, daß die
Darstellung eines Kunstwerkes entweder im hohen und

Tannenbaum ein Symbol Gottes ſein. Der Tannenbaum
liebt trocknen ſandigen Grund; Redwitz läßt dennoch ſeinen
Wurzeln einen Quell entrauſchen — das ſoll der Menſch
ſein, der ſich, der natürlichen Fallkraft folgend, in die Weite
und Breite der Welt verliert und endlich in Gefahr iſt, zu
ſtagniren und zu vertrocknen. Da ſendet ihm der Baum
einen rettenden Aſt nach — und nun fließt der Bach rück¬
wärts ſeinem Urſprung wieder zu! Der Erlöſer der Menſchen
— durch einen nachgeſchleuderten Tannenaſt ſymboliſirt!
Welche dürre Nadelholzpoeterei! Ein rückwärts fließender
Bach! Welch' ein Tiefſinn!


B.
Die Incorrec theit in den beſondern Stylarten.

Die Kunſt hat an der Idee der Natur und Geſchichte
eine allgemeine Norm für die Correctheit ihrer Gebilde.
Allein ſie erzeugt ſich auch durch ihre eigene Nothwendigkeit
Normen, denen ſie ſich für die Verwirklichung ihrer
Werke unterwerfen muß. Wir nennen die beſondere Form
ihres typiſchen Verfahrens Styl. Ein Kunſtwerk iſt nur
dann correct, wenn es die Eigenthümlichkeit eines be¬
ſondern Styls durchführt. Eine Vernachläſſigung dieſer
Identität wird incorrect. Es gehört nicht hieher, die ver¬
ſchiedenen Richtungen abzuleiten, in welche das Ideal für
ſeine Realiſirung durch den Styl auseinandergeht. Wir
haben dieſelben nur ſo viel hier zu beachten, als erforderlich
iſt, uns eine beſondere Form des Häßlichen zu erklären, die
aus der Negation der Individualität eines Styls entſpringt.

Aus der Idee des Schönen ſelber ergibt ſich, daß die
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[138/0160] Tannenbaum ein Symbol Gottes ſein. Der Tannenbaum liebt trocknen ſandigen Grund; Redwitz läßt dennoch ſeinen Wurzeln einen Quell entrauſchen — das ſoll der Menſch ſein, der ſich, der natürlichen Fallkraft folgend, in die Weite und Breite der Welt verliert und endlich in Gefahr iſt, zu ſtagniren und zu vertrocknen. Da ſendet ihm der Baum einen rettenden Aſt nach — und nun fließt der Bach rück¬ wärts ſeinem Urſprung wieder zu! Der Erlöſer der Menſchen — durch einen nachgeſchleuderten Tannenaſt ſymboliſirt! Welche dürre Nadelholzpoeterei! Ein rückwärts fließender Bach! Welch' ein Tiefſinn! B. Die Incorrec theit in den beſondern Stylarten. Die Kunſt hat an der Idee der Natur und Geſchichte eine allgemeine Norm für die Correctheit ihrer Gebilde. Allein ſie erzeugt ſich auch durch ihre eigene Nothwendigkeit Normen, denen ſie ſich für die Verwirklichung ihrer Werke unterwerfen muß. Wir nennen die beſondere Form ihres typiſchen Verfahrens Styl. Ein Kunſtwerk iſt nur dann correct, wenn es die Eigenthümlichkeit eines be¬ ſondern Styls durchführt. Eine Vernachläſſigung dieſer Identität wird incorrect. Es gehört nicht hieher, die ver¬ ſchiedenen Richtungen abzuleiten, in welche das Ideal für ſeine Realiſirung durch den Styl auseinandergeht. Wir haben dieſelben nur ſo viel hier zu beachten, als erforderlich iſt, uns eine beſondere Form des Häßlichen zu erklären, die aus der Negation der Individualität eines Styls entſpringt. Aus der Idee des Schönen ſelber ergibt ſich, daß die Darſtellung eines Kunſtwerkes entweder im hohen und

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/160>, abgerufen am 24.11.2024.