lassen, daß sie einander beispringen könnten. Und über die Lauterhöhe zu kommen ist schon gar eine Unmöglichkeit. Die Markstangen, die an den Stei- gen stecken, gehen kaum mehr aus dem Schnee hervor; die Lasten auf den Bäumen reißen die Aeste ab und brechen die Stämme. Des Schneiens ist kein Ende. Keine Flocken fallen mehr, es ist ein schweres, undurchsichtiges Staubwirbeln. Und die Hauben der Geäste und Pfähle, und die Dachgiebel bauen sich höher von Minute zu Minute.
Wenn ein Wind kommt, so rettet das viel- leicht den Wald, kann aber zu unserem Verderben sein. Eine Stunde Sturm über die lockeren Schnee- lehnen her, und wir sind begraben.
Der Pfarrer hat alle Waldarbeiter, denen nur beizukommen ist, gedungen, daß sie Pfade herstellen in die Lautergräben, Karwässer, und daselbst von einer Hütte zur andern. Einmal sind sie richtig hinübergekommen, aber die Rückkehr ist wieder die neue Mühe. Die verschneiten Leute drüben werden doch vorgesorgt sein; sie haben ihre Welt ja in ihren Hütten.
In einer Klause des Karwasserschlages soll wol schon seit fünf Tagen die Leiche eines alten Mannes liegen.
Der Pfarrer hat sich heute Schneeleitern an die Füße gebunden, um bei den Kranken Besuche
laſſen, daß ſie einander beiſpringen könnten. Und über die Lauterhöhe zu kommen iſt ſchon gar eine Unmöglichkeit. Die Markſtangen, die an den Stei- gen ſtecken, gehen kaum mehr aus dem Schnee hervor; die Laſten auf den Bäumen reißen die Aeſte ab und brechen die Stämme. Des Schneiens iſt kein Ende. Keine Flocken fallen mehr, es iſt ein ſchweres, undurchſichtiges Staubwirbeln. Und die Hauben der Geäſte und Pfähle, und die Dachgiebel bauen ſich höher von Minute zu Minute.
Wenn ein Wind kommt, ſo rettet das viel- leicht den Wald, kann aber zu unſerem Verderben ſein. Eine Stunde Sturm über die lockeren Schnee- lehnen her, und wir ſind begraben.
Der Pfarrer hat alle Waldarbeiter, denen nur beizukommen iſt, gedungen, daß ſie Pfade herſtellen in die Lautergräben, Karwäſſer, und daſelbſt von einer Hütte zur andern. Einmal ſind ſie richtig hinübergekommen, aber die Rückkehr iſt wieder die neue Mühe. Die verſchneiten Leute drüben werden doch vorgeſorgt ſein; ſie haben ihre Welt ja in ihren Hütten.
In einer Klauſe des Karwaſſerſchlages ſoll wol ſchon ſeit fünf Tagen die Leiche eines alten Mannes liegen.
Der Pfarrer hat ſich heute Schneeleitern an die Füße gebunden, um bei den Kranken Beſuche
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laſſen, daß ſie einander beiſpringen könnten. Und
über die Lauterhöhe zu kommen iſt ſchon gar eine
Unmöglichkeit. Die Markſtangen, die an den Stei-
gen ſtecken, gehen kaum mehr aus dem Schnee
hervor; die Laſten auf den Bäumen reißen die
Aeſte ab und brechen die Stämme. Des Schneiens
iſt kein Ende. Keine Flocken fallen mehr, es iſt ein
ſchweres, undurchſichtiges Staubwirbeln. Und die
Hauben der Geäſte und Pfähle, und die Dachgiebel
bauen ſich höher von Minute zu Minute.
Wenn ein Wind kommt, ſo rettet das viel-
leicht den Wald, kann aber zu unſerem Verderben
ſein. Eine Stunde Sturm über die lockeren Schnee-
lehnen her, und wir ſind begraben.
Der Pfarrer hat alle Waldarbeiter, denen nur
beizukommen iſt, gedungen, daß ſie Pfade herſtellen
in die Lautergräben, Karwäſſer, und daſelbſt von
einer Hütte zur andern. Einmal ſind ſie richtig
hinübergekommen, aber die Rückkehr iſt wieder die
neue Mühe. Die verſchneiten Leute drüben werden
doch vorgeſorgt ſein; ſie haben ihre Welt ja in
ihren Hütten.
In einer Klauſe des Karwaſſerſchlages ſoll
wol ſchon ſeit fünf Tagen die Leiche eines alten
Mannes liegen.
Der Pfarrer hat ſich heute Schneeleitern an
die Füße gebunden, um bei den Kranken Beſuche
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/330>, abgerufen am 25.11.2024.
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