Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir können jetzt, wenn schön Wetter, die Zeit
schon nach Stunden messen; der Franz Ehrenwald
hat an die Mittagsseite des Thurmes eine Sonnen-
uhr gemalt.

Als der Einspanig fort ist, schreit die Haus-
hälterin: "Wie närrisch, jetzt hat uns der Kukuk
Den auch wiederum in's Haus getragen.

"Der Kukuk?" entgegne ich, "ja wol, dieser
Mann ist selber wie der Kukuk, hat kein Nest, muß
ruhlos von einem Baum zum andern flattern, ist
überall gemieden und nirgends daheim. Aber im
Lenz hören wir ihn doch gern, denn er bringt uns
ja das Frühjahr und er ist ein Wahrsager und
zählt uns die Lebensjahre vor."

"Ja," schreit das Weib, "und fabelt uns
himmelblau an, wie mich damalen; und ist ihm
die Welt leicht nicht mit Brettern verschlagen, so
ist es sicherlich sein Kopf. Geht mir weg mit
euerem Einspanig!"

Wenn die gute Winkelhüterin wüßte, was ich
in einer Stunde darauf dem Freiherrn für einen
Brief geschrieben habe!



Wir können jetzt, wenn ſchön Wetter, die Zeit
ſchon nach Stunden meſſen; der Franz Ehrenwald
hat an die Mittagsſeite des Thurmes eine Sonnen-
uhr gemalt.

Als der Einſpanig fort iſt, ſchreit die Haus-
hälterin: „Wie närriſch, jetzt hat uns der Kukuk
Den auch wiederum in’s Haus getragen.

„Der Kukuk?“ entgegne ich, „ja wol, dieſer
Mann iſt ſelber wie der Kukuk, hat kein Neſt, muß
ruhlos von einem Baum zum andern flattern, iſt
überall gemieden und nirgends daheim. Aber im
Lenz hören wir ihn doch gern, denn er bringt uns
ja das Frühjahr und er iſt ein Wahrſager und
zählt uns die Lebensjahre vor.“

„Ja,“ ſchreit das Weib, „und fabelt uns
himmelblau an, wie mich damalen; und iſt ihm
die Welt leicht nicht mit Brettern verſchlagen, ſo
iſt es ſicherlich ſein Kopf. Geht mir weg mit
euerem Einſpanig!“

Wenn die gute Winkelhüterin wüßte, was ich
in einer Stunde darauf dem Freiherrn für einen
Brief geſchrieben habe!



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0316" n="306"/>
          <p>Wir können jetzt, wenn &#x017F;chön Wetter, die Zeit<lb/>
&#x017F;chon nach Stunden me&#x017F;&#x017F;en; der Franz Ehrenwald<lb/>
hat an die Mittags&#x017F;eite des Thurmes eine Sonnen-<lb/>
uhr gemalt.</p><lb/>
          <p>Als der Ein&#x017F;panig fort i&#x017F;t, &#x017F;chreit die Haus-<lb/>
hälterin: &#x201E;Wie närri&#x017F;ch, jetzt hat uns der Kukuk<lb/><hi rendition="#g">Den</hi> auch wiederum in&#x2019;s Haus getragen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der Kukuk?&#x201C; entgegne ich, &#x201E;ja wol, die&#x017F;er<lb/>
Mann i&#x017F;t &#x017F;elber wie der Kukuk, hat kein Ne&#x017F;t, muß<lb/>
ruhlos von einem Baum zum andern flattern, i&#x017F;t<lb/>
überall gemieden und nirgends daheim. Aber im<lb/>
Lenz hören wir ihn doch gern, denn er bringt uns<lb/>
ja das Frühjahr und er i&#x017F;t ein Wahr&#x017F;ager und<lb/>
zählt uns die Lebensjahre vor.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja,&#x201C; &#x017F;chreit das Weib, &#x201E;und fabelt uns<lb/>
himmelblau an, wie mich damalen; und i&#x017F;t ihm<lb/>
die Welt leicht nicht mit Brettern ver&#x017F;chlagen, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t es &#x017F;icherlich &#x017F;ein Kopf. Geht mir weg mit<lb/>
euerem Ein&#x017F;panig!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wenn die gute Winkelhüterin wüßte, was ich<lb/>
in einer Stunde darauf dem Freiherrn für einen<lb/>
Brief ge&#x017F;chrieben habe!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0316] Wir können jetzt, wenn ſchön Wetter, die Zeit ſchon nach Stunden meſſen; der Franz Ehrenwald hat an die Mittagsſeite des Thurmes eine Sonnen- uhr gemalt. Als der Einſpanig fort iſt, ſchreit die Haus- hälterin: „Wie närriſch, jetzt hat uns der Kukuk Den auch wiederum in’s Haus getragen. „Der Kukuk?“ entgegne ich, „ja wol, dieſer Mann iſt ſelber wie der Kukuk, hat kein Neſt, muß ruhlos von einem Baum zum andern flattern, iſt überall gemieden und nirgends daheim. Aber im Lenz hören wir ihn doch gern, denn er bringt uns ja das Frühjahr und er iſt ein Wahrſager und zählt uns die Lebensjahre vor.“ „Ja,“ ſchreit das Weib, „und fabelt uns himmelblau an, wie mich damalen; und iſt ihm die Welt leicht nicht mit Brettern verſchlagen, ſo iſt es ſicherlich ſein Kopf. Geht mir weg mit euerem Einſpanig!“ Wenn die gute Winkelhüterin wüßte, was ich in einer Stunde darauf dem Freiherrn für einen Brief geſchrieben habe!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/316
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/316>, abgerufen am 25.11.2024.